Verkehrssicherungspflicht: wie weit geht sie im Wald?
Waldeigentümer wollen Rechtssicherheit statt Risiko
Bei der Generalversammlung des Hessischen Waldbesitzerverbandes in der vergangenen Woche in Neu-Anspach befasste man sich schwerpunktmäßig mit der Verkehrssicherungspflicht von Waldeigentümern. Zwei Tage zuvor fand zu dieser Thematik eine Presseveranstaltung auf dem von Erholungsuchenden stark frequentierten Feldberg im Taunus statt. Dort erläuÂterte man typische Gefahrensituationen im Wald, bei denen zugleich unklar ist, wie die Rechtsfolgen für den Waldbesitzer hinsichtlich der Gefahrenabwehr und Haftung im Falle eines Unfalles eines Walbesuchers sind.

Foto: Moennig
Wann setzt die Pflicht ein?
Welche Pflicht aber treffe WaldÂÂeigentümer und Förster, wenn es um die Sicherheit der vielen Tausend Waldbesucher gehe? Das Betreten des Waldes ist für jeden erlaubt. Und wer in den Wald gehe, um sich zu erholen, müsse sich zugleich der Risiken bewusst sein. Er nehme sie auf eigene Gefahr in Kauf. Die Verkehrssicherungspflicht für den Waldeigentümer setze aber dann ein, sobald ein Waldbesuch gesteuert werde, das heißt, wenn Hinweis-, Weg- oder auch Warnschilder aufgestellt werden, so Raupach. Denn damit sei auch die Kontrollpflicht des Waldbestandes verbunden. Der Wald werde immer häufiger über das normale Maß hinaus als Sportstätte, Kindergarten, Freizeitort genutzt. EinrichtunÂgen, wie Parkplätze, Bänke, Schutzhütten oder organisierte Veranstaltungen lockten WaldbeÂsucher an. Sobald der Waldbesitzer diese NutÂzung dulde, treffe ihn in solchen Fällen eine erÂhöhÂte Verkehrssicherungspflicht. „Für die Waldeigentümer und die Förster, die den Wald betreuen, wird die Zahl der Verkehrssicherungspflichten und der daraus erwachsenden Risiken immer größer,“ sagt Raupach.
Wer duldet, der haftet
Bei der Fahrt in den Wald wurden praktische Fälle, bei denen die Probleme für den WaldeigenÂtümer besonders deutlich wurden, gezeigt. Beispielsweise: wenn Waldbesitzer einen von Mountainbikefahrern freiÂgeÂschnitÂtenen, illegalen Pfad durch den Wald über lange Zeit dulden, könnte in dieser Situation zugleich die Verkehrssicherungspflicht auf den Waldbesitzer übergehen, warnte Raupach. Er empfehle den hessiÂschen Waldbesitzern, nach LösunÂgen zur rechtlichen Absicherung zu suchen. Umsturzgefährdete Bäume oder herabfallende Äste aus den Baumkronen könnten Menschen töten oder schwere Sachschäden anrichten. Natürlich wüssÂten Waldbesitzer, dass sie für bestimmte Situationen die Pflicht haben, Sicherheit für die Menschen zu gewährleisten. Das gelte besonders bei der Holzernte und wenn mit schweren MaÂschiÂnen im Wald gearbeitet werde.
Hohe Kosten entstehen
Der Leiter des Forstamtes Königstein, Ralf Heitmann, beschrieb, dass allein die InstandhalÂtungs- und Kontrollarbeiten zur Einhaltung der VerkehrsÂsicheÂrungsÂpflicht in seinem Amtsbezirk jährlich mehrere Zehntausend Euro ausmachten. Das ForstÂamt Königstein als Teilbetrieb des Landesbetriebes Hessen-Forst betreue rund 14 000 ha Wald. Durch die exponierte Lage im Vorder- und Hochtaunus, am Rande des Ballungsgebietes Frankfurt und Rhein-Main, würden die zum Forstamt Königstein liegenden Waldflächen mit ihren publikumswirksamen Anlaufpunkten, wie der Feldberg, Sandplacken, Fuchstanz, Altkönig sowie dem Naturpark Hochtaunus jährlich von mehr als zwanzig Millionen Waldbesuchern aufgesucht. „Eine Publikumsveranstaltung im Wald kann heute niemand mehr einfach so erlauben, ohne sich verÂtragÂlich mit dem Veranstalter abzusichern und ihm die Haftung für eventuelle Schäden zu übertragen“, folgerte Heitmann. Wer sich nicht absichere, könne im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden.
Die Verkehrssicherungspflicht gilt auch an öffentlichen Straßen oder für Wohngebäude, die dicht an den Waldrand heran gebaut wurden, erläuterte Hans-Peter Gross, Leiter der RevierförÂsÂterei Neu Anspach. Damit seien reÂgelÂmäßiÂge BaumÂkontrollen erÂforÂderÂlich und müssten dokumentiert werden. Wer das nicht mache, habe im Schadensfall das Nachsehen. Denn unter UmstänÂden müsse er nachweisen, dass er seiner Pflicht nach gekommen sei, bei der Ãœberprüfung die Gefahr jedoch nicht erkennen konnÂte. Zu dieser Pflicht zählt neben der regelmäßigen Kontrolle, dass umsturzgefährdete Bäume gefällt werden, wenn durch sie die SiÂcherÂÂheit an öffentlichen Straßen, Gebäuden am Waldrand oder Erholungseinrichtungen im Wald bedroht sei. Dies bedeute hohe Personalkosten.
Beispiel „Downhillracing“
Foto: Moennig
Naturwald im Revier
Als weiteres Beispiel sah man einen Naturwald im Forstrevier Neu Anspach. Dort trete bezüglicher der Verkehrssicherung das Problem in den Vordergrund, dass, je älter der Bestand werde, um so größer sei auch die Gefahr, dass Bäume umstürzen oder Äste aus der Baumkrone herabfallen. Im Waldbestand selbst zähle dies zu den waldtypischen Gefahren, für die der Eigentümer nicht hafte. Führe jedoch ein ausgewiesener Wanderweg an solch einem Naturwald vorbei, sehe es anders aus. Damit werde eine regelmäßige Baumkontrolle fällig.
Bauen am Waldrand
„Wo die Gefahrensituation erst später entsteht, wird im Schadensfall nicht die Frage gestellt, wer zuerst da war“, erläuterte Raupach die Rechtslage im Wald an dem Wohngebäude angrenzen. Hier sei der Waldbesitzer sei zur regelmäßigen KontrolÂle verpflichtet. Eine vergleichbar schwierige Situation entsteht beispielsweise im Falle einer Ruhebank unter einem alten Baum (siehe Foto unten). Ferner bestehe an öffentlichen Straßen eine erhöhte VerkehrssicherungsÂpflicht für den Waldeigentümer. Zu Konflikten komme es oft, wenn durch umgestürzte Bäume oder herabgefallene Äste Unfälle verursacht würden, so Raupach. Neben dem Haftungsrisiko entstünden durch die Verkehrssicherung an Straßen erhebliche Kosten für den Waldbesitzer.
Waldspielplatz
Nicht zuletzt sei beispielsweise auch eine Sitzgruppe aus BaumÂstämmen oder ein KletterÂbaum eines Waldkindergartens rechtlich schwierig im Hinblick auf die Verkehrssicherungspflicht zu sehen. Waldeigentümer oder Förster haften dann unter Umständen im Falle eines Unfalles, wenn sie die Sitzgruppe geduldet haben und keine Baumkontrollen durchgeführt und dem Kindergarten die Einrichtung des Waldspielplatzes erlaubt hatten.
Rechtsprechung nicht einheitlich
Die Grenze zwischen der Verkehrssicherungspflicht der Waldeigentümer sowie dem allgeÂmeiÂnen Verkehrsrisiko für WaldÂÂnutzer müsse von der LanÂdes- und Bundespolitik rechtlich klarer geregelt werden als bislang. Denn die zunehmende Nutzung des Waldes durch die BevölÂkerung habe in den vergangenen Jahren die RisiÂken für Waldbesitzer in die Höhe schnellen lassen. Zwischen den waldtypischen GefahÂren, für die der WaldÂeigentümer keine VerÂantÂwortung trage und den SituaÂtioÂnen, in denen er durch SicherheitsÂmaßnahmen das Risiko vor SchäÂden zumindest verringern müsse, entscheide die RechtÂsprechung nicht mehr einheitlich. Immer häufiger würden Waldeigentümer zu Schadensersatz verpflichtet, obwohl sie objektiv die drohenden Gefahren nicht abwenden könnten. „Die Waldbesitzerverbände fordern seit langem mehr Rechtssicherheit für Waldeigentümer und Förster,“ sagte Raupach. Es könne nicht angehen, dass jeder den Wald betreten dürfe, der Naturschutz gleichzeitig immer mehr stehendes Totholz im Wald fordere und der Waldeigentümer für die daraus entstehenden, zunehmenden Risiken die Verantwortung tragen müsse. Eine Begrenzung der Verkehrssicherungspflicht im Bundeswaldgesetz ist daher nach Auffassung des Hessischen WaldÂÂbesitÂzerÂverbandes nötig. Das Thema VerkehrssicherungsÂpflicht im Wald sei während der geplanten Novelle des Bundeswaldgesetzes stark umstritten gewesen, ergänzÂte Raupach. Das Bundesjustizministerium habe sich strikt geweigert, etwas an den bestehenden Rechtsvorschriften zugunsten der Waldeigentümer zu ändern. Die Novelle des Bundeswaldgesetzes sei zwar vorerst gescheitert. Nach der Bundestagswahl im September müsse dieses Gesetzgebungsvorhaben aber wieder auf die Tagesordnung. Moe