Milchmarkt zwischen Markt- und Planwirtschaft

Vortragsveranstaltung des VDL-Berufsverbandes in Baunatal

Auf der Tagung des VDL-Berufsverbandes Hessen zur Landwirtschaft­lichen Woche in Baunatal sprach Dr. Burkhard Otto, Bereichsleiter Milchwirtschaft des Genossenschaftsverbandes Frankfurt mit Dienstsitz in Rends­burg, über „Milchmarkt am Scheideweg – Marktwirtschaft oder Planwirtschaft.

Dr. Burkhard Otto sprach in Baunatal zum Milchmarkt.

Foto: E.-A. Hildebrandt

Zum Milchmarkt stellte der Referent zunächst fest, dass hier seitens des Staates schon immer Einfluss genommen wurde. Dabei sei an den Reichsnährstand der 30er und 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu erinnern, die grünen Pläne der 50er Jahre, die Milchmarktordnun­gen sowie die Milchquoten­regelung, die seit 1984 den EU-Milchmarkt bestimmt. Insofern könne man von planwirtschaftlichen Einflüssen reden, die nach Beschluss der EU mit dem Auslaufen der Milchquotenregelung im Jahr 2015 markt­wirt­schaftlichen Grundsätzen weichen sollen. Allgemein gehe man davon aus, dass mit dem Wegfall der Quotenregelung ein Zuwachs bei der Milcherzeugung eintreten werde. Hierbei sind auch Auswirkungen auf den Markt zu erwarten, der schon jetzt durch ein Ãœberangebot ge­kenn­zeichnet sei. Die EU setze den Weg zur Liberalisierung des Milchmarktes allerdings unbeirrt fort, wenngleich die Intervention zunächst erhalten bleibe und ein zusätzlicher Außenschutz durch Maßnahmen zur Seuchenabwehr erfolgen könne. Aus der Sicht von Dr. Otto wä­re der schwächel­nde Milchpreis im Jahr 2008/2009 ohne die Intervention noch weiter bis in die Nähe von 12 Cent/Liter abgerutscht. Dennoch sollten administrative Eingriffe in den Milch­markt abgebaut werden. „Preis­verhandlungen sind Sache der Marktpartner“, so der Referent. Und mit Blick auf das laufende Milchwirtschaftsjahr ist sich Otto sicher, dass sich der au­genblickliche Trend zu höheren Milchauszahlungspreisen fortsetzt. Für 2010 rechnet er mit Auszahlungspreisen von 22 bis 24 Cent/Liter. Je nach Qualität könnten in Ausnahmefällen auch bis zu 29 Cent/Liter erreicht werden. Dies alles vor dem Hintergrund, dass die Milchquoten derzeit nur zu 98 Prozent ausgeschöpft würden und in der EU (27) von Januar bis September/Oktober 2009 333 500 t weniger angeliefert wurden. Allerdings sei auch die private Nachfrage nach Milch und Milchprodukten als Ergebnis der Wirtschaftskrise zurückgegangen. Es wird gespart und weniger weggeworfen. Anhand verschiedener Marktauswertungen zeigte der Referent, dass sich die Preissituation seit September 2009 gebessert hat und sowohl am Weltmarkt wie auch in den EU-Mitgliedstaaten einen deutlichen Trend nach oben (allerdings immer noch auf zu niedrigem Niveau) erkennen lässt. Bemerkenswert sei dabei die enorme Vola­tilität (Schwankungsbreite) der Weltmarktpreise.

Entscheidend für den Auszahlungspreis der Molkereien sei letztlich der Geschäftserfolg der Unternehmen, die in einem Markt ohne Quotenregelung und staatliche Stützungsmaßnahmen stärker gefordert werden. Bei den genossenschaftlichen Molkereien können die Mitglieder satzungsgemäß hierauf Einfluss nehmen. Unter den Bedingungen volatiler Märkte könnten auch die Liefer- und Ver­tragsbeziehungen zwischen Erzeuger und Molkerei einen anderen Stellenwert bekommen. Hier sieht Otto für die Erzeuger besondere Vorteile, wenn sie Mitglieder einer genossenschaftlichen Molkerei sind. So hat eine Expertengruppe des DRV festgestellt, dass das bisherige Geschäftsmodell der Genossenschaften auf Basis ihrer Satzungen zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und zukunftsfähigen Ausrichtung bietet. Kernpunkte können dabei sein, dass wie bisher die Genossenschaft alle Milchmengen ihrer Mitglieder aufnehmen und im Umkehrschluss die Mitglieder und Erzeuger alle Mengen der Genossenschaft andienen müssen. Die Genossenschaft kann kein Mitglied entlassen, sofern nicht deutliche Satzungsverstöße vorliegen. Umgekehrt kann ein Mitglied seine Mitgliedschaft jederzeit aufkündigen.

Die Pro­duktionsmenge bestimmt das Mitglied selbst und ist keinen Einschränkungen unterworfen. Um für die Mitglieder einen garantierten Marktzugang sicher zu stellen, fordert Otto leistungsfähigere Unternehmen mit wettbewerbsfähigen Verarbeitungs- und Vermarktungskapazitäten. Diese werden künftig eine engere Kapitalbeziehung zwischen Unternehmen und Genossenschaftsmitglied erfordern. Ide­a­lerweise würde dazu bei­tragen, wenn sich Einzelunternehmen durch Fusionen zu wirt­schaftli­cheren Großeinhei­ten entwickeln könnten. Diese Ent­schei­dungen bleiben allerdings den Mitgliedern vor­­behal­ten. In diesem Zusammenhang werden verschiede­ne Alternativen diskutiert. Wahr­scheinlich wird die Kapitalbeteiligung an das Liefervo­lumen gekoppelt. Bei Überproduktion wäre auch eine Preisdifferenzierung nach Liefermenge (A/B-Milch) denkbar.

Dr. Otto stellte fest, dass es bei den Ãœberle­gun­gen keine Patent­lösun­gen gibt und mögliche Ansätze von den Un­ter­nehmen und seinen Mitglie­dern zu bewerten, zu entscheiden und eigenverantwortlich umzusetzen sind. Dr. Otto stellte zu Beginn seiner Ausführungen die Struktur und Leistungen des Genossenschaftsverbandes Frankfurt vor, der im Jahr 2008 mit dem Genossenschaftsverband Norddeutschland fusioniert hat und im Reigen der sieben deutschen Genos­sen­schafts­­verbände sowohl flächenmäßig als auch bei der Mitglieder­zahl und den Umsatzergebnissen als größter Genossenschaftsverband gilt. Neben 356 Kreditgenos­senschaften gehören rund 1 500 Wa­ren- und Dienstleistungsgenossenschaften mit einem Umsatz von circa 21,4 Mrd. Euro zum Ge­nossenschaftsverband. 2008 zählten hierzu 67 genossen­schaftliche Molkereiunternehmen mit 7,775 Mrd. kg Milch (circa 28 Prozent des deutschen Milchaufkommens) von rund 15 000 Lieferanten. 2 790 kommen aus Hessen und Rhein­land-Pfalz und liefern durch­schnittlich 380 000 kg Milch pro Jahr. Dr. Hildebrandt, LLH