„Ganz so schwierig ist es doch nicht“
Bezirksversammlungen für hessische Schafhalter
Hessens Schäfer fühlen sich zunehmend überrollt von bürokratischen VerordÂnungen, für sie schwer einzusehenden Auflagen, und stets davon bedroht, bei Kontrollen eine Geldbuße zahlen zu müssen. Auch bei den Bezirksversammlungen, die der Hessische Verband für Schafzucht und -haltung (HVSZH) gemeinsam mit dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) und den regionalen Veterinärbehörden anbietet, geht es zurzeit vor allem um die neuen Rechtsvorschriften, die mit Beginn dieses Jahres in Kraft traten: Zulassung für Schlachtbetriebe, elektronische Tierkennzeichnung, Blauzungenkrankheit und wieder die Meldepflichten.
Neu ist das flexible Vorgehen bei der Genehmigung. Schünemann: „Sie werden feststellen, da wird viel mit unbestimmten Rechtsbegriffen gearbeitet.“ Der Vorteil: Ein Betrieb wird weniger nach starren Vorgaben, sondern „risikoorientiert“ beurteilt, damit „gibt es die Möglichkeit für individuelle Lösungen,“ etwa für das verlangte Eigenkontrollkonzept einschließlich eines Systems zur Rückverfolgbarkeit. Insgesamt findet Ruth Schünemann: „Was wir von Ihnen fordern, ist relativ überschaubar“. Wichtig sei indes, „dass Sie die Kontrollen tatsächlich durchführen und auch dokumentieren“, worauf im Saal ein leichtes Aufstöhnen zu vernehmen war. Ein Beispiel für flexible Umsetzung ist etwa der farbige Clip an Würsten, mit unterschiedlichen Farben für jede Woche, womit die Zuordnung zum Wareneingang dokumentiert ist. Die geforderte Trinkwasseruntersuchung sei nicht jedem sofort plausibel. Warum müsse man noch einmal Wasser untersuchen, das die Gemeinde doch in Trinkwasserqualität anliefert? „Die Gemeinde garantiert die Qualität nur bis zum Hausanschluss“, sagt Schünemann, bei der Untersuchung im Rahmen der Zulassung als Lebensmittelunternehmer gehe es vor allem um das Leitungsnetz auf dem Betrieb. Gesonderte Umkleideräume, wie von der Verordnung gefordert, werde ein Familienbetrieb wohl kaum einrichten müssen, das ließe sich von Fall zu Fall flexibel regeln. Flexibel beurteilt wird auch die Trennung der Arbeitsschritte. So sind „Einraum-Metzgereien“ weiterhin möglich, denn „wenn die Trennung räumlich nicht geht, dann bringt man eine zeitliche Trennung rein“. Etwa mit Schlachten an einem Tag und – nach Reinigung und Desinfektion - Zerlegen im selben Raum am Tag darauf. Selbst unter diesen Bedingungen „gibt es Betriebe, die eine hygienische Lösung gefunden haben“. Immer gehe es darum, Hygienemängel zu beheben, denn „die Bakterien, die Sie beim Schlachten übertragen, werden Sie im gesamten weiteren Verarbeitungsprozess nicht mehr los“. Zuchtleiter Willi Müller-BrauÂne merkte an: „Es ist nicht so, dass es nicht zu packen wäre, auch von der Kostenseite.“ Reinhard Heintz, Vorsitzender des Hessischen Schafzuchtverbandes, bestätigte: „Ganz so schwierig, wie wir dachten, ist es doch nicht,“ allerdings werde bei den hessiÂschen Veterinärämtern bisweilen „mit unterschiedlichem Maß gemessen“.
Haltbarkeit des Rest-Serums läuft Ende März aus
Erneut kam auf der Bezirksversammlung der Schäfer die elektronische Einzeltierkennzeichnung zur Sprache. „Wir haben uns bis zum Schluss gewehrt, aber es hat nichts genützt“, sagte Müller-Braune. Die elektronische Kennzeichnung ist seit Jahresbeginn Pflicht und eigentlich mache es kaum einen Unterschied: „Es bleiben zwei Marken, eine davon ist jetzt mit einem Chip versehen“. Den Chip mit einem Bolus zu verschlucken sei eine für kleine Wiederkäuer wenig praktikable Methode, meint Müller-Braune. Bei Ziegen und kleinen Schafen sei es „ein Würgen“, und wenn der Bolus kleiner sei, gehe er häufig ab. „Wenn Du dann eine CC-Kontrolle (Cross Compliance) hast, bist Du angeschmiert.“ Die elektronische Kennzeichnung der Tiere muss innerhalb der ersten neun Monate erfolgen, gerade für die Gebrauchsherdenhalter gelte deshalb: „Ihr habt in der Regel noch etwas Zeit.“ Kritischer sieht es bei den Herdbuchzüchtern aus, deren Zuchttiere müssten jetzt gekennzeichnet werden, doch „die Ohrmarken, die man jetzt bräuchte, sind nicht da.“ Auch Reinhard Heintz sieht die Umsetzung der elektronischen Kennzeichnung weniger dramatisch: „Technisch ändert sich für die Schafhalter nichts“, sagt Heintz, kein Schafhalter müsse ein eigenes Lesegerät anschaffen, „das Einzige ist - es wird teurer“. Gerüchten über Preise von bis zu sechs Euro pro elektronischer Ohrmarke trat Willi Müller-Braune entgegen. 1,20 bis 1,60 € würden sie voraussichtlich kosten, „maximal 2 € pro Stück“. Ein letztes kleines Schlupfloch bleibt übrigens für Lämmer, die in der Neujahrsnacht geboren wurden. Die elektronische Kennzeichnung gilt ab Jahreswechsel zum 1. Januar 2010, aber, so ein Teilnehmer „wer soll schon wissen, ob es nicht zwei Stunden früher geboren wurde?“ Teurer wird es auch, weil die hessische Tierseuchenkasse die Ohrmarken für Schafe ab jetzt nicht mehr bezahlt – wogegen Ziegenhalter sie weiterhin umsonst erhalten. Müller-Braune warnte Schafhalter indes davor, nun kostenlose Ohrmarken für Ziegen zu bestellen. „Die halten das sauber auseinander“ und später werde es ohnehin auffallen. Ein Trostpflaster für die Schäfer: Die Tierseuchenbeiträge für SchaÂfe würden in diesem Jahr voraussichtlich sinken, so Heintz.
Über die Meldepflichten für Schafhalter gesprochen
Weiteres Dauerthema auf der Bezirksversammlung: die Meldepflichten für Schafhalter. Diese müssen ihre Herden nämlich drei Mal, an drei verschiedene Institutionen melden: Tierseuchenkasse, HVL und Veterinäramt. „Uns wäre es auch lieber, es gäbe eine gemeinsame Datenbank,“ meint die Gießener Kreistierärztin Stefanie Graff, bis heute gibt es aber keine ZusamÂmenführung der Daten. Diese Stichtagsmeldung – sie besteht seit Anfang 2008 - wird von den Schäfern wohl nur schleppend befolgt. Helmuth Lange, Schafzuchtberater beim Landesbetrieb Landwirtschaft warnte, „für die großen Betriebe ist es um so wichtiger, weil es CC-relevant ist.“ Ob die CC-Relevanz tatsächlich finanzielle Folgen hat, hängt offenbar vom zuständigen Veterinäramt ab. Erlassen manche bei fehlenden Meldeunterlagen zunächst nur eine Ermahnung (mit Kontrolle eine Woche später) werde in anderen Landkreisen mit Bußgeldern bis zu 100 Euro bei fehlender Stichtagsmeldung schon „kräftig zugelangt“, so ein Teilnehmer. Dr. Rudolf Müller, Kreisveterinär des WetterauÂkreiÂses, meinte: „Wenn ich die bürokratische Entwicklung der verganÂgenen Jahre sehe, dann ziehe ich meinen Hut vor den Leuten, die überhaupt noch Schafe halten.“ Eine Zusammenstellung von Unterlagen und Merkblättern für Schafhalter bietet das Veterinäramt unter www.lkgi.de an. Dort wählt man die Rubrik „Veterinärwesen“. In Kürze finden weitere BezirksversammlunÂgen für SchafÂhalter in Hessen statt: am 28. Januar in Hünfeld im Kolpinghaus und am 3. Februar in der StadtÂhalle Gernsheim. Schlag