Erzeugnisse bündeln und erfolgreich vermarkten

Hochschultag in Witzenhausen mit Beratungskuratorium und LLH

Zum Thema „Qualitätsanforderungen an landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Öko-Landwirtschaft“ fand in der vergangenen Woche in Witzenhau­sen der Hochschultag der Universität Kassel statt, der vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften mit dem Kuratorium für das landwirtschaft­liche und gartenbauliche Beratungswesen in Hessen und dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen durchgeführt wurde. Vor dem Hintergrund zunehmender Ökobetriebe und höherer Flächenanteile entstehen neben den bisherigen Vermarktungsstrategien, die bei kleineren Größeneinheiten überwiegend durch die Direktvermarktung geprägt sind, Bündelungsprobleme wurde deutlich. Diesen gelte es entgegen zu wirken.

Aufmerksame Zuhörer beim Hochschultag in der neuen Aula des Campus in Witzenhausen: Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger (2.v.l.), rechts daneben LLH-Direktor Andreas Sandhäger und Wolfgang Schott, Vorsitzender des Fachausschusses Ökolandbau im Beratungskuratorium.

Foto: E.-A. Hildebrandt

Schwierigkeiten einer gemeinsa­men Vermarktung von Nahrungsmittelpartien unterschiedlicher Herkünfte entstehen vor allem durch die Qualitätsdefinitionen der EU, verbunden mit zunehmen­den Zertifizierungs- und Dokumentationspflichten.

Staatsministerin Silke Lautenschläger machte deutlich, dass nach einer eben fertig gestellten Studie über die Perspektiven des ökologi­schen Landbaus in Hessen die Ver­braucher großes Interesse an ökologisch erzeugten Produk­ten haben, wobei die Regionalität der Erzeugnisse zu den wichtigsten Kriterien bei der Kaufentschei­dung zähle. Obwohl sich die Studie noch in der Auswertung be­finde, lasse sich schon jetzt sagen, dass die Nachfrage nach ökologisch erzeugtem Obst und Gemüse noch gute Absatzchancen für die hessischen Betriebe böte. Chancen ergäben sich auch durch die große Zahl hessischer Biobäckereien, die ihren Mehlbedarf zur Erzeugung der Backwaren nicht nur aus hessischer Produktion decken könnten. Zwar habe der Anteil der Ökobetriebe in Hes­sen auf rund 1 600 zugenommen und auch die Fläche sei auf etwa 70 000 ha angewachsen, was 10 Prozent der hessischen LF ent­spreche, doch handele es sich bei den Umstellungsbetrieben hauptsächlich um Milchviehbetriebe mit hohem Grünlandanteil in Mittelgebirgslagen.

Vermarktungs­chargen erhöhen

Die erwähnte Marktstudie der Fir­ma AgroMilagro zeige bei einer ersten Betrachtung, dass Hessen bei den meisten Ökoproduk­ten gut da stehe. Aus Sicht des Öko­­marketings müsse gerade bei den gegenwärtigen Entwicklungen zu größeren Vermarktungs­chargen zum Beispiel in Supermarktketten eine Bündelung des Angebots erfolgen, da anderenfalls Marktanteile an außerhessi­sche beziehungsweise europäische Mitbewerber verloren gehen könn­ten. In diesem Zusammenhang sei bedeutend, das Angebot besser auf die Nachfrage abzustimmen. Gerade unter diesem Aspekt erhoffe man sich aus der Studie entscheidende Hinweise und Prognosen für die Entwicklung der Nachfrage in den nächsten fünf Jahren. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse könne das Land dann den Praktikern Hilfen in Form einer kompetenten Beratung anbieten. Um den Betrieben bereits jetzt mit Investitionsförderungen zu helfen, sei der EFP-Förderungssatz auf 35 Prozent erhöht und die Mindestinvestitionssumme auf 20 000 Euro abgesenkt worden.

Derzeit sei bedeutsam, die verschiedenen Akteure im hessischen Ökomarkt an einen Tisch zu bringen, um die Möglichkeiten und Chancen zu erörtern und Wege der Umsetzung aufzuzeigen. Mit einem regionalen Ansatz bestehe auch die Chance, gemeinsam mit dem Landtourismus spezielle hessische Regionen besonders zu positionieren und damit einen Wett­bewerbsvorteil zu erreichen.

Ansprüche an Rohstoffe

Die Veränderung von Abneh­mer­ansprüchen an landwirtschaftliche Rohstoffe bei zunehmender Differenzierung des Ökomarktes sieht auch Professor Dr. Ulrich Hamm von der Uni Kassel. Nach seinen Erkenntnissen verlieren gerade die klassischen Ökobetrie­be Marktanteile durch einen stetig wachsenden Ökomarkt. Aus Sicht der Verarbeiter und Verteilerstufen seien größere einheitli­che Chargen oft nur über ausländische Produzenten zu erhalten. Entgegen der verbreiteten Vermu­tung sei festgestellt worden, dass diese Produkte durchaus den Qua­litätsstandards für Ökoprodukte genügen und auch eine hohe Zuverlässigkeit bei der Belieferung von Verarbeitern und Verbraucher­märkten bestehe. Hinsichtlich der Produktdifferenzierung sei festzu­stellen, dass die Angebotspalette ständig erweitert werde. Dies liege daran, dass steigende Ansprüche an den Verarbeitungsgrad der Produkte gestellt werden und Ver­braucher ihre bisher konventionell erzeugten Lieblingsprodukte jetzt auch in Ökoqualität einkaufen wollen. Dabei spiele der höhe­re Preis für Ökoprodukte eine un­tergeordnete Rolle. Hamm ver­weist auf die Preisspannen von konventionellen und ökologischen Nahrungsmitteln untereinander und im Vergleich der Produktions­weisen. So könne man bei konven­tionellen Produkten eine Preisspanne bis zum Zehnfachen fest­stellen, wobei auch vergleichbare Ökoprodukte übertroffen würden. Bei letzteren seien solche Preisspannen noch nicht bekannt.

Produkte im Markt positionieren

Von besonderer Bedeutung für die Produktpositionierung ist der Nachweis der Erzeugungsart. Pro­fes­sor Dr. Achim Spiller vom Lehr­stuhl für Agrarmarketing der Uni­versität Göttingen referierte zu diesem Thema über Möglichkeiten und Grenzen der Sicherstel­lung von Qualitätsanforderungen an Öko-Produkte durch zusätzliche Zertifizierung. Neben den bekannten Zertifizierungsstandards seien in den letzten Jahren neue Standards durch eigene Zertifizierungssysteme von Lebensmittelketten wie zum Beispiel Te­gut hinzugekommen. Neue Trends bei der Zertifizierung wür­den auch Aspekte des Klimaschut­zes einbeziehen oder bei tierischen Lebensmitteln neben der Tierernährung und Haltung auch das Management und die Vermarktung des erzeugenden Betriebes mit einbeziehen. Konsequente Zertifizierung nach anerkannten Standards böten dem Erzeuger gute Marktchancen, so Spiller. Allerdings müsse bei den Verfahren dringend eine Entbürokratisierung erfolgen, um den hierfür notwendigen Aufwand zu reduzieren ohne dabei Einbußen bei der Erzeugungstransparenz hinnehmen zu müssen.

Staatsministerin Silke Lautenschläger machte deutlich, dass die Regionalität der Erzeugnisse als wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung zählt.

Foto: E.-A. Hildebrandt

Praxisbeispiele aus Sicht von Erzeugern und Verarbeitern beleuchteten anschließend Chancen und Probleme bei speziellen Qualitätsanforderungen im Bereich der ökologischen Tier- und Pflanzenproduktion.

Berichte aus der Praxis

Ralf Stützer von der Ökoland Nord erläuterte die Anfor­de­run­gen seines fleischverarbeiten­den Betriebs an Schlachttiere, die von sieben Erzeugern bezogen werden. Der Betrieb mit 13 Mitar­bei­tern erzielt derzeit einen Jahresumsatz von 17 Mio. Euro. In der Schweinemast werden männliche Schlachttiere nur als Börge verarbeitet. Ökoland Nord verlangt einen Nachweis, dass die Kastration unter Narkose durchgeführt wurde. Zur Wursterzeugung legt der Betrieb großen Wert auf geeig­nete Speckqualitäten, die wesentlich durch die Fütterung und das Mastendgewicht beeinflusst werden. Ergänzend zu den Vorschrif­ten der ökologischen Tierhaltung müssen die Erzeugerbetriebe ein Salmonellenmonitoring durchführen. Weitere Anforderungen er­strecken sich auf den Tiertransport, der stressfrei zu erfolgen hat. Die Tiere sind anschließend entspannt der Betäubung zuzuführen, bevor sie getötet werden. Pro­bleme durch nicht verwertba­re Lebern führen zu einem Abzug von 5 Euro pro Schwein. Werden krankheitsbedingte Schwierigkei­ten wie Herzbeutelentzündungen festgestellt, erfolgt mit dem betrof­fenen Betrieb eine Absprache zur Schwachstellenanalyse und Beratung.

Henning Niemann vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen aus Visselhöfede ging auf die Qualitätserzeugung von Fleisch aus Sicht der Erzeuger ein. Für eine erfolgreiche Schweinemast ist demzufolge ein verlässlicher Rahmen notwendig, der mit dem Abnehmer und Marktpart­ner zu vereinbaren ist. Der Abnah­mevertrag soll das Qualitätsprofil des Vermarkters, die Einbindung des Qualitätsmanagements und Be­ratungssysteme, die Liefermen­gen pro Zeiteinheit und die Preisge­staltung und Zahlungsmodalitäten enthalten. Die Qualitäts­profile können beispielsweise Rassevorgaben, Schlachtgewichte und den Ferkelbezug vorgeben. Zusätzlich werden häufig die Futterrationen vorgeschrieben. Niemann zeigt, dass unter diesen Bedingungen bei den Betrieben seiner Beratungsgruppe Mehrpreise für die Schlachtschweine erzielt werden, die im Vergleich zur konventionellen Schweinemast durchschnittlich um den Faktor zwei höher liegen.

Hohe Leistungen sind nötig

Eberhard Baumann vom Ökozentrum Werratal von Vachdorf stellte anschließend seinen knapp 1 700 ha großen Betrieb mit 230 Milchkühen, 270 Mutterkühen, 12 000 Legehennen und 100 Sauen im oberen Werratal vor. Dabei stellte der Betriebsleiter fest, dass trotz engerer Auflagen und höhe­rer Kosten im Vergleich zum konventionellen Landbau auch im Ökobetrieb hohe tierische Leistun­gen möglich und nötig sind. Lösungsansätze sieht Baumann in einer besonderen Anbaustrategie mit angepas­ster Fruchtfolge und konsequen­ter, standortbezogener Sor­ten­wahl. Als Vertreter der Futtermittelindustrie erläuterte Ludger Beesten von der Firma Reudink Biologische Futtermittel, Wit­zenhausen, die Herstellung von Futtermitteln aus Sicht eines Verarbeiters. Die holländische Firma mit Hauptsitz in Wesel erzeugt im Jahr circa 60 000 t Bio-Mischfutter. Zu Qualitätsanforde­rungen bei pflanzlichen Pro­dukten sprachen Willi Baum vom Biohof Gut Halbersdorf der Hephata Dia­konie zu Kartoffeln, Volker Krause von der Bohlsener Mühle zu Getreide, Klaus-Dieter Brügesch, Demeter-Felderzeugnisse zu Gemüse und Christoph Förster, Gut Marienborn aus der Sicht des Landwirts. Naturland-Landwirt Förster, der auf seinem 200 ha Ackerbaubetrieb in der Wetterau Kartoffelanbau und Saatgutvermehrung betreibt, wies darauf hin, dass die Wirtschaftsform des ökologischen Landbaus mit dem Verzicht auf Mineraldünger und synthetische Pflanzenschutzmittel hinsichtlich einiger Anbausorten, wie zum Beispiel der krankheitsanfälligen Kartoffelsorte Princess Probleme bereitet. Nach An­­sicht Försters sollten neben dem Ökoversuchsfeld des LLH in Alsfeld-Liederbach in weite­ren Klimazonen Hessens Versu­che durchgeführt werden, um re­gional unterschiedliche Sorten­reaktionen besser erkennen zu können. Dr. Hildebrandt, LLH