Gelten neue Regeln?

Kreditvergabe an Landwirtschaftsbetriebe nach der Bankenkrise

Die Schlagzeilen von den Finanzmärkten sowie die Prognosen zur Entwicklung der Weltwirt­schaft haben bei vielen Betrieben zu Verunsicherung geführt und ein erneutes Nachdenken über geplante Investitionen ausgelöst. Hängt doch der weltweite Bedarf an Nahrungsmitteln maßgeblich von der Wirtschaftsentwicklung und Kaufkraft der Konsumenten ab. Gleichzeitig spüren viele Landwirte den Druck, ihren Betrieb weiterzuentwickeln und auf eine Zeit vorzubereiten, in der die Kräfte des freien Marktes eine noch größere Bedeutung haben werden. Mit der Finanzierung betrieblichen Wachstum in turbulenten Zeiten befasst sich Albrecht Schünemann, Deutsche Kreditbank AG, Berlin, im folgenden Beitrag.

Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das Thema Kreditsicherheit aktuell bleibt. Es stellt sich die Frage nach Auswirkun­gen für die Kreditvergabe an Landwirtschaftsbetrie­be. Zur Kre­dit­sicherheit wird auch die Bonität der Betriebe immer wichtiger.

Foto: Dr. Moennig

Stellt sich die Frage, wie Landwirte in der aktuellen Situation ihre Wachstumspläne vorbereiten und umsetzen können? Wachstum der landwirtschaftlichen Betriebe ist notwendige Voraussetzung, um auch zukünftig aus der Produktion ein ausreichendes Familieneinkommen zu erwirtschaften. Dieses findet häufig in Sprüngen statt, ist meist mit umfangreichen Investitionen verbunden und nicht selten bieten sich Gelegenheiten zu einem unerwarteten Zeitpunkt an.

Wie soll Betrieb in 10 Jahren aussehen?

Einen Einstieg in die Entscheidungs­findung bildet idealerweise der Entwurf einer strategischen Unternehmensplanung. Unter dem Motto „Wie soll mein Betrieb in zehn Jahren aus-sehen?“, fließen hier zunächst grundlegende Einflussgrößen, wie die der­zei­tige Faktorausstattung, der regionale Wettbewerb um Produktionsfaktoren, die Erreichbarkeit relevanter Märkte oder auch die Nachfolgeregelung ein. Eine Beschreibung der derzeitigen Si­tuation ermöglicht das Erkennen einzelbetrieblicher Stärken und Schwächen. In einem zweiten Schritt können dann konkretere Entwicklungsszenarien formuliert und einer ersten Bewer­tung unterzogen werden. Ein bedeuten­der Baustein zu dieser Bewertung ist die Einschätzung der jeweils relevan­ten Marktentwicklungen. Dies wird spätestens dann deutlich, wenn der Landwirt im Rahmen der Planungen aufgefordert wird, Preiserwartungen zu seinen Erzeugnissen und Betriebsmitteln für die nächsten Jahre zu nennen. Dabei sollte man sich aber nicht von den aktuell erlebten Preiskapriolen leiten lassen, weder im Guten noch im Schlechten. Denn mit Investitio­nen in langlebige Wirtschaftsgüter legt sich der Betrieb auch langfristig auf ein Produktionsverfahren fest. Entsprechend müssen in die Rentabilitätseinschätzung mittelfristig erwartete Durchschnittspreise einfließen. Häufig richtet sich hier der Blick auf zurück liegenden Zeitreihen. Systemwechsel in der Agrarpolitik und grundlegende Veränderungen der Warenströ­me haben jedoch zu Preisänderungen geführt, die nicht auf die Zukunft über­tragen werden können. Langfristige Trend­faktoren zu Angebots- und Nach­frageentwicklung sind in jedem Fall in die eigenen Markterwartungen einzubeziehen.

Mit neuen Marktrisiken umgehen

Nahezu einstimmig gehen Experten davon aus, dass auch auf den bisher stärker regulierten Märkten für Getrei­de und Milchprodukte die kurzfristigen Preisänderungen zunehmen wer-den. Zum einen haben institutionelle Investoren und Spekulanten das Inter­esse an Agrarrohstoffen entdeckt – und vorerst auch wieder verloren. Damit haben sich Marktteilnehmer eingesellt, deren Präsenz sehr zyklisch ausfallen kann. Zum anderen drängen eu­ropäische Agrarprodukte in den Dritt­landsexport, um die Überschusssituation im EU-Binnenmarkt zu lösen. Osteuropa, Nordafrika und der Mittlere Osten sowie Süd-Ost-Asien sind wesentliche aber auch zugleich recht unsichere Zielregionen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Verarbeitungsprodukte. Damit kommen drei entscheidende Risiken hinzu:

  • Ausfuhren werden in aller Regel in US-Dollar abgerechnet. Währungsschwankungen beeinflussen die Ex­por­terlöse des Erzeugers, da der Empfänger im Regelfall nicht bereit sein wird, Realpreiserhöhungen zu akzeptieren.
  • Die Erzeugung unserer Wettbewerber wie die GUS-Staaten aber auch Australien schwankt witterungsbedingt sehr stark. Damit können sich kurzfristig lukrative Exportmöglichkeiten ergeben, aber eben auch wegfallen.
  • Der Export insbesondere in Schwellenländer hängt in starkem Maße von der dortigen Kaufkraftentwicklung ab. Eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung, wie wir sie derzeit für die Weltkonjunktur erleben, schlägt sich unmittelbar in den dortigen Verzehrsgewohnheiten und damit auch in den Absatzmöglichkeiten nieder.

Das Einwirken zusätzlicher Risiken auf die Produkt- und Faktormärkte erfordert von den Landwirten ein zunehmendes Bewusstsein für kurzfristige Preisschwankungen und deren Kon­sequenzen für den Betrieb. Hier sollte jeder Betrieb sein Risikopotenzial abschätzen und entsprechend Vorsorge betreiben. Insbesondere während und nach fremdfinanzierten Wachs­tumsschritten ist ein Blick auf die Liquiditätsausstattung im Betrieb entscheidend. Dazu ist eine fortlaufende Liquiditätsplanung für die nächsten 24 Monate notwendig. Auf dieser Basis können rechtzeitig Liquiditätsengpässe erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Insbesondere wenn die Liquidität von Dritten wie etwa der Bank in das Unternehmen fließen soll, ist dieses Planungsinstrument eine hilfreiche Unterstützung.

Inhalt eines Gespräches mit der Bank

Nennenswerte Wachstumsschritte können von den wenigsten Betrieben vollständig aus eigener Kraft finanziert werden. Somit ist die Einbindung einer Bank zur Mitfinanzierung ein fester Bestandteil der Investitionsplanung. Die genannten Überlegun­gen zur mittelfristigen Betriebs­ent­wick­lung sowie erste Planungs­­rechnungen bilden bereits eine gute Grundlage für die Gespräche mit der Bank und sind neben den übli­chen Unterlagen zur wirtschaftlichen Situation des Betriebs ein wichtiger Bestandteil zur Bewertung und Entscheidung der Finanzierungsanfrage. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Preisschwankungen auf den Märkten für land­wirtschaftliche Produkte werden auch Fragen nach der Liquiditätsausstattung und den Fol­gen einer Preisschwäche für das Un­ternehmen mehr und mehr Bestand­teil der Gespräche werden. Förderlich ist es hier sicherlich, wenn die Kunden­betreuer über Branchenkenntnis verfügen und Marktentwicklungen sowie Besonderheiten einschätzen können.

Die Landwirtschaftsbetriebe hierzulande sind von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eiskalt erwischt wor­den; viel stärker als zahlreiche Agronomen zu Beginn, vor etwa anderthalb Jahren, vermutet hatten.

Foto: Dr. Moennig

Finanzierungsengpässe aufgrund der aktuellen Schwierigkeiten an den Kapitalmärkten konnten für die Landwirtschaft bislang nicht festgestellt werden und sind auch zukünftig nicht zu erwarten. Landwirtschaft gilt als vergleichsweise risikoarme Branche und hatte in der Vergangenheit nur geringe Ausfallraten zu verzeichnen. Ergänzend kommt hinzu, dass sich das Finanzierungsvolumen auf eine Vielzahl von Kreditnehmern und eine Vielzahl von Kreditinstituten verteilt und insofern beiderseits eine große Risikostreuung vorliegt.

Nach der Investition ist vor der Investition

Regelmäßige Investitionsmaßnah­men in Gebäude, Maschinen und Anla­gen sind notwendig, um den Betrieb wettbewerbsfähig zu erhalten. Auf diesem Wege finden die Produktions-zwei­­ge Zugang zum technischen Fortschritt, können sich an veränderliche Markt­anforderungen anpassen und profitieren idealerweise von sinkenden Produktionskosten. Nach größeren Wachs­tumsschritten oder der Aufnahme neuer Betriebszweige sollte dem Betrieb jedoch ausreichend Zeit einge­räumt werden, um die Veränderungen vollständig umzusetzen und die neuen Betriebsabläufe aufeinander abzustimmen. So kann es beispielsweise aus arbeitswirtschaftlichen Gründen erforderlich sein, Tätigkeiten an Dienst­leister auszulagern oder aber festangestellte Mitarbeiter aufzunehmen. All dies muss vom Unternehmer geführt und betreut werden und verlangt mitunter ganz neue Führungsqualitäten. Der Phase des Wachstums sollte auch wieder eine Phase der Konsolidierung folgen. Dies ist durchaus auch in Bezug auf die Kennzahlen in Bilanz und Ertrags- und Aufwandsrechnung zu verstehen. Nur gut betreute und vollständig integrierte Wachstumsschritte tragen zum Erfolg des Gesamtunternehmens bei und spülen Geld in die Kasse, als Startkapital für den nächsten Schritt.

Alternativen zum Wachstum?

Bevor Investitionsmaßnahmen in Betriebserweiterungen geplant und getätigt werden, sollten die verschiedenen Betriebszweige hinsichtlich ihrer Reserven untersucht werden. Horizontale Betriebsvergleiche offenbaren zum Teil erhebliche Unterschiede in den Ertrags- und Aufwandspositionen. Dabei zeigen die erfolg­reichen Betriebe, dass steigende Naturalleistungen auch ohne einen entsprechenden Anstieg der Aufwendungen möglich sind. Diese Reserven im eigenen Unternehmen zu erkennen und auch zu mobilisieren erfordert ein hohes Maß an unternehmerischen Fähigkeiten und die Fähigkeit zu Selbstkritik. Gleichwohl ist es die günstigste Variante zur Verbesserung des Be­­triebsergebnisses und ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen Betriebswachstum. Was bleibt festzuhalten? Die Welt der Agrarmärkte hat sich offenbar auch für die deutschen Landwirte deut­lich verändert. Dies ist jedoch eher Folge des kontinuierlichen Rückzugs der agrarpolitischen Marktordnungsinstrumente sowie der zunehmenden Einbindung in die Weltmärkte und steht nicht in un­mittelbarem Zusammenhang zur aktuellen Wirtschafts- und Finanzmarktsituation. Betriebe, die in Wachstum investieren wollen, sollten sich unverändert an den mittel­fristigen Markterwartungen orientieren und sich von kurzfristigen Preisausschlägen nicht verunsichern lassen. Diese haben allerdings deutlichen Einfluss auf die Liquiditätssituation im landwirtschaftlichen Betrieb, welche in der kurzfristigen Betrachtung von großer Bedeutung ist.