Altbaumpflege und Sanierungsschnitt
Wie kann ein alter Baum wiederbelebt werden?
Viele Obstbaumbesitzer stehen vor ihren Altbäumen und sind oft ratlos, wie sie diese schneiden sollen. Eine notwendige Pflege wird oft erkannt. Doch was tun? Und dann passiert etwas, das Fachleute oft die Köpfe schütteln lässt, nämlich es wird ohne fachliche Kenntnisse einfach nach Gutdünken herumgeschnitten. Da werden Äste gekappt, Mitteltriebe herausgenommen, hängende Astpartien komplett im unteren Drittel der Baumkrone abgesägt und ähnliches – das sind Fehler, die nicht wieder gutzumachen sind.
Gründe für den Altbaumschnitt: Im Ertrag stehende Altbäume sind häufig nicht fachgerecht geschnitten. Die Auswirkungen hiervon sind Reiserbildung, fälschlicherweise oft Wasserschosse genannt, im oberen Drittel der Krone. Die Baumkrone wächst total zu, sodass in die Krone kein Licht und keine Sonne hereinkommen. Die direkten Folgen sind:- das im Schatten befindliche Obst reift nicht richtig aus und es gibt minderwertige Ware, da die wertbestimmenden Inhaltsstoffe sich nur ungenügend oder nicht bilden können.
- auch bildet sich durch den falschen Schnitt sowie durch unterlassenden Schnitt Obst von geringer Größe. Durch entsprechende Auslichtung und Fruchtausdünnung wird das Obst qualitativ besser.
Das Laubblatt stellt ein Sonnenkollektor dar, in dem mit Hilfe des Sonnenlichtes Assimilate gebildet werden. Dieser Vorgang der Photosynthese ist für die Qualität des Obstes von großer Bedeutung, da diese Assimilate in den Obstfrüchten eingelagert werden. Die Äpfel von nicht geschnittenen Bäumen ist wegen der mangelnden Photosynthese fade, wässrig und zudem nicht nur sauer, sondern mit Bitterstoffen versehen, die für eine Verarbeitung nicht geeignet sind. Durch einen fachgerechten Sommerschnitt kommt wieder Licht in die Baumkrone.
Außerdem vergreisen und verkahlen die unteren Astpartien, während die Partien in der oberen Baumkrone ein Triebwachstum aufweisen. Die geschilderte Reiserbildung führt zum Absterben der unteren Äste. Eine Überbauung der Krone tritt ein, wodurch die Äste im Inneren der Baumkrone nicht mehr belichtet werden und absterben. Durch einen fachgerechten Baumschnitt erlangen die Altbäume mehr Vitalität.
Baumumfeld: Bevor am Altbaum geschnitten wird, muss das Baumumfeld untersucht werden. Für den Schnitt ist die Vitalität des Baumes wichtig. In diesem Zusammenhang ist zu klären:
- Wie sieht das jährliche Triebwachstum aus?
- Sind Krankheiten, wie Obstbaumkrebs oder tierische Schädlinge vorhanden?
- Wie vital ist der Baumstamm (Verletzungen, Einmorschungen, Auftreten von Baumpilzen?
- Wie ist der Ernährungszustand des Baumes?
- Liegen möglicherweise Bodenverdichtungen, zum Beispiel durch Viehbeweidung oder Maschinen vor?
Aufgrund dieser und weiterer Parameter richten sich die Intensität und der Zeitpunkt des Baumschnittes.
Schnittzeitpunkte Altbäume
Grundsätzlich muss angemerkt werden, dass der früher übliche Zeitpunkt nur im Winter zu schneiden, also in der Vegetationsruhe, überholt ist. Die Altbäume können ganzjährig geschnitten werden. Optimale Zeitpunkte sind für
- vitale Bäume der Schnitt von März bis September
- nicht vitale Bäume Schnitt im Februar bis März
Von einem Verzicht auf Winterschnitt sind Süßkirsche und Walnuss betroffen. Der Schnitt erfolgt bei der Süßkirsche im Juli (nach der Ernte) und bei Walnuss im August/September.
Grundsätzliches bei der Altbaumpflege
Zwiesel und Konkurrenztriebe: Unter Zwiesel versteht man Triebe, deren Terminalknospe abstirbt und die direkt darunter befindlichen Seitenknospen austreiben. Auf diese Weise können je nach Obstart unterschiedliche Zwiesel entstehen. Wenn der Zwiesel beim Jungbaum nicht beseitigt wird, gibt es später am Stamm unterhalb des Zwiesels (V-Zwiesel) hässliche Risswunden, die nicht mehr zu beheben sind.
Bei Konkurrenztrieben handelt es sich um Triebe, die im oberen Bereich des Leittriebes austreiben und sich gleichstark oder auch stärker entwickeln als der Leittrieb. Beim Erziehungsschnitt muss sowohl auf Zwiesel als auch auf Konkurrenztriebe geachtet und deren Beseitigung vorgenommen werden. Dies ist nur bei Jungbäumen möglich, während bei Altbäumen diese Korrekturen zu unterlassen sind.
Schnitt auf Astring: Die abzuschneidenden Äste müssen so entfernt werden, dass kein Stutzen stehen bleibt. Die Asthaken vertrocknen und das gesunde Holz stirbt ab, das dann bis in den Stamm reicht. Die Schnittstellen sollen deshalb immer im Saftfluss bleiben. Auch können holzzersetzende Pilze eindringen, die zur Vermorschung führen.
Jedoch darf der Schnitt nicht stammglatt ausgeführt werden, weil ansonsten der Astring bzw. Astkragen beschädigt bzw. abgesägt wird. Mit Kragen bezeichnet man die geschwollene Ansatzstelle des Astes. Im Kragen befindet sich eine vom Baum natürliche Sperrzone gegen Mikroorganismen. Wird diese Schutzzone beim unsachgemäßen Sägen entfernt, können Mikroorganismen eindringen und es kann zur Fäulnis kommen, die dann bis in das gesunde Stammholz hineingeht. Beim Schnitt muss daher stets oberhalb des Astkragens oder des Astringes geschnitten werden.
Wundpflege: Wundverschlussmittel: Verletzungen oder Schnittwunden stellen allgemein Eintrittspforten für schädigende Organismen dar, die in den Holzkörper eindringen können. Um dieses zu verhindern, wurde in früheren Jahren empfohlen, die Wunden mit einem Wundverschlussmittel zu verstreichen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass nicht verstrichene Schnittwunden für Pilze schlechtere Entwicklungsmöglichkeiten bieten, da sie schneller abtrocknen. Man nimmt an, dass unter dem wasserdurchlässigen Wundschutzmittelfilm je nach dem Grad des Luftabschlusses Verhältnisse geschaffen werden, die das Wachstum von holzzerstörenden Pilzen fördern. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse ist von der Anwendung von Wundverschlussmitteln abzuraten.
Förderung von Kallusgewebe: Problematisch ist der Wundrand, dessen Kambium leicht austrocknen kann. Das Kambium befindet sich zwischen Holz und Rinde, welches vom Wundrand her die Schnittfläche überwallt und so einen natürlichen Schutz bildet. Um der Austrocknung zu entgegnen, wird das Abrunden der Wundränder bei größeren Schnittflächen mit einer Hippe emÂpÂfohlen. Das Abrunden der Wundränder ist zwar arbeitsaufwendig; dennoch sollte dieses Verfahren aus den genannten Gründen öfter angewandt werden.
Auslichtung statt Kappung: Beim Altbaumschnitt und besonders einem Sanierungsschnitt ist oft eine Reduzierung des Kronenvolumens von einem Drittel oder mehr erforderlich. Dies ist abhängig vom Zustand des Baumes, der Stellung seiner Äste und dem Verhältnis von Neutrieb und Fruchtansatz. Bäume, die fast nur noch Fruchtholz aufweisen, müssen stärker zurückgeschnitten werden, um junges Triebwachstum anzuregen. Dennoch gibt es keine Gründe, den Baum radikal zu stutzen. Solange der Baum gesund ist und solange keine wirkliche Notwendigkeit besteht, sollte die Krone im natürlichen Umfang erhalten bleiben.
Kappungen sind deshalb abzulehnen, da sie für den Baum einen gravierenden Eingriff bedeuten, denn im Anschluss ist ein naturgemäßer Kronenaufbau nicht mehr möglich. In die großen Schnittstellen dringen holzzersetzende Pilze ein, die das Holz zerstören.
Schnittwerkzeuge und Leitern
Hippe für die Wundbehandlung. Handscheren: Baum-, Reb- und Gartenscheren ermöglichen einen sauberen und präzisen Schnitt. Nicht verwenden die Ambossschere. Astscheren: für Jungbaumschnitt „Vorsicht bei Schnitt auf Astring“ (Schnittwinkel) Nicht die Ambossschere verwenden. Handsägen: Stangensäge geschweiftes Blatt. Spezialzahnung mit Präzisionsschliff, Schnitt auf Zug, Schnittlänge etwa 40 cm, Klappsäge wie vor Schnittlänge 20 cm. Motorsägen: Grundsätzlich nur einsetzen wenn die persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen wird, wie Schutzhelm und Schnittschutzhose. Hochentaster: Motorbetriebenes Gerät mit Sägekettenschneidgarnitur an einer Teleskopstange zum Zerlegen der Äste die herausgeschnitten werden, vom Boden oder von einer Hubarbeitsbühne aus, nicht geeignet für den endgültigen Schnitt auf Astring, der sollte immer mit einer scharfen Handsäge durchgeführt werden. Leitern: Alle Obstbaumleitern haben an den Füßen mindestens 7 cm lange Metallspitzen, die sie auf gewachsenem Boden gegen Abrutschen sichern.
Nicht alle auf dem Markt angebotenen Geräte, Werkzeuge und Maschinen sind sicher und für den fachgerechten Baumschnitt brauchbar. Gute Facharbeit benötigt gute Werkzeuge und Maschinen. Gehen Sie kein Risiko ein. Achten Sie beim Kauf auf das CE-Zeichen, die beigefügte Konformitätserklärung und natürlich das GS-Zeichen. Werkzeuge, Geräte und Maschinen mit diesem Zeichen entsprechen den sicherheitstechnischen Anforderungen und damit dem Gerätesicherheitsgesetz.
Ein Sonderfall – der Sanierungsschnitt
Streuobstflächen, die längere Zeit keiner Nutzung unterlagen, sind oft verbuscht und die Obsthochstämme nicht gepflegt. Viele Streuobstbesitzer sind mit derartigen Obstbäumen überfordert, wenn es um den Schnitt oder den Sanierungsschnitt geht. Durch den Sanierungsschnitt werden die Vitalität und die Lebensdauer der Obstbäume erhöht.
Die Definition für den Sanierungsschnitt lautet folgendermaßen: Es handelt sich um einen einmaligen Schnitt an Altbäumen, die mindestens 10 bis 12 Jahre lang und länger keinen Obstbaumschnitt erfahren haben und keinen Kronenaufbau aufweisen. Ziel des Sanierungsschnitts ist es, einen Kronenaufbau wiederherzustellen und dabei möglichst die inzwischen gewachsene Baumform nicht zu verändern. Das heißt schiefe Bäume, einseitig gewachsene Kronen oder Bäume mit zwei Triebspitzen müssen diesen Status behalten.
Qualifikation für den Sanierungsschnitt
Der Sanierungsschnitt erfordert ein Höchstmaß an fachlich fundierten Kenntnissen und geht weit über den Kenntnisstand eines normalen Obstbaumschnittes hinaus. Dazu gehören die richtige Schnittführung, Statik des Baumes und Baumumfeld. Ernährungszustand und Krankheiten sind ebenso wichtig. Der Sanierungsschnitt ist ein Sonderfall und ist etwas für Spezialisten.
Aus naturschutzfachlicher Sicht sind beim Sanierungsschnitt die Baumhöhlen zu erhalten. Die Baumhöhlen sind für einige Vogelarten und bestimmte Kleinsäuger Nist- oder Brutstätten. Entferntes Totholz beim Sanierungsschnitt sollte auf der Fläche gelagert werden. Im Regelfall treten bei Bäumen, die im Winter geschnitten wurden, mehr oder weniger Austriebe auf. Die Entfernung, zumindest der unerwünschten Neuaustriebe, ist im darauffolgenden Sommer durchzuführen. Diese Nachbehandlung im Sommer ist über mehrere Jahre zu begleiten. Diese Maßnahme gehört zum Sanierungsschnitt. Im Rahmen von Seminaren zur Altbaumpflege und zum Sanierungsschnitt können sich Obstbaumbesitzer über die notwendigen Pflegemaßnahmen von Obsthochstämmen informieren. In Rheinland-Pfalz können Schnittkurse beim Arbeitskreis Historische Obstsorten Pfalz-Elsaß-Kurpfalz (www.pomologen-verein.de) belegt werden und in Hessen bei der Naturschutzakademie in Wetzlar (www.na-hessen.de). Thomas Lengert und Johann Schierenbec