„Haltet vernünftige Böcke“
Zweiter hessischer Ziegentag fand in Wiesbaden statt
„Fast 20 000 Ziegen gibt es in Hessen, das ist kaum weniger als in den ungleich größeren Nachbarländern Niedersachsen und NRW. Unter den gehaltenen Nutztieren sei die Ziegenhaltung sogar „die einzige Sparte, wo die Zahlen kontinuierlich zulegen,“ so Hessens Zuchtleiter Willi Müller-Braune. Das Interesse an der Ziegenhaltung in Hessen wächst, und so konnte auf der Domäne Mechtildshausen (bei Wiesbaden) und dem dazu gehörenden Hofgut Gassenbach (Idstein) kürzlich zum zweiten Mal ein hessischer Ziegentag mit Fachvorträgen und Betriebsbesichtigungen stattfinden.
Elektronische Kennzeichnung
Dr. Thomas Fröhlich, Tierseuchenreferent im Hessischen Ministerium für Umwelt, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) informierte die Teilnehmer des 2. Hessischen Ziegentages über Aktuelles zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung. „Im Grunde ist nicht viel neu“, meinte Fröhlich, geändert habe sich eigentlich nur: Eines von zwei vorgeschriebenen Kennzeichnungsteilen muss jetzt elektronisch sein. Ein Lesegerät dafür sei im Herkunftsbetrieb nicht vorgeschrieben, abgelesen wird die elektronische Marke erst am Bestimmungsort des Tieres. Das bedeute auch: Wenn CC-Kontrolleure auf einen Ziegenhof kommen, müssen sie ein Lesegerät selbst mitbringen. Es muss bei Weitem nicht jedes Tier elektronisch gekennzeichnet werden. „Wir haben Änderungen nur bei Zuchttieren und im grenzüberschreitenden Handel“. Fröhlich schätzt die Zahl der Zuchttiere bundesweit auf eine halbe Million Schafe und Ziegen, das wären knapp 20 Prozent der Bestände. Karl-Heinz Klee, Vorsitzender der hessischen Ziegenzüchter, ergänzte: „Mit Zuchttieren ist mehr gemeint als Herdbuchtiere.“ Zu den Zuchttieren zählten unter Umständen auch „die Rasenmäher hinter dem Haus, die sich irgendwann vermehren,“ so Fröhlich. Für alle anderen bleibt die vereinfachte Kennzeichnung mit einer Ohrmarke – dem weißen BeÂstandskennzeichen für Schlachttiere – unverändert erhalten, sofern die Tiere Deutschland nicht verlassen. „National müssen Sie mit Elektronik nichts machen,“ versicherte Fröhlich.
Das zweite Thema, über das Thomas Fröhlich die Ziegenhalter informierte: Blauzungenkrankheit und künftige freiwillige Impfung. Hier stellt sich die Situation bei den Ziegen ganz anders dar als bei den Schafen. Gab es 2007 in Hessen fast 6 000 verendete Schafe und 1 000 Rinder, fielen der Seuche selbst in diesem schlimmsten Blauzungenjahr nur 40 Ziegen zum Opfer. So belastete die Blauzungenkrankheit die „Ziegenkasse“ innerhalb der Hessischen Tierseuchenkasse (HTSK) nur mit 1 080 Euro (insgesamt kostete die Blauzungenkrankheit die HTSK bislang 800 000 Euro). „Es hat Sie nicht so reingerissen wie die Schafe“, sagte Fröhlich, „die Ziegen scheinen eine gewisse Resistenz gegen BTV 8 zu haben“. Welche Impfstoffe gibt es für Ziegen? Formell gesehen: überhaupt keine, denn für die beiden Impfstoffe auf dem Markt wurde gar keine Zulassung für Ziegen beantragt. Helmuth Lange, Berater beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), sieht darin kein größeres Problem. Auch bei anderen Medikamenten sei in dem Fall die „Umwidmung“ der Zulassung vom Schaf auf die Ziege möglich, sodass auch die Ziegen mit Impfstoff gegen Blauzunge versorgt sind. Dr. Fröhlich mahnÂte die Tierhalter, eine offenbar nicht bekannte Vorschrift einzuhalten: „Die Freiwilligkeit der Impfung ändert nichts an der Meldepflicht“, innerhalb von acht Tagen müssen dem Veterinäramt Datum und verwendeter Impfstoff mitgeteilt werden. Das AngeÂbot des Landes, RestbestänÂde aus der letzten PflichtÂimpfung kostenlos an Schäfer und Ziegenhalter zu verteilen, haben die Halter von insgesamt 5 000 Ziegen angenomÂmen, das entspricht einem Viertel des Bestandes in Hessen. Bei den Schäfern erreichÂte die Beteiligung mit 72 000 Tieren etwa 40 Prozent des Bestandes.
Q-Fieber bei Ziegen
Wann Nachsaat durchführen?
Was tun, wenn die Pflanzengesellschaft der Weide sich nachteilig verändert? Neff empfiehlt NachÂsaat, wenn die Narbe mehr als 20 Prozent Fehlstellen aufweist. Die Kosten für Saatgut und Maschinen sind dabei niedrig und die nachgesäte Weide liefert ohne größere Unterbrechung weiterhin Futter, die alte Narbe bleibt ja erhalten. Allerdings muss sich die aufkeimende Neusaat gegen die Konkurrenz der Altnarbe durchsetzen können. Nicht alle schaffen das - Weißklee, die typische Weideleguminose, ist deshalb nicht zur Nachsaat geeignet. Ideale Zeit für eine Nachsaat ist der Hochsommer. Wenn im Juli der Futterzuwachs zurückgeht, ist auch die Konkurrenz der Altnarbe schwächer und „diese Zeit kann man zur Weideverbesserung nutzen“. Bei der Wahl des Grases pläÂdiert Neff unbedingt für Deutsches Weidelgras mit seiner guten Konkurrenzkraft in der Jugend. Die Frage bei der Nachsaat sei: „Geht Weidelgras oder aus welchen Gründen geht es nicht?“ Ein Grund kann zum Beispiel Nässe sein, auf solchen Flächen sollte man auf Wiesenlieschgras ausweichen, das längere Ãœberstauung gut übersteht. Im entgegengesetzten Fall – der Standort ist zu trocken für Weidelgras – sollte die Nachsaat mit Knaulgras erfolgen. Vorsicht empfiehlt Neffe beim Umbruch der Fläche und kompletter Neusaat, denn „Neuansaaten sind aufwendig und riskant,“ und viel schwieriger umzusetzen, als ein Feld mit Getreide zu bestellen.
Gegen Ampfer auf der Weide helfe vor allem: „Früh im Jahr schneiden“ und keinesfalls die Blüte abwarten, denn „schon drei Tage nach der Blüte werden die Samen notreif“. Bleibe der Schnitt dann auf der Weide liegen, sei das „Ampfervermehrung ohnegleichen“, spät geschnittenen Ampfer solle man besser komplett von der Fläche entfernen. Gegen Ampfer gibt es auch wirksame Herbizide, aber „Ziegenhaltung und Herbizide gehören nicht unbedingt zusammen,“ so Richard Neff vom LLH. Eine Aussage übrigens, der die Teilnehmer des 2. Hessischen Ziegentages deutlich zustimmten. Mancher bezweifelte allerdings, ob Ampfer wirklich ein Problem auf der Ziegenweide ist. Alexander Kolb, der in Selters (Taunus) eine kleine Mischlingsherde Thüringer Wald Ziegen hält, meinte: „Bei mir fressen die Ziegen den Ampfer problemlos weg.“
Gesunder Ziegennachwuchs
Dr. Henrik Wagner, Tierarzt an der Universität Gießen, hielt auf dem Ziegentag den Vortrag: „Vom Decken bis zum Zicklein – die wichtigsten Aspekte für gesunden Ziegennachwuchs“. Um Inzucht zu vermeiden, sollte das Vatertier als Rassebock vom Züchter oder von der Auktion kommen. Dabei gehe es vor allem um die Information: „Sie haben die Herkunft und die Leistungsparameter“. Bei einem Bock „vom Nachbarn“ erfahre man darüber in der Regel nichts. Damit riskiere man Inzucht mit Leistungsdepression und Organmissbildungen, in den meisten Fällen merkten es die Halter zuerst an Fehlstellungen im Gebiss. Den Bock für die Nachzucht solle man nicht nur genau ansehen, sondern auch die Hoden abtasten, denn zwischen drei und elf Prozent der Jungböcke hätten klinische Veränderungen im Bereich der Hoden und Nebenhoden. „Für den Laien ist das witzig, für den Züchter bitterernst“, sagt Wagner. Achten solle man auf Verschmutzungen am Hodensack, weil sie die Temperaturregulation der Spermien beeinflussten und schließlich solle der Bock besonders während Paarungssaison den typischen Geschlechtsgeruch aufweisen.
Auf dem Ziegentag wurde auch diskutiert, ob die künstliche Besamung bei Ziegen zu empfehlen sei. Henrik Wagner meinte, der zu erwartende Zuchtfortschritt sei eher gering, während Hessens Zuchtleiter Willi Müller-Braune warnte, es mache keinen Sinn, Sperma aus aller Welt zu importieren, einen Experten die Besamung vornehmen zu lassen und am Ende sei die Befruchtung doch schlecht. Müller-Braunes Meinung: „Haltet lieber vernünftige Böcke.“ Schlag