Druck auf Betriebe bleibt
Internationale Beratertagung 2009 in Marburg
Bei der Jahrestagung der Internationalen Akademie land- und hauswirtÂschaftÂlicher Beraterinnen und Berater (IALB) sprachen am Montag in Marburg die Professoren Enno Bahrs und Franz-Josef Radermacher von einem rapide ansteigenden Bedarf nach Agrarrohstoffen in der Welt. Offen blieb die Frage, wie die Landwirtschaftsbetriebe von dieser Entwicklung profitieren können.
Foto: LW
Märkte von Unsicherheit geprägt
Denn volatilere ProduktpreiÂse führten wahrscheinlich auch zu volatileren Betriebsmittelpreisen, meinte Bahrs. GleichÂzeitig ziehe sich die EU immer weiter aus der Marktsteuerung zurück. Denn während in der VergangenÂheit agrarpolitische Interventionsmechanismen in Ãœberschussmärkten die Preise nach unten absicherten, aber auch nach oben nicht viel Erwartungspotenzial ließen, seien die zukünftigen Märkte damit durch ein erheblich höheres Maß an Unsicherheit geprägt. Die Bedeutung des Staates, regulierend auf den Markt zu wirken, nehme ab und die Bedeutung des betriebsindividuellen Risikomanagements werde zunehmen. Damit werde es für alle Marktbeteiligten schwieriger, das Angebot und die Nachfrage auf den Märkten vorherzusehen und mit dem dazugehörigen Verhandlungsgeschick zu begleiten. Der Betriebswirt Bahrs skizzierte die Frage des erfolgreiÂchen Bestehens am Markt anhand des Beispiels eines 100-ha-Ackerbaubetriebs, der entsprechend seinen MoÂdellÂrechnungen im letzten Jahr durchaus einen Unterschied in der Gewinn- und Verlustrechnung in Höhe von circa 75 000 Euro hätte ausweiÂsen können. Und das allein aufgrund günstiger beziehungsweise ungünstiger Zeitpunkte in der Vermarktung des Getreides und im Bezug der Betriebsmittel. Während sich in der VerganÂgenÂheit die Kaufpreis- und Verkaufpreiserwartungen in einigermaßen schmalen Bandbreiten beÂwegten, werde diese Spanne zukünftig größer. Die Potenziale der Preisausschläge werden größer sowie die zunehmende Geschwindigkeit ihrer VerÂänderunÂgen, sowohl nach oben als auch nach unten. Dies mache die Agrarmärkte kaum noch vorhersehbar. Wer unterdurchschnittlich gut prognostiziere und verhandele, werde zuÂkünftig im Wettbewerb stärker als zuvor das Nachsehen haben. Aus der Globalisierung der MärkÂte, dem steigenden Wohlstand in vielen Schwellenländern, dem Hunger nach Energie, auch nach Bioenergie, lassen sich nach Bahrs Ãœberlegungen ebenso neue AnforderunÂgen an zukünftiÂge RahmenbedingunÂgen ableiten. Einerseits bestehen diese in mehr AnÂreiÂzen für eine höhere Intensität in der BioÂmasseÂproÂdukÂtion. Andererseits steigen die AnfordeÂrungen zum Schutz von Klima, Boden und Wasser. Die Folge für die Agrarwirtschaft sei ein Spagat zwischen wachsender regionaÂler und zugleich globaler BiomasÂseÂerÂzeugung und einem gleichÂzeiÂtig angemessenen UmÂÂweltÂschutz. Ein Patentrezept, mithilfe dessen die Landwirte diese HerÂausÂÂforderungen meistern könnÂten, gebe es nicht. Und doch hält Bahrs in der Landwirtschaft gerade die Familienbetriebe weiterhin für wettbewerbsfähig: Auch wenn der technische Fortschritt dazu führe, dass die Betriebe in immer größere Einheiten wachsen, so sind für ihn weiterhin Familienbetriebe besonders dann konkurrenzfähig, wenn sie das richtige Konzept für ihren Betrieb parat haben und auch das Vermarkten der Produkte beherrschen. Denn Familienbetriebe seien häufig stark eigenkapitalfinanziert und müssten oft weniger Kapitaldienst leisten als andere. Allerdings empfiehlt er auch diesen Betriebsleitern: „Haben Sie den Mut, Fremdarbeitskräfte zu beschäftigen, denn das stabilisiert auch einen Familienbetrieb.“
Rohstoffe und Reichtum verteilen
Die Folgen der Globalisierung gehörten zu den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, stellte zuvor Professor RaÂdermacher heraus. Klimawandel, soziale Ungleichheit und die rasante Zunahme der Weltbevölkerung seien ProbleÂme, die letztlich nur auf globaler Ebene gelöst werden könnten. Voraussetzung für eine bessere Verteilung der Ressourcen sei eine Finanzierung von Nord nach Süd, ein Welt-Marshallplan, der Investitionsprogramme mit sozialen und ökologischen Standards verbinde. Er ging in seinem Vortrag auch auf die rapide Bevölkerungsentwicklung ein und fragte: „Dürfen die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern auch so leben wie wir?“ Die heutige Weltagrarproduktion würde zwar ausreichen, um 13 Mrd. Menschen zu ernähren. Dennoch verhungerten viele Menschen, denn es gebe ein Verteilungsproblem. Welche Zukunftsperspektiven es in dieser Situation für die Landwirtschaft gebe, ließ Radermacher offen. Die Politik müsse gezwungen werÂden, ein global sozial-ökonomisches Regelwerk aufzustellen, um eine gerechtere VerÂÂteilung des Reichtums und der knappen Ressourcen zu erreichen, lautet eine KernÂaussage seines Vortrags.
Lebensqualität erhalten
Foto: LW
Landwirtschaft in Hessen
Ein charakterisierendes Bild der Landwirtschaft in Hessen gab der Leiter des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen, Direktor Andreas Sandhäger. Eine Botschaft seiner Ausführungen lautete, dass der Strukturwandel in der LandwirtÂschaft im Rhein-Main-Ballungsraum dem in den peripheÂren RegioÂnen Hessens rund 20 Jahren voraus eile. Kennzeichnend für ihn ist dabei der hohe Anteil (67 Prozent) von HauptÂerwerbsÂbeÂtrieben in Stadtnähe, hingegen hessenweit betrachtet der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe (NE) bei 67 Prozent liege (in der Bundesrepublik: 55 Prozent NE). Der PachtÂflächenanteil der Haupterwerbsbetriebe sei mit 64 Prozent vergleichsweise hoch. In den vergangenen Jahren seien 46 Prozent der Investitionsmaßnahmen im Rahmen des AFP für Milchvieh eingesetzt worden. In der MastÂschweiÂneÂhaltung sei Hessen strukturell sehr schwach aufgestellt. Vergleichsweise gut allerdings in der Sauenhaltung. Moe