Strategien aus der Krise des Gemüsebaus

Finanzkrise ist im Gemüsebau angekommen

Die Finanzkrise, die sich zur Wirtschaftskrise ausgewachsen hat, ist in vielerlei Gestalt im Gemüsebau und in der Gemüsewirtschaft angekommen. Dies kann für den einzelnen Unternehmer kein Grund zur Resignation sein. Vielmehr gilt es, die Stärken zu bündeln und alle Energie auf die Konsolidierung des Betriebes zu konzentrieren. Dabei zählen Wochen. Zögerlich sollte man nicht sein. Denn auch hier gilt der Spruch von Gorbatschow: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Ideales Wetter ließ ein sehr großes Angebot mit guten Qualitäten heranwachsen, aber ein Jahr wie das Jahr 2009 hat es im Gemüsebau noch nicht gegeben, denn es laufen alle ungünstigen Entwicklungsfaktoren wie in einem Brennglas in den Betrieben zusammen und werden in den Bilanzen Spuren hinterlassen, wie man das bisher nicht gekannt hat.

Foto: Bettina Siée

Der Pfälzer Gemüsebau mit 18 000 ha Anbaufläche und einem Erzeugungswert, der von den Experten auf über 305 000 000 Euro geschätzt wird, ist in der Vorderpfalz ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor. Die positive Entwicklung der letzten 30 Jahre hat zu großen mittelständischen Unternehmen geführt, die jedem Vergleich mit denen der gewerblichen Wirtschaft Stand halten können. Diese Entwicklung des Sektors schlägt sich in einem enormen Wachstum vieler Erzeugerbetriebe nieder. Gemüsebetriebe in der Pfalz haben Umsatzgrößen erreicht, wie sie in der Landwirtschaft in Westdeutschland sonst nicht bekannt sind. Die letzten 30 Jahre brachten gute sowie weniger gute Ergebnisse. Trotz einer sehr positiven Entwicklung, lagen Licht und Schatten oft eng beieinander. Den Gemüseerzeugern ist das Jahr 2004 noch in guter Erinnerung mit einer Preiskrise.

Alle ungünstigen Faktoren kommen dieses Jahr zusammen

Ein Jahr wie das Jahr 2009 gab es aber noch nicht, denn in diesem Jahr laufen alle ungünstigen Entwicklungsfaktoren wie in einem Brennglas in den Betrieben zusammen und werden in den Bilanzen Spuren hinterlassen, wie man das bisher nicht gekannt hat. Die derzeitige Finanzkrise wird zeigen, wie wirtschaftlich stabil die Gemüsebauunternehmen aufgestellt sind.

Fakten, die den Gemüsebau im Jahr 2009 prägten

  • Das Jahr 2009 bescherte in der Pfalz und im Ried ideales Wetter für alle Gemüsearten. Alle sind gewachsen und dadurch ergab sich, auch in Verbindung mit der Ausweitung der Anbauflächen um fünf bis acht Prozent, ein erhöhtes Angebot.
  • Das übergroße Angebot traf auf eine leicht rückläufige Nachfrage, dies führte zu um etwa sieben Prozent niedrigeren Erzeugerpreisen auf der ganzen Linie. Bei Salaten waren sie 30 Prozent niedriger.
  • Im Ergebnis wurde im Jahr 2009 vom Lebensmittelhandel zehn bis zwölf Prozent weniger Ware aufgenommen, also das verkaufte Angebot war geringer und erzielte um 11.4 Prozent niedrigere Verbraucherpreise.
  • Discounter tragen Machtfragen im Ein- und Verkauf aus. Experten zählen elf Preissenkungsrunden in diesem Jahr.
  • Der starke Euro verschließt Exportmärkte in Großbritannien und Russ­land insbesondere für das Angebot aus den Niederlanden. Diese niederländische Ware drückte zusätzlich auf den deutschen Markt.
  • In der Summe führten diese Faktoren bei den Erzeugern neben den Preisrückgängen zu Umsatzeinbußen von etwa 15 Prozent.
  • Diese Entwicklung betraf das gesamte Sortiment über die gesamte Saison bis September.
  • Gleichzeitig waren in den Jahren 2008 und 2009 auf breiter Front Kostensteigerungen (+ 22 Prozent) eingetreten.
  • Sie führen in Verbindung mit Erlöseinbußen zwangsläufig zu starken Gewinneinbußen. Erhöhte Außenstände bei den Lieferanten zeigen Liquiditätsprobleme in den Betrieben an.
  • Damit entsteht erhöhter Finanzierungsbedarf für das Jahr 2009, der auch noch den Aufwand bis zum Mai 2010, wenn die ersten Einnahmen wieder erwartet werden können, abdecken muss.
  • Die Gefahr einer Kreditklemme für die Gemüsebaubetriebe besteht.

Als Einzelerscheinungen sind diese Faktoren jedem Unternehmer schon begegnet und haben das Wachstum der Betriebe in der Vergangenheit vielleicht unterbrochen oder gebremst, aber nicht in Frage gestellt. Das Zusammenwirken der negativen Faktoren im Jahre 2009 auf der ganzen Linie des Sortiments, über den größten Teil der Saison (bis September), in einer allgemeinen Wirtschaftskrise, mit teils klammen Banken in Folge der internationalen Finanzkrise, ist bisher noch nicht da gewesen. Mit dieser besonderen Situation muss sich jeder Unternehmer auseinandersetzen und eine Strategie entwickeln, wie er aus der Krise kommen will.

Wenn Umsatzrückgang auf höhere Kosten trifft

In den letzten zwölf Monaten sind die Kosten für Dünger, Pflanzenschutzmittel und Saatgut teils erheblich gestiegen. Die Betriebs­mittelpreise haben sich laut Sta­tis­tischem Bundesamt von 2007 auf 2008 um gut 22 Prozent erhöht. 2009 war die Steigerung moderater, aber die Branche hat die massi­ven Steigerungen des Vorjahres noch lange nicht verkraftet. Besonders stark stiegen die Arbeitskosten, die mit etwa 40 Prozent im Gemüsebau den größten Kostenblock ausmachen.

Wenn nun erhöhte Kosten mit gesun­kenen Umsätzen zusammentreffen, rauschen die Gewinne in den Keller und werden zu Verlusten. Die Beispielrechnung in Tabelle 1 verdeutlicht, wie dramatisch sich das Zusammentreffen von reduzierten Absatzmengen und niedrigeren Preisen auf den Gewinn des Betriebes auswirkt. Leider muss befürchtet werden, dass viele Betriebe sich in exakt dieser Situation befinden. Da ist zu hoffen, dass die Betriebsleiter wenigstens alle 14 Tage eine betriebswirtschaftliche Auswertung vorliegen haben. Denn einen Blindflug in der Krise birgt das Risiko der Bruchlandung in sich.

Es gibt Indikatoren, die betriebliche „Kreislaufstörungen“ ebenso sicher anzeigen wie das Blutdruckmessgerät des Arztes beim Menschen. Dies sind:

  • Höhe der Lieferantenverbindlichkeiten
  • Zinssatz für Kontokorrentkredite
  • Kreditrahmen, den die Bank einräumt.

Wenn Gemüsebaubetriebe im Laufe des Sommers entgegen der üblichen Praxis die Lieferantenverbindlichkeiten nicht zurückgeführt haben, dann ist das ein untrügliches Zeichen, dass Liquiditätsprobleme bestehen. Was heißt das? Wenn die Lieferantenkonten nicht bis zum Jahresende ausgeglichen werden, gibt es in der nächsten Saison keine Betriebsmittel. Also muss eine Finanzierung durch die Bank erreicht werden, mit der Folge, dass dann noch Zinsen für diese Verbindlichkeiten fällig werden.

Weitere Symptome der Krise sind in den Betrieben abzulesen

Die Höhe der Kontokorrentzinsen, die ein Betrieb zu zahlen hat, sind ein weiterer deutlicher Anzeiger, wie die betriebswirtschaftliche Lage einzuschätzen ist. Trotz des niedrigsten Diskontsatzes der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank in der Geschichte folgen die von den Bankkunden zu zahlenden Zinsen diesem Trend kaum, weil die Banken ihre Verluste des letzten Jahres versuchen auszugleichen. Im Zinssatz drückt sich aus wie die Bank die Liquidität und die Stabilität des Betriebes einschätzt. Die Unterschiede können erheblich sein. Die Spanne reicht von 2,5 bis 3 Prozent bei besten Kunden, liegt meist bei 4,5 bis 6 Prozent und endet in ganz problematischen Fällen jenseits von 10 Prozent.

Die Bereitschaft der örtlichen Banken, den Finanzbedarf der Betriebe zu finanzieren, war in den Wachstumszeiten kaum ein Problem. Diese Zeit ist aus verschiedenen Gründen vorüber. Da ist zum Beispiel Basel II in Kraft getreten, das die Kreditwürdigkeit der Kundschaft bewertet. Dies hat zur Folge, dass heute ein Kreditantrag nicht mehr vom Leiter einer örtlichen Zweigstelle, der die Unternehmerfamilie kannte und darauf seine Risikobewertung ganz maßgeblich aufbaute, entschieden werden kann, sondern Entscheidungen werden in getrennter Verantwortung getroffen. Das heißt, Kreditentscheidungen werden nur auf der Grundlage von überzeugenden Businessplänen, die die Entwicklung der Vergangenheit und realistische Erwartungen der nächsten Monate beinhalten, entschieden. Doch was ist ein Businessplan?

Kreditklemme vermeiden – Strategien aus der Krise

Da die Krise des Jahres 2009 im Gemüsebau nicht allein auf eine Störgröße zurückzuführen ist, sondern auf der Wirkung der Summe aller eingangs dargestellten Faktoren beruht, muss sie auch mit einem Maßnahmenbündel bekämpft werden. Unternehmer haben strategische Entscheidungen zu treffen, um die Krise zu bestehen oder gar gestärkt aus ihr hervor zugehen. Abgeraten wird, die ungünstigen Faktoren abwettern zu wollen und zu hoffen, dass es 2010 problemlos wieder aufwärts gehen werde. Als risikoreich wird weiteres betriebliches Wachstum, sofern es mit Fremdkapital finanziert werden müsste, angesehen. Vor Experimenten wird gewarnt.

In der Krise werden Kostenmanagement und Stärkung des Eigenkapitals als adäquate Strategien empfohlen, um so einer Kreditklemme zu entgehen. Nehmen wir nochmal das Beispiel aus Tabelle 1, in dem wegen des Rückgangs der verkauften Menge und der niedri­geren Preise ein Verlust von 42 000 Euro eingetreten ist (Tabelle 2).

Bei Betrieben dieser Größe, kann man wetten, dass durch ein strenges Kostenmanagement zehn Prozent der Kosten eingespart werden können. Das würde 96 000 Euro bringen und statt eines Verlustes von 42 000 Euro ergäbe sich ein Gewinn von 54 000 Euro. Das heißt der Gewinn würde zwar immer noch um 77 Prozent einbrechen, aber ein Verlust könnte vermieden werden. Das sind Zahlen, die Banken in den geforderten Businesplänen sehen wollen. Das Beispiel macht deutlich, dass Mutlosigkeit nicht angebracht ist. Wer rechtzeitig handelt und sich wenn nötig Rat holt, wird immer eine Lösung finden. Helmuth M. Huss, Ministerialrat a.D., Projektmanagement Gemüsebau, Mainz