Schlehen brauchen Frost

Der vielseitige Herbststrauch wird auch Schwarzdorn genannt

„Ist die Schlehe weiß wie Schnee, ist´s Zeit dass man die Gerste säe!“ So lautet eine alte Bauernregel. Im zeitigen Frühjahr wagt die Schlehe als eine der ersten unserer heimischen Wildstraucharten ihre Blüten zu zeigen. Im Herbst gehört der Strauch dagegen zu den letzten im Jahr, die Früchte tragen.

Aus überfrorenen Schlehen lässt sich ein köstlicher Schlehenlikör herstellen.

Foto: Gisela Tubes

Die manchmal schon im März erscheinenden schneeweißen Blüten der Schlehe sind vorlaufend, das heißt, sie blühen vor der Entwicklung der Blätter. Sie bieten den Bienen schon früh im Jahr reichlich Nahrung. Zu dieser Zeit ist der Unterschied zum Weißdorn, der ähnliche Blüten aufweist, gut zu erkennen. Schlehenblüten stehen an nackten Zweigen, während die Blüten des Weißdorns einige Wochen später an schon begrünten Zweigen erscheinen.

Die Schlehe (Prunus spinosa) gehört zu den Rosengewächsen und ist auf nährstoffreichen Böden in sonnigen Ecken und an Waldrändern zu finden. Der Strauch wird wegen der im Alter dunklen Rinde auch „Schwarz“­dorn genannt. Die intensive Vermehrung durch Wurzelsprosse wie auch die in spitze Dornen auslaufenden Seitenzweige machen den Strauch zu einem wertvollen Vogelgehölz. In dem dornenbewehrten, undurchdringlichen Zweiggewirr können die Vögel ungestört ihren Brutgeschäften nachgehen.

Auch im Herbst bietet der Strauch reichlich Nahrung für die heimische Tierwelt, wenn er seine kleinen, kugeligen, schwarzblau bereiften Steinfrüchte trägt. Bis weit in den Winter hinein sind sie an den Ästen zu finden, wenn sie nicht vorher von Vögeln gefressen werden – oder ein Mensch sie geerntet hat. Die Früchte der Schlehe lassen sich nämlich hervorragend zu Marmelade, Gelee oder köstlichem Likör verarbeiten.

Blüten als Teeaufguss wirken verdauungsfördernd

Bereits die Menschen in der Jungsteinzeit haben Schlehenfrüchte als Nahrungsmittel geschätzt. In ihren Siedlungsstätten wurden ganze Karrenladungen von Kernen entdeckt. Frische oder getrocknete Blüten lassen sich als reinen Blütentee aufgießen. Sie eignen sich auch als Beigabe zu schwarzem Tee. Das feine Mandelaroma der Blüten ergibt einen zarten Geschmack und wirkt zudem regulierend auf die Verdauung. In Notzeiten dienten die Blätter des Strauches als Schwarztee-Ersatz.

Die Steinfrüchte sind sehr herb, schmecken allerdings nach den ersten Frösten etwas milder. Vor dem Frost gepflückte Früchte sollten mindestens ein paar Tage eingefroren werden. Zur Herstellung von Marmelade werden die herben Schlehen zu Mus verarbeitet und können dann mit milder schmeckendem Obst wie Birnen- oder Apfelstückchen oder zum Beispiel auch nur mit Apfelsaft eingekocht werden.

Likör und Wein aus Schlehen

Der wohlschmeckende Schlehenlikör ist allseits bekannt. Wie wäre es mit einer Schlehen-Torte, kreiert mit Schlehenmarmelade und Schlehenlikör (siehe nebenstehende Rezepte)? Läuft einem da nicht das Wasser im Mund zusammen?

Auch Schlehenwein lässt sich aus den Früchten herstellen. Dieser wurde früher zum Strecken und Färben von schlechtem Rotwein verwendet. Als süß-saure Beilage werden Schlehen in Essig eingelegt oder zu Chutney verarbeitet.

Helles Holz für Spazierstöcke

Doch nicht nur als Nahrungsmittel begleitet der Strauch die Menschen durch die Jahrtausende. Als Hecke umrahmte der dichte, dornenbewehrte Strauch Viehweiden und Gehöfte. Aus dem harten, hellen Holz mit den häufig dunklen Streifenzeichnungen wurden Spazierstöcke hergestellt. Mit den Dornen wurden mancherorts beim Schlachten die Wurstdärme verschlossen.

Spinnerinnen machten sich zunutze, dass getrocknete Schlehenfrüchte beim Zerkauen den Speichelfluss anregen. Dadurch konnten sie ihre Finger, mit denen sie den Faden führten, besser anfeuchten.

Schlehenrinde für Schreibtinte

Aus der Rinde lässt sich ein roter Farbstoff gewinnen, mit dem man früher Wolle und Leinen gefärbt hat. Zur Herstellung von schwarzer Tinte, die im Mittelalter in den Skriptorien Verwendung fand, wurde die Rinde durch wiederholtes Einweichen und Aufkochen mit Wasser ausgelaugt. Mit Rotwein eingekocht und getrocknet erhielt man ein haltbares Pulver, welches zum Schreiben wieder in Rotwein aufgelöst wurde. Resultat dieses zeitaufwendigen Verfahrens ist eine zwar wasserfeste, aber wenig lichtechte Tinte. Das war sicher der Grund dafür, dass im Laufe der Zeit die „Dornentinte“, auch „Dornrindentinte“ genannt, in Vergessenheit geraten ist.

Geäste für Gradierwerke

Noch heute findet man in zahlreichen Kurorten das sparrige Geäst der Schlehensträucher in Gradierwerken vor. Über die Zweige rieselt die Sohle herab und reichert die umgebende Luft des Gradierwerkes mit Salz an. Für Pollenallergiker und Asthmatiker ein guter Ersatz für Seeluft.

Nicht zuletzt steht eine Züchtung aus Schlehe und Kirschpflaume in unseren Gärten – der Pflaumenbaum. Gisela Tubes