Mehr Brennstoff muss her

Holz wird im Energiemix der Zukunft eine wichtige Rolle spielen

Beim 30. Winterkolloquium Forst und Holz in Freiburg an der Albert-Ludwigs- Universität, sprachen Wissenschaftler zum Thema „Bioenergie – Chance oder Bedrohung für die Forst- und Holzwirtschaft?“ Dabei zeigte sich, dass der Rohstoff Holz im Energiemix der Erneuerbaren Energien (EE) neben Wasserkraft und Biogas als Stabilitätsfaktor bei der Einspeisung in das Energiesystem fungiert. Er ist somit unverzichtbar, sollen die Klimaschutzziele der Regierungen erreicht werden.

Prof. Dr. Jürgen Bauhus hält nichts von Kurzumtriebsplantagen. Er sieht die Energie-Vorwälder und eine intensivere Durchforstung als Teil einer Lösung für die bis 2020 erwartete „Holzlücke“.

Foto: Setzepfand

Schweden ist – auch energetisch gesehen – ein schönes Land, 27 Prozent des Primärenergieverbrauchs wurden 2007 über EE erzeugt. Bereits in den 70er Jahren hat man dort begonnen die Energiewende einzuläuten. 1980 stimmte die Bevölkerung in einem Referendum gegen die Atomenergie. Seither hat man sich intensiv um Erneuerbare Energien vor Ort gekümmert. Mit Maßnahmen, wie Steuern auf CO2-Ausstoß, Steuern auf Schwefel- und Stickoxidausstoß, Anreizprogramme für effizientere Verbrennungsanlagen, Förderung des Energiesparens durch Dämmen und bessere Materialien beim Bau von neuen Häusern erreichten die Schweden viel. Unterstützt wurden die Maßnahmen von Pilotprojekten, öffentlichen Diskussionen, regionalen Energieberatern und viel Werbung, immer wieder Werbung, sagte Prof. Rolf Björheden von der Universität in Uppsala. Je die Hälfte des schwedischen Holzes geht in die stoffliche und in die energetische Nutzung. Jedoch nur 10 Prozent frisches Waldholz wird direkt verbrannt. Dies bedeutet, dass die Kaskadennutzung gelebt wird. „Wir verbrennen viel Altpapier“, erzählte Björheden.

Auch die Europäische Union möchte die Energiewende zum Wohle des Klimas durchführen. Vorteile sieht man nicht nur in der Ökologie, sondern auch in der Ökonomie. So können durch eine verstärkte nachhaltige Energiegewinnung vor Ort Arbeitsplätze in den Ländlichen Räumen geschaffen und die Versorgungssicherheit erhöht werden. Dr. Mario Ragwitz vom Frauenhofer Institut für System- und Innovationstechnologie in Karlsruhe berät die EU. Der gelernte Physiker errechnete, dass das Potenzial der Biomasse bis zum Jahre 2030 rund 16 Prozent des Primärenergieverbrauchs decken könnte.

20 Prozent EE bis 2020 in EU

Die Ziele der EU sind schon verbindlich für alle Mitgliedsstaaten beschlossen, demnach sollen bis 2020 die Erneuerbaren Energien einen Anteil von 20 Prozent am Energiemix haben. 10 Prozent des Kraftstsoffverbrauchs soll bis 2020 aus Biokraftstoffen generiert werden. Warum wird das Holz so dringend im Energiemix gebraucht, wo doch Wind- und Sonnenkraft immer effizienter werden? „Neben Wasserkraft und Biogas ist Holz notwendig, um im Energiesystem für Stabilität zu sorgen. Denn Wind- und Sonnenenergie werden eingespeist, wenn es draußen sonnig ist und der Wind pfeift, doch wir brauchen eine regelmäßige Energiequelle, die ständig in das System Energie einspeist, daher ist die Biomasse so wichtig“, erklärte Ragwitz, der den Handel mit Pellets und Ethanol kräftig steigen sieht und den Ausbau der KWK-Technologie für sicher hält.

Dem stimmt auch Prof. Dr. Martin Kaltschmitt vom Deutschen BiomasseForschungsZentrum in Leipzig zu, der eine sehr viel dramatischere Entwicklung bei der Nachfrage nach Holz vo­raussagt. Wolle man die CO2-Emissionen, die 2008 bei 31,5 Mrd. t lagen und somit um ein Drittel seit 2000 gestiegen sind, wirklich reduzieren, damit die Erderwärmung nur bei 2° C liege, dann muss gehandelt werden, dann müssen die fossilen Brennstoffe verringert werden. Unter Einbeziehung der stofflichen Nutzung und vor dem Hintergrund, dass der nutzbare Holzertrag unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht unendlich zu steigern ist, errechnete er eine „Holzlücke“ zum Ende des kommenden Jahrzehnts. Diese kann nur verringert werden, wenn folgende Punkte beachtet werden:

  • Substitution von Holz durch andere feste Biomasse, wie Stroh oder Chinaschilf,
  • Verbesserte Effizienz der Umwandlung in das gewünschte Produkt und höhere Effizienz bei der energetischen Nutzung,
  • Holzangebote steigern durch veränderte Waldbaustrategien,
  • Anbau von Kurzumtriebsplantagen,
  • Verstärkter Import von holzbasierten Brennstoffen.

Die Zeit zu ernten ist gekommen

Kaltschmitt machte deutlich, dass die Forstwirtschaft keine Wahl habe, sondern dass dies Fakt ist: „Die Forstwirtschaft muss mehr Holz liefern.“ Diese Äußerung missfiel einigen Teilnehmern der gut besuchten Tagung und so äußerte sich ein Teilnehmer: „Die Forstwirtschaft muss gar nichts, das ist eine Frage des Preises.“ Doch das sieht Kaltschmitt anders. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, würde die Regierung notfalls auch Quoten einführen.

Auch Michael Funk, Geschäftsführer der Zellstoff Stendal Holz GmbH, dem Betreiber des größten deutschen Biomasseheizkraftwerkes, sagte für 2020 eine „Holzlücke“ von rund 430 Mio. m3/Jahr für Europa voraus. Schon heute werde mehr Holz verbrannt als in den Sägewerken eingeschnitten wird. Er geht davon aus, dass sich der Verdrängungswettbewerb zwischen der energetischen Nutzung und der Holzwerkstoff-, Papier- und Zellstoffindustrie verschärfen wird.

KWK-Anlagen sind im Kommen

Die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Sägeindustrie werde sich nach seinen Ansichten verschlechtern. Funk provozierte mit Aussagen, wie: „Die Produktivität in den Wäldern muss gesteigert werden. Wir brauchen mehr Nadelholz, mindestens ein Drittel der Ernte muss Nadelholz sein. Wir müssen mehr ernten als zuwächst. Auch alte Buchenbestände müssen geerntet und verbrannt werden. Die Energieeffizienz muss gesteigert werden.“ Ein Problem sieht Funk auch in der starken Konzentration der Energiekonzerne. Nur vier Energieriesen stehen einer mittelständisch strukturierten Holzwirtschaft entgegen. Das sei keine gute Voraussetzung für partnerschaftliches Arbeiten, wie es vielerorts gewünscht ist.

Diesen Wunsch hegt auch Harry Kankowsky von der EnBW Energy Solutions GmbH in Stuttgart. Mit langfristig angelegten Verträgen möchte der Konzern die Forstwirtschaft als Partner gewinnen. „Das scheiterte bisher schon daran, dass wir nicht die Sprache der Forstwirtschaft sprachen“, bemerkte Kankowsky. Die EnBW betreibe einige KWK-Anlagen auf der Basis von Altholz. Bisher erzeugte die EnBW Strom zu 56 Prozent aus Atomkraft, zu 30 Prozent aus fossilen Brennstoffen und zu 13 Prozent aus Erneuerbaren Energien. Bis 2020 wolle man auf 20 Prozent EE kommen. Dies solle mit Hilfe der Windkraft, ein bisschen Solarenergie und vor allem mit Biomasse erreicht werden. Nicht nur die großen Energieversorger wollen mehr Holz, es gibt viele kleine Kommunen oder Landkreise, die sich das Motto: 100 Prozent Erneuerbare! Auf die Fahnen geschrieben haben. Dazu gehören die VG Morbach, Alzey-Land, Kaiserslautern, Weilerbach und Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz sowie die Region Vogelsberg, Marburg-Biedenkopf, Hersfeld-Rotenburg, Kassel und Odenwald in Hessen.

Die Bundesregierung fördert diese Initiativen mit Förderprogrammen, wie BMU-Klimaschutzinitiative, Fördervolumen von 860 Mio. Euro; außerdem der BMELV-Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“, Fördervolumen von 11,6 Mio. Euro insgesamt und auch die Länder unterstützen mit Hilfe der EU Bio­energiedörfer, Fördervolumen rund 1,5 Mio. Euro. Der Vorteil dieser kleinräumigen EE-Regionen, ist deren Ãœberschaubarkeit, die Wertschöpfung in der Region, die Verbindung sozialer mit ökologischen und ökonomischen Zielen. Hier liegt vor allen Dingen ein großer Schlüssel in der Kommunikation, dem Querdenken zu manifestierten Strukturen und dem anschaulichen Erfolg, sagte Dr. Chantal Ruppert-Winkel vom Zentrum für Erneuerbare Energien der Uni Freiburg.

Stärker durchforsten

Wie können die Klimaschutzziele erreicht werden, wie die Nachfrage nach Holz gestillt werden und dennoch die multifunktionale Forstwirtschaft erhalten bleiben? Prof. Dr. Jürgen Bauhus vom Waldbauinstitut der Uni Freiburg stellte gleich eines klar: Ein Patentrezept gibt es nicht und es können nicht alle Funktionen auf einer Fläche erzielt werden. „Die zusätzliche Erzeugung von Biomasse kann einerseits durch eine Intensivierung der Waldpflege in bestehenden Systemen erfolgen und durch die Einführung neuer waldbaulicher Systeme“, sagte Bauhus.

Energie-Vorwälder als Lösung

Dabei seien die intensiveren Durchforstungseingriffe beim Laubholz höher einzuschätzen als bei Nadelholz. „Die Maßnahmen der Intensivierung, stärkerer Durchforstung oder Verkürzung von Produktionszeiten sind in vielen Fällen kompatibel mit den Elementen waldbaulicher Anpassungsstrategien an den Klimawandel“, bemerkte Bauhus. Er beurteile die Einführung von Kurzumtriebsplantagen im Wald als nicht zukunftsfähig: „Zu hoch ist die Störungsintensität auf den Nährstoff- und Bodenhaushalt sowie auf die Biodiversität und das Waldbild.“

Bauhus sieht eine Möglichkeit im Anlegen von Energie-Vorwäldern, und zwar auf großen Flächen, die nach Sturmwurf oder Borkenkäferkalamitäten frei wurden. „Mit den Energie-Vorwäldern lassen sich viele ökologische Vorteile mit den ökonomischen Zielen vereinbaren“, ist Bauhus überzeugt. Unter Energie-Vorwäldern versteht man das Anbauen von Pionierbaumarten, wie Aspen, Grauerlen oder Birken. Sie dienen als Vorwald für Zielbaumarten, wie Buchen, Eichen oder Douglasie. Vorteile liegen in der Bodenverbesserung, der Verminderung von Auswaschungsverlusten und der Erhaltung der Struktur und Biodiversität. Ein Versuch im Hunsrück mit Hybrid-Aspen zeigt nach 17 Jahren 712 Bäume pro Hektar, einen BHD von 17,3 cm, eine Höhe von 14,9 m und eine nutzbare Biomasse von 39,8 tatro/ha.

Die Suffizienz steigern

Rolf Björheden gestand am Schluss: „Ich habe wohl ein zu gutes Bild von Schweden gezeigt. Zwar haben wir nun viel erreicht mit Hilfe der Bioenergie, doch nun möchten die Menschen in Schweden nicht mehr nur 30 m2/Person zum Wohnen, sondern 60 m2. Und sie sparen ja so viel CO2, da schaffen sie sich nun zwei Autos an statt nur eines. Das sei nicht das Ziel gewesen. Das sei auch eine Frage der Suffizienz, dem Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch, da müsse man ansetzen. Elke Setzepfand