Große Bauerndemonstrationen in Luxemburg
Sofortmaßnahmen vom Agrarministerrat gefordert
Am Rande der Agrarministerratssitzung sind am Montag in Luxemburg mehrere tausend Landwirte auf die Straße gegangen, um auf ihre prekäre wirtschaftliche Situation aufmerksam zu machen und Hilfsmaßnahmen zu fordern. Der Deutsche Bauernverband (DBV) sowie die EU-Ausschüsse der Landwirte (COPA) und Genossenschaften (COGECA) schätzten die Teilnehmer der von ihnen organisierte Demonstration auf allein 4 000 bis 5 000 Personen – davon rund 1 000 aus Deutschland – und mehrere hundert Schlepper.
Darunter waren rund 50 Landwirte vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd und über 80 Landwirte und Schäfer aus Hessen. Angeführt wurde die hessische Delegation von Armin Müller, Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes, und Hubertus Dissen,dem 2. Vorsitzenden des Hessischen Schäferverbandes. Auch das European Milk Board (EMB) schickte Traktoren ins Großherzogtum. Alle Redner der aus 22 Ländern angereisten Bauernorganisationen machten deutlich, wie groß die wirtschaftliche Bedrängnis in ihren Betrieben europaweit ist. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, unterstützte den COPA-Präsidenten, Padraig Walshe, bei seinem nachdrücklichen Appell an die EU-Kommission und den Agrarministerrat, Maßnahmen zur Marktbelebung bei Milch und Fleisch zu ergreifen, die überÂbordende Bürokratie der EU-Agrarpolitik abzubauen und kurzfristige Liquiditätshilfen in den Betrieben sicherzustellen. Im Zusammenhang mit dem notwendigen Bürokratieabbau unterstützte Sonnleitner insbesondere die Forderung der deutschen Schäfer, auf die elektronische Tierkennzeichnung vollständig zu verzichten.Verärgert zeigte sich Sonnleitner, dass manche Medien zuletzt die Debatte um das Klonen von Nutztieren in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung stellten. Der DBV lehne das Klonen zwar strikt ab; hier und heute gehe es aber um Landwirte, die um ihre Existenz kämpften. „Wir brauchen kein Klonfleisch, sondern ein Aktionsprogramm für Betriebe“, so der DBV-Chef.
Das Thema Milch stand beim Agrarrat als informeller Punkt während des Mittagessens auf der Tagesordnung. EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel machte keine weiteren Zugeständnisse, die über die Ankündigungen des Maitreffens hinausgingen. Allerdings bestätigte sie, dass ein Vorschlag zur Verlängerung der öffentlichen Intervention für Butter und Magermilchpulver über den 31. August hinaus den Ministern bei der kommenden Sitzung im Juli vorgelegt werden soll. Ferner will Fischer Boel die Möglichkeit ins Auge fassen, Exporterstattungen für Käse der unteren Preisschiene zu gewähren. Gleichzeitig bekräftigte sie ihre Ablehnung der Verfütterungsbeihilfe für Magermilchpulver, die in ihren Augen ineffizient ist. Die Aufforderung der EU-Staats- und Regierungschefs vom vergangenen Freitag, innerhalb von zwei Monaten einen Marktbericht und Vorschläge zur Abmilderung der Milchkrise vorzulegen, kehrte sie zu ihren Gunsten. Dies werde man gerne tun; allerdings habe der Europäische Rat durch seine Formulierung auch bestätigt, dass an den Beschlüssen des Gesundheits-Checks nicht gerührt werden dürfe. Damit spielte sie auf Forderungen an, das Auslaufen der Garantiemengenregelung zu überdenken oder die Quoten zu kürzen.
Laut Spiegel Online will EU-Agrarkommissarin Fischer Boel die Milchpreise einzelner Supermärkte überprüfen lassen. Die Preise der Landwirte hätten in den vergangenen Jahren mit denen der Einzelhandelspreise nicht mitgehalten: Diese seien im Sommer 2007 um 17 Prozent gestiegen, von 2008 bis heute jedoch nur um zwei Prozent zurückgegangen. „Im gleichen Zeitraum fiel aber der Preis, den die Bauern bekommen, sogar unter das Ausgangsniveau. Wir wollen wissen, wie das möglich ist und wohin das Geld fließt.“ Fischer Boel sagte, sie erwarte ein „deutliches Signal“ vom Einzelhandel, sonst könne es „zum schlimmsten aller Szenarien“ kommen: „Die Milchbauern stellen ihre Produktion ein und wir können europäische Verbraucher nicht mehr mit Frischmilch aus Europa versorgen.“
Unterdessen können Schaf- und Ziegenhalter können auf gewisse Erleichterungen bei der elektronischen Kennzeichnungspflicht hoffen. Wie in Luxemburg bekannt wurde, stellt EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou in Aussicht, dass Tiere eventuell nicht automatisch ab dem sechsten Monat mit einer Ohrmarke versehen werden müssen, sondern erst, wenn sie den Hof verlassen. age