Erzeugnisse bündeln und erfolgreich vermarkten
Hochschultag in Witzenhausen mit Beratungskuratorium und LLH
Zum Thema „Qualitätsanforderungen an landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Öko-Landwirtschaft“ fand in der vergangenen Woche in WitzenhauÂsen der Hochschultag der Universität Kassel statt, der vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften mit dem Kuratorium für das landwirtschaftÂliche und gartenbauliche Beratungswesen in Hessen und dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen durchgeführt wurde. Vor dem Hintergrund zunehmender Ökobetriebe und höherer Flächenanteile entstehen neben den bisherigen Vermarktungsstrategien, die bei kleineren Größeneinheiten überwiegend durch die Direktvermarktung geprägt sind, Bündelungsprobleme wurde deutlich. Diesen gelte es entgegen zu wirken.

Foto: E.-A. Hildebrandt
Staatsministerin Silke Lautenschläger machte deutlich, dass nach einer eben fertig gestellten Studie über die Perspektiven des ökologiÂschen Landbaus in Hessen die VerÂbraucher großes Interesse an ökologisch erzeugten ProdukÂten haben, wobei die Regionalität der Erzeugnisse zu den wichtigsten Kriterien bei der KaufentscheiÂdung zähle. Obwohl sich die Studie noch in der Auswertung beÂfinde, lasse sich schon jetzt sagen, dass die Nachfrage nach ökologisch erzeugtem Obst und Gemüse noch gute Absatzchancen für die hessischen Betriebe böte. Chancen ergäben sich auch durch die große Zahl hessischer Biobäckereien, die ihren Mehlbedarf zur Erzeugung der Backwaren nicht nur aus hessischer Produktion decken könnten. Zwar habe der Anteil der Ökobetriebe in HesÂsen auf rund 1 600 zugenommen und auch die Fläche sei auf etwa 70 000 ha angewachsen, was 10 Prozent der hessischen LF entÂspreche, doch handele es sich bei den Umstellungsbetrieben hauptsächlich um Milchviehbetriebe mit hohem Grünlandanteil in Mittelgebirgslagen.
VermarktungsÂchargen erhöhen
Die erwähnte Marktstudie der FirÂma AgroMilagro zeige bei einer ersten Betrachtung, dass Hessen bei den meisten ÖkoprodukÂten gut da stehe. Aus Sicht des ÖkoÂÂmarketings müsse gerade bei den gegenwärtigen Entwicklungen zu größeren VermarktungsÂchargen zum Beispiel in Supermarktketten eine Bündelung des Angebots erfolgen, da anderenfalls Marktanteile an außerhessiÂsche beziehungsweise europäische Mitbewerber verloren gehen könnÂten. In diesem Zusammenhang sei bedeutend, das Angebot besser auf die Nachfrage abzustimmen. Gerade unter diesem Aspekt erhoffe man sich aus der Studie entscheidende Hinweise und Prognosen für die Entwicklung der Nachfrage in den nächsten fünf Jahren. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse könne das Land dann den Praktikern Hilfen in Form einer kompetenten Beratung anbieten. Um den Betrieben bereits jetzt mit Investitionsförderungen zu helfen, sei der EFP-Förderungssatz auf 35 Prozent erhöht und die Mindestinvestitionssumme auf 20 000 Euro abgesenkt worden.
Derzeit sei bedeutsam, die verschiedenen Akteure im hessischen Ökomarkt an einen Tisch zu bringen, um die Möglichkeiten und Chancen zu erörtern und Wege der Umsetzung aufzuzeigen. Mit einem regionalen Ansatz bestehe auch die Chance, gemeinsam mit dem Landtourismus spezielle hessische Regionen besonders zu positionieren und damit einen WettÂbewerbsvorteil zu erreichen.
Ansprüche an Rohstoffe
Die Veränderung von AbnehÂmerÂansprüchen an landwirtschaftliche Rohstoffe bei zunehmender Differenzierung des Ökomarktes sieht auch Professor Dr. Ulrich Hamm von der Uni Kassel. Nach seinen Erkenntnissen verlieren gerade die klassischen ÖkobetrieÂbe Marktanteile durch einen stetig wachsenden Ökomarkt. Aus Sicht der Verarbeiter und Verteilerstufen seien größere einheitliÂche Chargen oft nur über ausländische Produzenten zu erhalten. Entgegen der verbreiteten VermuÂtung sei festgestellt worden, dass diese Produkte durchaus den QuaÂlitätsstandards für Ökoprodukte genügen und auch eine hohe Zuverlässigkeit bei der Belieferung von Verarbeitern und VerbraucherÂmärkten bestehe. Hinsichtlich der Produktdifferenzierung sei festzuÂstellen, dass die Angebotspalette ständig erweitert werde. Dies liege daran, dass steigende Ansprüche an den Verarbeitungsgrad der Produkte gestellt werden und VerÂbraucher ihre bisher konventionell erzeugten Lieblingsprodukte jetzt auch in Ökoqualität einkaufen wollen. Dabei spiele der höheÂre Preis für Ökoprodukte eine unÂtergeordnete Rolle. Hamm verÂweist auf die Preisspannen von konventionellen und ökologischen Nahrungsmitteln untereinander und im Vergleich der ProduktionsÂweisen. So könne man bei konvenÂtionellen Produkten eine Preisspanne bis zum Zehnfachen festÂstellen, wobei auch vergleichbare Ökoprodukte übertroffen würden. Bei letzteren seien solche Preisspannen noch nicht bekannt.
Produkte im Markt positionieren
Von besonderer Bedeutung für die Produktpositionierung ist der Nachweis der Erzeugungsart. ProÂfesÂsor Dr. Achim Spiller vom LehrÂstuhl für Agrarmarketing der UniÂversität Göttingen referierte zu diesem Thema über Möglichkeiten und Grenzen der SicherstelÂlung von Qualitätsanforderungen an Öko-Produkte durch zusätzliche Zertifizierung. Neben den bekannten Zertifizierungsstandards seien in den letzten Jahren neue Standards durch eigene Zertifizierungssysteme von Lebensmittelketten wie zum Beispiel TeÂgut hinzugekommen. Neue Trends bei der Zertifizierung würÂden auch Aspekte des KlimaschutÂzes einbeziehen oder bei tierischen Lebensmitteln neben der Tierernährung und Haltung auch das Management und die Vermarktung des erzeugenden Betriebes mit einbeziehen. Konsequente Zertifizierung nach anerkannten Standards böten dem Erzeuger gute Marktchancen, so Spiller. Allerdings müsse bei den Verfahren dringend eine Entbürokratisierung erfolgen, um den hierfür notwendigen Aufwand zu reduzieren ohne dabei Einbußen bei der Erzeugungstransparenz hinnehmen zu müssen.
Foto: E.-A. Hildebrandt
Berichte aus der Praxis
Ralf Stützer von der Ökoland Nord erläuterte die AnforÂdeÂrunÂgen seines fleischverarbeitenÂden Betriebs an Schlachttiere, die von sieben Erzeugern bezogen werden. Der Betrieb mit 13 MitarÂbeiÂtern erzielt derzeit einen Jahresumsatz von 17 Mio. Euro. In der Schweinemast werden männliche Schlachttiere nur als Börge verarbeitet. Ökoland Nord verlangt einen Nachweis, dass die Kastration unter Narkose durchgeführt wurde. Zur Wursterzeugung legt der Betrieb großen Wert auf geeigÂnete Speckqualitäten, die wesentlich durch die Fütterung und das Mastendgewicht beeinflusst werden. Ergänzend zu den VorschrifÂten der ökologischen Tierhaltung müssen die Erzeugerbetriebe ein Salmonellenmonitoring durchführen. Weitere Anforderungen erÂstrecken sich auf den Tiertransport, der stressfrei zu erfolgen hat. Die Tiere sind anschließend entspannt der Betäubung zuzuführen, bevor sie getötet werden. ProÂbleme durch nicht verwertbaÂre Lebern führen zu einem Abzug von 5 Euro pro Schwein. Werden krankheitsbedingte SchwierigkeiÂten wie Herzbeutelentzündungen festgestellt, erfolgt mit dem betrofÂfenen Betrieb eine Absprache zur Schwachstellenanalyse und Beratung.
Henning Niemann vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen aus Visselhöfede ging auf die Qualitätserzeugung von Fleisch aus Sicht der Erzeuger ein. Für eine erfolgreiche Schweinemast ist demzufolge ein verlässlicher Rahmen notwendig, der mit dem Abnehmer und MarktpartÂner zu vereinbaren ist. Der AbnahÂmevertrag soll das Qualitätsprofil des Vermarkters, die Einbindung des Qualitätsmanagements und BeÂratungssysteme, die LiefermenÂgen pro Zeiteinheit und die PreisgeÂstaltung und Zahlungsmodalitäten enthalten. Die QualitätsÂprofile können beispielsweise Rassevorgaben, Schlachtgewichte und den Ferkelbezug vorgeben. Zusätzlich werden häufig die Futterrationen vorgeschrieben. Niemann zeigt, dass unter diesen Bedingungen bei den Betrieben seiner Beratungsgruppe Mehrpreise für die Schlachtschweine erzielt werden, die im Vergleich zur konventionellen Schweinemast durchschnittlich um den Faktor zwei höher liegen.
Hohe Leistungen sind nötig
Eberhard Baumann vom Ökozentrum Werratal von Vachdorf stellte anschließend seinen knapp 1 700 ha großen Betrieb mit 230 Milchkühen, 270 Mutterkühen, 12 000 Legehennen und 100 Sauen im oberen Werratal vor. Dabei stellte der Betriebsleiter fest, dass trotz engerer Auflagen und höheÂrer Kosten im Vergleich zum konventionellen Landbau auch im Ökobetrieb hohe tierische LeistunÂgen möglich und nötig sind. Lösungsansätze sieht Baumann in einer besonderen Anbaustrategie mit angepasÂster Fruchtfolge und konsequenÂter, standortbezogener SorÂtenÂwahl. Als Vertreter der Futtermittelindustrie erläuterte Ludger Beesten von der Firma Reudink Biologische Futtermittel, WitÂzenhausen, die Herstellung von Futtermitteln aus Sicht eines Verarbeiters. Die holländische Firma mit Hauptsitz in Wesel erzeugt im Jahr circa 60 000 t Bio-Mischfutter. Zu QualitätsanfordeÂrungen bei pflanzlichen ProÂdukten sprachen Willi Baum vom Biohof Gut Halbersdorf der Hephata DiaÂkonie zu Kartoffeln, Volker Krause von der Bohlsener Mühle zu Getreide, Klaus-Dieter Brügesch, Demeter-Felderzeugnisse zu Gemüse und Christoph Förster, Gut Marienborn aus der Sicht des Landwirts. Naturland-Landwirt Förster, der auf seinem 200 ha Ackerbaubetrieb in der Wetterau Kartoffelanbau und Saatgutvermehrung betreibt, wies darauf hin, dass die Wirtschaftsform des ökologischen Landbaus mit dem Verzicht auf Mineraldünger und synthetische Pflanzenschutzmittel hinsichtlich einiger Anbausorten, wie zum Beispiel der krankheitsanfälligen Kartoffelsorte Princess Probleme bereitet. Nach AnÂÂsicht Försters sollten neben dem Ökoversuchsfeld des LLH in Alsfeld-Liederbach in weiteÂren Klimazonen Hessens VersuÂche durchgeführt werden, um reÂgional unterschiedliche SortenÂreaktionen besser erkennen zu können. Dr. Hildebrandt, LLH