Preisrisiken bei Milch mit Terminkontrakten mindern

Weltweilte Entwicklungen haben künftig stärkeren Einfluss

Allen Marktteilnehmern bleibt die Volatilität der Preise für Milcherzeugnisse auch künftig ein ständiger Begleiter. Das verlangt den Entwurf robuster Geschäftsmodelle, um in diesem ökonomischen Umfeld weiterhin erfolgreich zu bestehen. Unter anderem können Handelsplattformen mit Terminmarktkontrakten für Milch und ihre Produkte zu mehr Stabilität für den Betrieb beitragen. Dies erläutert Joachim Ruhmann vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) aus Bad Kreuznach.

Das am Weltmilchmarkt dominierende Milchunternehmen Fonterra senkt den Milch­erzeugerpreis nicht weiter, denn die Futterfläche ist in Neuseeland, dem größten Milchexporteur der Welt, so gut wie ausgeschöpft.

Foto: Moennig

Die wirtschaftliche Lage für Milcherzeuger hellt sich 2010 nach äußerst niedrigen Auszahlungspreisen des Vorjahres auf. Mit „Geschüttelt, aber nicht gerührt“ beschreibt die Rabobank die Lage der globale Milchindustrie. Trotz erheblicher Preissteige­rungen bei Milchpulver und But­ter bleibt die Lage am Milch­markt weiter angespannt. Das fördert die Aussicht auf steigende Milchpreise im laufenden Jahr. Dies in einer Spanne von 3 bis 6 Cent/kg, bei etwa gleichbleibenden Futterkosten. Ursache dafür ist eine welt­weit ansteigende Nachfrage nach Milch und deren Erzeugnissen. Diesem Mehrbedarf folgen aber, wegen derzeit noch weitestgehend ungenügender Deckung der Produktionskosten, die Milcherzeuger nur mit einer zögerlichen Steigerung der Milch­menge.

Preiszyklus mit Höhen und Tiefen

Verursacht hat das ein bisher auch weltweit in diesem Ausmaß nicht gekannter Preiszyklus, der sich nun schließt. „Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt“ erstreckt sich dabei die Gefühlsspanne der Milcherzuger in diesem Zeitraum. Erst schossen Notierungen für alle Molkereiprodukte in die Höhe, um anschließend regelrecht zu kollabieren. Verantwortlich dafür sind wechselnde Gegebenheiten auf der Angebots- wie Nachfrageseite innerhalb der letzten beiden Jahre. So stiegen im Zeitraum von April bis Oktober 2007, die Ab-Hof-Milchpreise zunächst um 50 Prozent an. Ungünstige weltweite Wetter­verläufe führten damals zu einem Rückgang der Milch­erzeu­gung und erhöhen die Stück­kosten, so vor allem in Australien und Neuseeland. Das wiederum traf auf ein starkes globales Wirtschaftswachstum und heizte die Nachfrage nach Milch und ihren Verarbeitungserzeugnissen weiter an. Anhaltendes weltweites Bevölkerungswachstum, die zunehmende Ver­­städterung sowie in Asien die Ãœbernahme westlicher Essensgewohnheiten taten ein Ãœbriges dazu: Ein Marktungleich­gewicht war entstanden. Dazu trägt auch eine Besonderheit dieses Erzeugnisses bei: Es wird wie seine Verar­beitungsprodukte vor allem in der Region ihrer Erzeugung verbraucht. Nur etwa 6 bis 8 Prozent der globalen Milchmenge (Weizen 20 Prozent) wird auch global gehandelt, deren Preis aber dann ausschlaggebend ist. So verändert bereits ein Ungleichgewicht von nur 2 Prozent den weltweiten Han­delsumfang von Milchproduk­ten um 25 Prozent. Kann dann weltweit auf keine nennenswerten Vorräte zurückgegriffen werden, löst das erhebliche Preissprünge aus. Dies verstärken politische Eingriffe, die einen stärkeren Anstieg der hei­mischen Inflationsrate für Nah­rungsmittel verhindern sollen. Eine Einschränkung der Milch­ausfuhren in Ländern mit Milchüberschüssen soll das leisten. Selbst erhebliche Preissteigerungen bei diesen Produkten führen zu keinem Rückgang der Nachfrage nach Milcherzeugnissen. Verantwortlich dafür ist vor allem die Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro und einer Vielzahl ande­rer Währun­gen, so zum Beispiel im Zeitraum von Juli 2007 bis Juli 2008 um 15 Prozent. Da weltweit Molkereierzeugnisse in US-Dollar fakturiert werden, dämpft das den Preisanstieg um den gleichen Prozentsatz. Zudem bewirken Kontrakte der Molkereien mit dem Lebensmitteleinzelhandel, dass Preisänderungen erst zeitversetzt beim Verbraucher ankommen. Das führt zu einer Fehlbeur­teilung der Marktlage und be­stärkt Milcherzeuger weltweit in ihrer Ansicht, dass auch auf mittlerer Sicht die Milchpreise auf diesem Niveau verweilen. Dazu trägt auch die Entwicklung der Futterkosten bei, die 2007 im Verhältnis zum Milchauszahlungspreis mit 39 Prozent statt 53 Prozent nachgaben. Beide Sach­­verhalte schlu­gen sich erfreulich in der Bilanz der Milcherzeuger in ansteigen­den Gewinnen nieder. Es wuchs auch der Anreiz, Investitionen in diesem Betriebszweig vorzunehmen.

Denn 2008 schlug das Pendel in die Gegenrich­tung aus und die weltweite Milch­erzeugung nahm in dem Jahr zum zweiten Mal in Folge jeweils um 2 Prozent zu. Das schaffte ein Ãœberangebot und die Milchpreise begannen bis September 2008 um 10 Prozent abzubröckeln. Als im Oktober 2008 die globale Finanzkrise dazukam, löste das teils massive Nachfragerückgänge aus. Zeitgleich erschütterte der Mela­minskandal in China das Vertrauen der dortigen Verbraucher in alle Milchprodukte. Um 1,8 Mio. t beziehungsweise 20 Prozent auf 11,7 Mio. t sank dort im Jahresvergleich der Milchkonsum. All das beschleunigte sich zu einem Preiseinbruch, der sich 2009 auf 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausweitete. Schlimmer noch: Der Futterkostenanteil am Milchauszahlungspreis wuchs im angesprochenen Zeitraum um 13 Prozent auf 60 Prozent an, während diese auf gleicher Höhe verharr­ten. Katastrophale Ausmaße erfährt all das zusammen durch produktionstechnische Gegebenheiten in der Milcherzeugung, die eine kurzfristige Rücknahme des Angebotes nahezu ausschließen. Milchverarbeiter sehen sich in dieser Zeit bei ihren Großabnehmern, wie Bäckereien und Eiskrem­hersteller, vor dem Problem, dass diese trotz des Einbruchs der Milchnotierungen, nicht gewillt sind, ihre Rezepturen auf die alten Zutaten umzustellen. Zuvor wichen diese bei den hohen Milchpreisen auf Alternativen aus, so unter anderem auf Sojaprodukte. Gegen­wärtig eröffnen sich positive Perspektiven. Die Molkereiwirtschaft ist bereits wieder auf den Wachstumspfad eingekehrt. Mit rund 3 600 US-Dollar im Dezember 2009 hat sich die Vollmilchpulvernotierung innerhalb des letzten Jahres am Weltmarkt verdoppelt, auch der Preis für But­terfett mit 4 400 US-Dollar.

Zukunft der Milchpreise

Datengrundlage: Milchpulver Fronterra Auktionsergebnis und Basispreis Hochwald. Blaue Kurve: Milchpulverpreis, rote Kurve: Milchauszahlungspreis.

Foto: J. Ruhmann

Bleibt zu fragen, ob die Preiserholung schon ein Ende gefunden hat, da sich nach der Januarauktion von Fonterra, dem größten Exporteur von Milchprodukten weltweit, ein indifferentes Bild ergibt. Milchpulver gibt um 7 Prozent auf 3 309 US-Dollar bei dieser ersten Versteigerung 2010 nach, hingegen legt Butterfett um 4 Prozent auf 4 539 US-Dollar zu. Im Dezember 2009 ver­hielt es sich genau umgekehrt. Trotzdem bezeichnen Marktbeobachter die Lage am Milchpulvermarkt „als nach wie vor angespannt.“ Im Preisrückgang sehen diese eher eine Bewegung des Marktes hin zum Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Auch wird der Preisabschlag der Aufwertung des US-Dollar um rund 5 Prozent im Monatsvergleich zugeschrieben. Als positiv vermerkten Marktteilnehmer vor allem den weiteren Anstieg der Butterfettnotierungen nach der einmaligen Preiskorrektur im Dezember 2009. Vielmehr wird das als Zeichen für die Rückkehr, der zuvor dem Milchmarkt abgekehrten Konditoreien und Eishersteller, an­gesehen. Diese Aktivitäten haben eine große Bedeutung, weil de­ren Auktionsergebnisse als Hin­weisgeber für die künftige Preis­entwicklung gesehen werden. Ändert sich dabei die Preisrichtung in mehreren Auktionen folgen dem die hiesi­gen Milchauszah­lungspreise mit einer zeitlichen Ver­zögerung von drei bis sechs Monaten (siehe Grafik Seite 16).

Trendanalyse: plus 3- 6 Cent/kg

Aber auch zum künftigen Umfang der Preisänderung lässt sich schon etwas sagen. Das verlangt, die hiesigen Milchauszahlungs- und Milchpulverpreise ins Verhältnis zu setzen und daran eine Trendanalyse anzulegen. Daraus errechnet sich gegenwärtig eine Preissteigerungsspanne zwischen 3 und 6 Cent/kg Milch gegenüber 2009. Das mehrt einzig die Einnahmen aus dem Milchverkauf. Zur Gewinnverbesserung trägt das aber erst bei, wenn im Betrach­tungszeitraum die Kosten, vor allem die Futterkosten, nicht ansteigen. Andernfalls kommt es zur Verringerung oder gar zum Aufzehren der Mehreinahmen. Denn Futteraufwendungen schlagen mit rund 50 Prozent der Gesamtkosten zu Buche. Deren künftige Preisentwicklung soll mit Hilfe einer Standardration zur Erzeugung eines Liters Milch aus 50 Prozent Mais, 8 Prozent Sojaschrot und 42 Prozent Heu geprüft werden. Dazu werden die beiden Ackerfrüchte mit ihren Terminnotierungen von 2010 bewertet und für Heu die mittlere Notierung von 2009 angenommen. Ergebnis ist dann ein Preisrückgang von 1 Cent/kg im Jahresvergleich. Auf stolze 4 bis 7 Cent/kg Mehrgewinn summiert sich all das in diesem Betriebszweig, unter Festschreibung aller anderen Kostenstellen, wenn es dazu kommt. Unterstützt wird das auch durch die Prognosen von OECD und FAO. Diese sehen weltweit eine Zunahme des Milchverbrauchs, so um 1 Prozent für 2009, 2010: 2,4 Prozent und 2011 bis 2013 sogar jährlich jeweils um 2,8 Prozent. Demografische und kulturelle Trends unterstützen den Milchkonsum, vor allem in den Schwellenländern Russland, Brasilien, Indien und China. Gerade dort wird das Pro-Kopf-Einkommen in den kommenden Jahren, die etwa die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, besonders stark zunehmen. Gefördert wird das auch durch die wach­sende Verstädterung, die den Kauf von Milchprodukten erleich­tert. Hinzu kommen Fernsehen und Internet, die der Bevölkerung westliches Essverhalten aufzeigen und zu deren Übernahme dieser Verhaltensweisen animieren.

Südhalbkugel der Erde stagniert

Milcherzeugung weltweit und erwartete Menge 2010

Das allein können die Milchpro­duzenten auf der südlichen Halbkugel nicht mehr leisten. Nur durch Einschränkung der Schafhal­tung auf der südlichen Hauptinsel gelingt es noch Neuseeland, dem größten Milchexporteur weltweit, dem Mangel an Futterfläche beizukommen und eine Produktions­steigerung zu erzielen (Tabel­le). Das scheint zumindest nicht für das laufende Milchwirtschaftsjahr nicht mehr zuzutreffen. Denn Fonterra verzeichnet einen Rückgang der Milcherzeugung um 0,8 Prozent.

Australien sieht sich mit einem permanenten Wassermangel konfrontiert und kann seine Milcherzeugung nur auf dem derzeitigen Stand (9,4 Mio. t im Jahr 2009 nach Dairy Australia) halten. Brasilien nutzt seine Mehrerzeugung fast ausschließlich, um der steigen­den Nachfrage im eigenen Land nachzukommen. Einem geplanten Zuwachs der Milcherzeugung von nur 0,6 Prozent in den maßgeblichen Erzeugerstaaten steht ein prognostizierter Verbrauchszuwachs in Höhe von 2,4 Pro­zent gegenüber. Das untermauert die positiven Preisaussichten. Nur die EU und die USA können mittelfristig zur deutli­chen Mengenausweitung bei der Milch beitragen.

Das setzt aber ab Hof Milchpreise von 30 bis 35 Cent/kg voraus, so die Rabobank, da das den Produktionskosten in Kalifornien und Irland entspricht. In Groß­britannien und in Holland, ebenso in Deutschland liegen diese noch weitere 15 bis 20 Prozent da­rüber. Das begrenzt die Zunahme des globalen Angebots bis min­destens Mitte 2010, so die Rabobank. Da­zu tragen auch die Schlacht­prämien in den USA für Kühe bei. Als Damoklesschwert für die Preisentwicklung 2010 er­weisen sich aber weiterhin die hohen Vorräte an Milchpulver und Butter in der EU – ein Erbe der globalen Finanzkrise.

Neuseeland will nach den USA bereits im Laufe dieses Jahres mit Terminkontrakten für Milcherzeugnisse beginnen. Dabei sollen die Auktionen von Fonterra zu einem solchen Terminmarktkontrakt weiterentwickelt werden. Ebenfalls laufen Vorbereitungen, solche Kontrakte auch an der Rohstoffbörse LIFFE (London Inter­national Financial Futures Exchange) zu platzieren. Das soll die Marktransparenz verbessern und den Marktteilnehmern ein Werkzeug an die Hand geben, um das wachsende Preisrisiko besser zu beherrschen.