Mehr Produktionssicherheit und längere Erntesaison

Viele Praxistipps für Spargel- und Erdbeerbauern in Geisenheim

Immer mehr Erdbeeranbauer setzen Wandertunnel ein, um den Erntestart bei Erdbeeren zu verfrühen. Gerade in Betrieben mit gleichzei­tigem Spargelanbau und einer Ab-Hof-Vermarktung findet das Verfahren zunehmend Anklang, so dass beides vermarktet werden kann. Das und viele weite­re nützliche Tipps für die Erzeuger gab es vorige Woche beim Spargel- und Erdbeertag zu erfahren, der in der Forschungsanstalt in Gei­senheim durchgeführt wurde und den über 100 Land­wirte und Sonder­kul­turanbauer aus Hessen, Rheinland-Pfalz und angrenzenden Bundesländern besuchten.

Das Frühjahr steht noch nicht vor der Tür, aber schon jetzt bereiten sich die Erzeuger von Erdbeeren und Spargel auf die kommende Saison vor. Wie sie die wichtig­sten Monate in ihren Betrieben, Mai und Juni, möglichst erfolgreich bewältigen, darüber sprachen Berater und Betriebsleiter vorige Woche in Geisenheim.

Foto: Moennig

In jeweils vier Fachvorträgen wurden Themen zum Spargel- und am Nachmittag zum Erdbeer­anbau mit den neuesten Trends in der Technik, Bestandsführung sowie bei der Ern­te und Vermark­tung aufgegriffen. In Hessen wird auf circa 2 000 ha Spargel- und auf rund 800 ha Erd­beer­anbau betrieben. Der überregio­nale Spargel- und Erdbeertag ist eine Veranstaltung verschiedener Organisatio­nen im Zuge der Land­­wirt­schaftlichen Woche Süd­­hessen und wird unter anderem vom Hessi­schen Bauernverband und vom Hessischen Landesverband für Erwerbsobstbau gefördert. Ulrich Groos, Fachbe­rater für Gemüseanbau im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, führte durch die Tagung.

Bessere Ergebnisse bei späten Abdeckterminen

Ludger Linnemannstöns von der Land­wirtschaftskammer Nord­rhein-Westfalen sprach über das Thema „Erd­beer­­anbau im Wan­der­­­tunnel: Sor­ten, Düngung und Aus­bringungstechnik.“ Bei dieser Sonderkultur hat sich das Verfrühen mit einer Vlies­abdeckung durchgesetzt. Der richtige Zeitpunkt zum Abdecken sei aber wich­tig, so Linnemannstöns. Im Falle eines zu frühen Zudeckens des Bestandes schon im Winter werde je nach weiterem Verlauf der Witterung die Summe benötigter Kältestun­den nicht erreicht; mit der Folge, dass die Erdbeerpflanze in der Ern­tesaison keinen Höchstertrag bringe, weil ihr Kältebedürfnis, das sie zur Ausbildung von genera­tiven Trieben anrege, nicht befriedigt werde. „In Versuchen haben wir höhere Ernteergebnisse bei späte­ren Abdeckterminen erzielt.“ Andererseits führe ein zu spätes Abdecken zum späteren Erntestart im Frühjahr und damit zu einem Marktangebot, wenn die Preise für die Ware bereits deutlich gesunken seien.

Produzenten von Erdbeeren überlegten daher, wie sinnvoll es für ihren Betrieb sei, die Erdbeer­ernte durch Folientunnel zu verfrühen. Mit der Kulturverfrühung im Wandertunnel könne der Ange­botszeitraum bei Erdbeeren deutlich verlängert werden, das heißt etwa zwei Wochen früher im Mai sowie eine Ausdehnung der Erntezeit bis in den Herbst hinein. Außerdem seien die Qualität der Erdbeeren besser, die Erträge höher und auch gleichmäßiger. Nicht zuletzt seien auch die Arbeitsbedingungen der Ernte im Tunnel besser: „Bei drei Grad früh mor­gens im Feld Erdbeeren zu pflücken, ist nicht so angenehm wie bei 10 Grad im Folienhaus“, so der Kammerberater. Es werde weiterhin beobachtet, ob neue Sorten (wie Donna, Diana oder Elianny) in der Anbaupraxis des Wandertunnels geeigneter seien und damit wirtschaftlicher und ob Möglichkeiten bestehen, unter Praxisbedingungen, beispielsweise qualitative Kriterien, wie weiche Früchte oder Anfällig­keiten für Krankheiten zu beeinflussen.

Anbau im Tunnel für den Ab-Hof-Verkauf interessant

Die Ernteverfrühung durch das Anlegen der Tunnel sei insbesondere für direktvermarktende Betriebe eine interessante Pro­duk­tions­variante, die Absatz­menge zu er­höhen. Am besten sind seiner Mei­nung nach für den Tunnelanbau derzeit die Frühsorte Clery sowie als Durchkultur Elsanta oder Honeoye geeignet. Bei der Ernteverfrühung im Freiland be­gin­ne man etwa im März, den Bestand abzudecken. Aber wenn es im April/Mai bereits Tagestemperaturen von über 26 Grad Celsius gebe, reagiere die Erdbeerpflan­ze mit Stress. Daher müsse an heißen Frühjahrstagen unbedingt das Feld tagsüber freigedeckt werden. Auch sei es wichtig, den Bestand in Bezug auf Schädlinge, wie Läuse und Spinnenmilben in engen Zeitabständen zu überprüfen. Unabhängig von Anbautechnik und Sortenwahl hätten bei Erdbee­ren für den Kulturerfolg Kriterien wie Bodenstruktur, Humusversor­gung, Wasserführung und Dün­gung großen Einfluss. Bei einer Dammkultur solle der Nährstoffbedarf durch wöchentli­ches Düngen abgedeckt werden. Als Faust­zahl gelte für Stickstoff, dass im Verlauf der Vegetation ein N-Gehalt im Boden von rund 80 kg N gehalten werde und dieser möglichst nicht unter 60 kg N/ha falle. Bei der Erdbeere sei die Ka­li­um­­dün­gung wichtig, auch um Ertrags- und Qua­­litätsverluste zu vermeiden. Weiche Früchte ließen sich weiterhin durch Lüften und durch trockene Bestände oder einem „Salzschock“, beispielsweise durch eine einmalige Bittersalzgabe, verringern.

Welchen Einfluss die Frühjahrs­witterung auf die Rentabilität des Erdbeeranbaues im Wandertunnel hat, machte Linnemanns­töns außerdem deutlich. So habe eine Kosten-Leistungs-Kalkulation für die Saison des vergange­nen Jahres beim Erdbeeranbau im Tunnel (Sorte: Elsanta) einen Deckungsbeitrag von etwa 6 000 Eu­ro je ha erbracht. Im Jahr zuvor sei aber ein dreimal höherer Deckungsbeitrag mit über 18 000 Eu­­­ro je ha erzielt worden, was Lin­ne­manns­töns im Wesentlichen auf die jeweils sehr unterschiedli­che Frühjahrswitterung zurückführte. Durch das Wetter werde das Kaufverhalten der Erd­beer­kun­­­den stark beeinflusst, was direkt auf die Erlöse des Erd­beer­bau­ern durchschlage.

Mit rund 100 Teilnehmern am Vormittag und circa 130 in der Nachmit­tagsveranstaltung wurde die Fachtagung in Geisenheim von der Praxis sehr gut angenommen.

Foto: Moennig

Weitere Redner zum Thema Erdbeeren folgten. Dr. Erika Krü­­­ger-Steden von der For­schungs­an­stalt Geisenheim informierte über die Auswirkungen früh oder spät angelegter Neupflanzungen und moderierte lebhafte Diskussio­nen zu den Erdbeerfachvorträgen am Nachmittag.

Ãœber Pflanzenschutz im Son­der­kultur­anbau sprach Katrin Hetebrügge vom Arbeitskreis Erdbeeranbau beim LLH in Griesheim. Hete­brüg­ge berichtete über Pro­bleme im Erd­beeranbau aus dem vorigen Sommer, wie Frucht­fäule zu Be­ginn der Blüte und das in einigen Regionen Hes­sens starke Auftreten von Blü­ten­stecher, Thrips und Weichhaut­mil­ben. Sie teilte mit, dass Pflan­­­zen­schutz­maßnahmen in Erdbeerkul­turen mög­lichst bis zum Beginn der Blüte abgeschlossen sein sollten, um nicht im rückstandsrelevanten Bereich zu gelangen. Auch seien Wirkstoffkombinationen insbesondere beim Fungizid­einsatz ratsam, um Resistenzbil­dun­gen zu vermeiden. Auch Stro­­bilurine soll­ten möglichst nur einmal innerhalb der Spritzfolge ausgebracht werden. Beim Schneckenkorn-Produkt „Mesurol“ sei künftig der Einsatz im Freiland­anbau verboten. Die Aufbrauchfrist für Mesurol endet im Dezember 2011. Ãœber den Einfluss von Sorte und Bodenpflege auf den ernährungsphysiologischen Wert von Erdbeeren sprach Melanie Josuttis, Doktorandin an der Hochschule RheinMain/Forschungsanstalt Geisenheim.

Deutscher Spargel muss sich von Auslandsware unterscheiden

Am Vormittag ging es in den Vor­trägen rund um den Spar­gel über Anbautechniken und Verbesserungen in der Vermarktung. „Qua­­lität und Geschmack: vom Feld bis zum Kunden“ lautete ein Beitrag von Prof. Dr. Peter-Jürgen Paschold von der Forschungsanstalt Geisenheim. Das mengenmäßige Angebot an Spargel übertreffe oftmals die Nachfrage. Des­halb spiele für den Absatz die Erhaltung der Qualität bis hin zum Kunden eine wichtige Rolle, so der Fachgebietsleiter Gemüsebau an der Forschungsanstalt Geisenheim, der im März in den Ruhestand tritt. Ziel müsse bleiben, dass sich heimischer Spargel von der ausländischen Konkurrenz abhebe, um einen höheren Preis am Markt erzielen zu können. Beispielsweise sei Spargel aus Peru, der durch den Schiff­s­­­weg erst etwa nach drei Wochen in den Handel komme, dennoch äußerlich kaum vom frischen Spar­gel aus deutscher Erzeugung zu unter­scheiden. Der Geschmack sei aller­dings längst nicht mehr so gut und an Qualitätsmaßstäben wie Frische müsse deshalb der heimische Anbauer beim Verkauf seines Spar­gels ansetzen. Aufbauend auf diesen Fragen erläuterte Ralf Henning von der Universität in Han­nover seine im Auftrag der Forschungsanstalt Geisenheim gemeinsam mit den Ländern Hessen, Bayern und Niedersachsen sowie von Erzeugern und aus dem Handel finanzierten Studie zur Untersuchung morphologischer Stangenmängel. Henning berichtete, dass die Temperatur beim Auslagern von Spargel bis zum Verkauf den größten Einfluss auf Braunverfärben und Rissigkeit der Spargel-Stangen nehme. Nächstes Jahr sollen seine Ergebnisse zur Veröffentlichung kommen.

Geht es weiter mit der Mechanisierung der Ernte?

Geht es weiter mit der Mechanisierung beim Spargel? Darüber sprach Dr. Martin Geyer vom Leibnitz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB). Durch Spar­gel-Vollernter sieht Geyer eine Möglichkeit, den Kostendruck bei sinkenden Erlösen abzufangen. Insbesondere die Erntekosten schlagen zu Buche und diese würden spätestens beim nächsten wirtschaftlichen Aufschwung, wenn Saisonarbeitskräfte wieder rar und teuer würden, weiter steigen. Also müsse man sich mit der weiteren Technisierung der Ernte befassen. Bei der vollmechanischen Ernte, welche eine Totalernte sei, stelle sich die zentrale Frage: wann der geeignete Erntezeitpunkt sei. Geyer stellte dazu den Spargel-Vollernter „Kirpy“ vor. Die Maschine arbeitet sich mit zwei Sechblättern durch den Spargeldamm und schneidet alle Stangen ab. Der Erdwall wird samt der Stangen über ein Sieb gefördert. Dieses trennt den Boden vom Spargel. Im Anschluss wird der Damm wieder mit dem Gerät aufgebaut. Im Fokus seines Vortra­ges stand die Frage, wie sich mit diesem Verfahren eine vergleichsweise hohe Qualität erzielen lässt. Denn was passiert mit der Pflanze und mit dem Boden bei der maschinellen Ernte? Die Spargelpflanze wird auf einer Höhe komplett abgeschnitten, im Gegensatz zur selektiven Ernte per Hand. Auswertungen zeigten, dass bei dem Vollernteverfahren etwa ein Viertel der Stangen länger als 22 cm waren. Hingegen 40 Prozent eine Stangenlänge von weniger als 17 cm hatten. Geyer konstatierte, dass das Vollernteverfahren vereinzelt eingesetzt werden könne, bislang aber noch nicht zur breiten Praxisreife gelangt sei. Dazu seien weitere technische Fragen zu lösen. Da beim Spargel-Voll­ern­tefahren mehr Produktionsfläche benötigt werde, um die hohen Anschaffungs­kosten des Vollern­ters zu amortisieren, welche umgerechnet auf den kg Spargel nach Kirpy-Firmenangaben bei circa 15 bis 35 Cent liegen, ist seiner Ansicht nach der Einsatz eher in den neuen Bun­desländern in­teres­sant als im Westen wie im Ried, weil hier aufgrund der besonders knappen Ressource „Flä­che“ zur betrieblichen Fortentwicklung auf eine deutlich höhere Intensität je Hektar geschaut werden müsse.

Zum Abschluss des infor­ma­tions­reichen Spargel- und Erd­beerta­gs wurden die Teilnehmer zu einer Erdbeerwein-Probe mit Simone Renth-Queins, Wein­­­moderatorin im SWR-Fernsehen und frühere Deutsche Weinkönigin, eingeladen. Dazu konnten sie zwischen sechs hervorragen­den Erzeugnissen aus Südhessen wählen und die Veranstaltung im Austausch mit den Berufskollegen aus­klingen lassen. Moe