Hygienebestimmungen – ein Buch mit sieben Siegeln?
Direktvermarkter erhalten Hilfen zum Aufbau eines Eigenkontrollsystems
Allen Direktvermarktern ist längst bekannt – seit 2004 gibt es EU-weit einheitliche Hygienebestimmungen, die 2007 durch eine nationale Durchführungsverordnung ergänzt wurden. Doch viele Praktiker scheuen sich zu Recht, dieses dicke Regelwerk zu studieren, um daraus abzuleiten, wie die Vorschriften in ihren Betrieben anzuwenden sind. Als Hilfe gibt es jetzt eine neue Hygieneleitlinie für landwirtschaftliche Direktvermarkter, die bei der praktischen Umsetzung der betrieblichen Eigenkontrolle helfen soll. Darauf und auf weitere wichtige Dinge, die sich aus den Hygienevorschriften ergeben, geht Dr. ElisaÂbeth Seemer von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz nachfolgend ein.
Von allen Unternehmen, die mit Lebensmitteln umgehen, und somit auch von landwirtschaftlichen Direktvermarktern, werden die Einhaltung einer guten Hygienepraxis und die Durchführung betrieblicher Eigenkontrollen gefordert. Damit sollen bessere Produktqualitäten mit einer größeren Sicherheit für Direktvermarkter und Verbraucher erreicht werden. Um Direktvermarkter bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen, wurde vom Deutschen Bauernverband unter Beteiligung der Fördergemeinschaft „Einkaufen auf dem Bauernhof“ und der darin tätigen LandwirtschaftsÂkammern eine Hygieneleitlinie erarbeitet, die speziell auf landwirtschaftliche Direktvermarkter ausgerichtet ist. Sie berücksichtigt alle in der Direktvermarktung üblichen Produkte und enthält in einem Kapitel auch Regeln, die für Märkte und Veranstaltungen gelten. Die Leitlinie basiert auf der 1. Auflage, der noch das nationale Hygienerecht zu Grunde lag. Sie wurde umfassend überarbeitet und aktualisiert. Im Rahmen eines amtlichen Anerkennungsverfahrens, das im Juli 2009 erfolgreich abgeschlossen werden konnte, erfolgte eine Prüfung unter anderem durch die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Länderministerien. Abschließend erfolgte eine NotifiÂzierung seitens der Europäischen Union entsprechend der VO (EG) Nr. 852/2004 über die Lebensmittelhygiene.Verständlich und praxistauglich
Mit der neuen Leitlinie steht allen landwirtschaftlichen Betriebe mit Direktvermarktung eine Hilfe zum Aufbau eines guten und effizienten Eigenkontrollsystems zur Verfügung. Bei der Erarbeitung der Leitlinie wurde Wert auf Verständlichkeit und Praxistauglichkeit gelegt. Zudem ergibt sich durch das Prüf- und Anerkennungsverfahren eine relative Sicherheit für die Betriebe. Die Leitlinie richtet sich in erster Linie an kleinere und mittlere Direktvermarkter. Sie enthält Checklisten, die im Rahmen betriebsindividueller Eigenkontrollsysteme verwendet werden können. Ein Bezug der Leitlinie ist über ein Bestellformular möglich, das ab sofort auf der Internetseite des Deutschen Bauernverbandes www.bauernverband.de oder der Fördergemeinschaft Einkaufen auf dem Bauernhof www.einkaufen-auf-dem-bauernhof.com eingestellt ist. Die Leitlinie kostet 29 Euro (Vorzugspreis für „Einkaufen auf dem Bauernhof“-Betriebe: 15 Euro).
Zulassungsfrist – langsam wird die Zeit knapp
Während landwirtschaftliche DiÂrektÂverÂmarkter nach dem alten Hygienerecht meist zulassungsfrei waren, müssen sie, soÂfern tierische Erzeugnisse vermarktet werÂden, prüfen, ob jetzt eine Zulassungspflicht besteht. Hierzu wird die Zeit langsam knapp, denn die Ãœbergangsfrist enÂdet am 31. Dezember 2009. Bis dahin muss das von der Lebensmittelüberwachung der Kreis-/Stadtverwaltungen durchgeführte Zulassungsverfahren abgeÂschlossen sein. Es ist daher Eile geboten. Nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 benötigen folgende Betriebe eine Zulassung:
- selbstschlachtende Betriebe (für Rotfleisch gilt dies unabhängig von der Schlachtzahl; bei Geflügel und Hasentieren ab 10 000 Stück pro Jahr)
- Betriebe, die mehr als 1/3 ihrer hergestellten tierischen Erzeugnisse (wie Fleisch, Geflügel- und Hasentiere, Milch, Eier, Honig, Fische) an andere Betriebe des Einzelhandels abgeben; dazu zählen auch Großküchen, GastroÂnomie und andere Direktvermarkter (zulassungsfrei: Legehennenhalter mit weniger als 350 Tieren für die Vermarktung der eigenen Eier)
- Betriebe, die ihre tierischen Erzeugnisse außerhalb eines Absatzradius von 100 km an andere Lebensmittelunternehmen vermarkten
Neue Vorschriften mit Ermessungsspielraum
Abgabe kleiner Mengen an Hackfleisch
Im Zuge der Änderungen des EU-Hygienerechts wurde auch die alte Hackfleischverordnung gestrichen. Da Hackfleisch zu den besonders sensiblen ProÂdukÂten zählt, hat die EU-Verordnung hier hohe Maßstäbe festgelegt, insbesondere was Produktproben anbetrifft. In den relevanten Rechtsvorschriften ist jedoch vorgesehen, dass es Ausnahmeregelungen für die Herstellung und Abgabe kleiner Mengen von Hackfleisch und Fleischzubereitungen gibt. Die Mengen sind so, dass alle Direktvermarkter darunter fallen dürften, nämlich:
- bis 2,5 t Hackfleisch/Woche oder
- bis 5 t Fleischbereitungen/Woche.
Betriebe, die kleine Mengen von Hackfleisch und Fleischzubereitungen herstellen, können bei der für sie zuständigen Ãœberwachungsbehörde eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Bislang gab es keine Vorgabe beziehungsweise Anhaltswerte für die Festlegung der ProbenhäufigÂkeit in Kleinbetrieben. Dies hat dazu geÂführt, dass die Ãœberwachungsbehörden sehr unterschiedliche Häufigkeiten auferÂlegt haben. Um dem entgegenzuwirken, wurde jetzt von verschiedenen berufsÂstänÂdiÂschen Organisationen, unter anderem vom DBV und dem Deutschen FleiÂscherÂverÂband, eine gemeinsame Leitlinie zur ProÂbenÂhäuÂfigkeit in Betrieben, die kleine Mengen an Hackfleisch und FleischerzeugÂnissen erstellen, erarbeitet. Diese sieht vor, dass, sofern in den Betrieben keine Probleme auftreten und insgesamt die Regeln einer guten Hygienepraxis einÂgeÂhalten werden, eine einmalige Untersuchung pro Jahr genügt. Diese Leitlinie beÂfindet sich derzeit im länderseitigen AbÂstimmungsÂverfahren, wird damit einen offiziellen Charakter erhalten und steht demnächst allen Direktvermarktern, die Hackfleisch herstellen, als wertvolle Hilfe zur Verfügung.