Vierbeinige Laubarbeiter
Schafe – als Weinbergsarbeiter – entblättern die Traubenzone
Wer an Schafe in Zusammenhang mit Wein denkt, wird zuerst auf die KombinaÂtion eines edlen Rotweines mit einer leckeren Lammkeule kommen. Dass Schafe im Weinberg zur Verrichtung sinnvoller Arbeiten brauchbar sind, werden die meisten wohl eher als Aprilscherz empfinden. Trotzdem ist an der Sache was dran, und man ist darauf – wie so oft im Leben – durch einen Zufall gekommen.
Foto: Hill
In Rheinhessen kam das Weingut Bossert in Gundersheim auf die Idee Versuche mit Schafen zur TraubenzonenÂentblätterung durchzuführen. Bereits 2007 experimentierte Bossert mit Heidschnucken. Die Ergebnisse waren von der Arbeitsqualität her hervorragend, da die Schafe bei jeder Erziehungsform, auch in sehr breiten Laubwänden sämtliche Blätter bis in die Kopfhöhe der Tiere exakt abzupften, aber die Trauben nicht anrührten.
Können Schafe ganzjährig im Weinberg gehalten werden?
Es wäre eine tolle Sache, wenn Schafe ganzjährig im Weinberg gehalten werden könnten, vor allem in Lagen mit Seitenhang, Querterrassen oder im Steilhang. Die Bekämpfung von Beikräutern an den Böschungen und auch das Abmulchen von BegrünunÂgen könnte dann entfallen. Bei den gängiÂgen ErziehungsÂformen ist die Stammhöhe allerdings zu niedrig, um zu verÂhindern, dass die Tiere bereits im Frühjahr den gesamten Austrieb abfressen. Eine Beweidung mit Schafen wird örtlich in der Pfalz von Wanderschäfern bis kurz vor dem Rebaustrieb praktiziert. Danach müssen die Schafe aber raus aus den Weinbergen. Keine Probleme gibt es bei höheren UmkehrÂerziehungen oder dem MinimalÂschnitt. Dort übernehmen die Schafe sowohl die Begrünungspflege als auch das Entfernen der Wasserschosse und der herÂabÂhängenden Triebe. Allerdings ist in höher gezogenen Erziehungen eine EntÂblätterung der TraubenÂzone nicht möglich. Unbedingt ist darauf zu achten, dass die Tiere genügend Mineralfutter erhalten, sonst beginnt die Herde mit dem Schälen der Rinde am Stamm.
Welche Rassen und was schafft ein Schaf am Tag?
Grundsätzlich sind fast alle Rassen geeignet. Alle Schafe lieben Reblaub und ziehen dies dem Gras vor. Sehr kleine Schafe mit niedriger „Kopfhöhe“ hat die Shropshire-Rasse. Da die Tiere die Rinde nicht verbeißen, werden sie gerne eingesetzt zur Pflege von Christbaumplantagen. Nicht geeignet sind Schafrassen, wie das Kamerunschaf, die sich auf die HinterÂbeine stellen und so auch höchste Triebe erreichen können. Heidschnucken oder Merinos sind probÂlemÂlos möglich. Je nach Gewicht der Tiere, variiert die tägliche Futteraufnahme. Eine Herde von 20 HeidschnuÂcken braucht für die TraubenÂzonenÂentÂblätteÂrung von einem Hektar Reben im Juli vier bis fünf Tage. Wer maximaÂle Leistung möchte, sollte vor dem EinÂtreiben der Schafe die BegrünunÂgen knapp mulchen, um alternative FutterÂquellen zu minimieren.
Was ist zu tun, bevor Schafe zum ersten Mal in Rebanlagen gelassen werden? Schafe sind recht sensible Tiere. Es empfiehlt sich daher, der Herde vorher geschnittenes Reblaub zu geben, damit sich die Tiere an die neue Kost gewöhnen. Im Weinberg selbst ist auf eine hinreichende Einzäunung, möglichst mit einem Elektro-Weidezaungerät zu achten.
Je größer die Fläche ist, umso weniger werden die Schafe versuchen, die Rebanlage zu verlassen. Hanglagen mit Ausblick sind zum Eingewöhnen am besten. Nach den Erfahrungen des DLR Oppenheim ist eine Einstellung von Schafen ab Erbsengröße der Beeren bis zum Zeitpunkt, an dem erste Beeren beginnen süß zu schmecken, ohne Schäden möglich. Ehe die Schafe eingetrieben werden, sollten nur Fungizide zum Einsatz kommen, die im Gemüsebau mit kurzen Wartezeiten zugelassen sind. Damit ist ein Schutz gegen Peronospora und Oidium zu gewährleisten.
Gibt es Einschränkungen beim Pflanzenschutz?
Foto: Hill
Wie wirkt die Entblätterung durch Schafe auf den Botrytisbefall? Grundsätzlich mindert jede Verbesserung der Belichtung der Trauben ab Erbsengröße der Beeren die Neigung zum Aufplatzen in der Reifephase und härtet auch die Deckgewebe gegen Pilzbefall ab. 2008 stellte das DLR in Oppenheim durch die Entblätterung mit Schafen bei Riesling sogar einen etwas besseren Wirkungsgrad fest im Vergleich zur Entblätterungsmaschine. Die Erklärung dafür liegt in der Arbeitsqualität begründet. Schafe arbeiten genauso wie die Entblätterung von Hand, während die meisten Entblätterungsmaschinen die Laubwand nur äußerlich abzupfen und Blätter im Inneren sowie Verdichtungen im Laub durch Doppeltriebe erhalten bleiben.
Werden zukünftig Schafe einen Teil der Entblätterungsmaschinen ersetzen?
Natürlich ist in den Schafen keine Konkurrenz zu den Entblätterungsmaschinen zu sehen, es sei denn, es würde sich um exotische Erziehungen wie die Lyra-Form handeln. Die bioloÂgiÂsche Methode mit Schafen kann aber für einzelne Weingüter, die Hobbyschafhaltung betreiben oder Schäfer in ihrer Nähe haben, ein Grund sein, sich damit zu beschäftigen. Denkbar sind Weingüter, welche das positive Image der Tiere werbewirksam nutzen möchten, denn Schafe stehen für sanften, umweltÂbewussten Umgang mit der Natur.
Abgesehen davon ist Fleisch von „Weinbergslämmern“ ein attraktives Endprodukt. Das Beispiel Rhönlamm zeigt, dass daraus durchaus eine regionale Spezialität entwickelt werden könnte. Ob die vielen gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffe des Reblaubes sich im Lammfleisch wiederfinden, bleibt ebenso wie deren geschmacklicher Einfluss auf das Fleisch noch zu erforschen. Georg Hill,DLR R-N-H Oppenheim
Damit die Entblätterung durch Schafe gelingt
Salzlecksteine verhüten Verbiss der Rinde (vor allem bei Heidschnucken) Absicherung durch Elektrozaun optimale Tränke vor Auftrieb Grasnarbe mulchen vor Aufrieb nur Pflanzenschutzmittel mit kurzer Wartezeit 20 Schafe entblättern in vier Tagen einen Hektar Reben, so die Erfahrung im Jahr 2008 Arbeitsqualität war besser als die Handentblätterung mit 80 Akh (600 Euro/ha) Botrytiseffekt wie bei früher Maschinenentblätterung. Hill |