Schweinehaltung steht vor großen Herausforderungen
Schweinemarkt – Wohin geht die Reise?
„Eigentlich ist dies ein ungewöhnlicher Auftritt für mich, da ich heute keinen agrarpolitischen Vortrag halten werde, sondern Ihnen die Perspektiven und Anforderungen an die Veredelungswirtschaft der Zukunft am Beispiel des Schweinemarktes aufzeigen werde.“ Mit diesen Worten eröffnete Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbandes in Baden-Württemberg seinen Gastvortrag anlässlich des 17. Vieh- und Fleischtages Rheinland-Pfalz, der kürzlich in Bitburg stattfand.
Weit über 200 Landwirte lauschten dichtgedrängt den Ausführungen des Standesvertreters. „Als die Finanzkrise vor eineinhalb Jahren kam, dachten viele Landwirte, dass sie als Erzeuger von den Auswirkungen verschont blieben“, so Rukwied. Leider sei es aber anders gekommen, und die gesamte Landwirtschaft leide wie andere Branchen ebenfalls stark unter den Folgen der Krise.Export sank
So seien die Exporte von Schweinefleisch, unter anderem nach Russland, in die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) und Asien zurückgegangen. Aufgrund der starken Abwertung osteuropäischer Währungen sei es teils zur „Kreditklemme“ und verlegten Zahlungszielen gekommen. Die Exportkosten seien wegen der verteuerten Kreditausfallversicherungen gestiegen. Hinzu komme, dass der „starke Euro“ die Kosten für Ausfuhren in Drittländer ebenfalls erhöht habe. Besonders schwierig für den heimischen Schweinefleischmarkt sei die zunehmende Verlagerung der Konsum-Nachfrage auf preisgünstige Produkte. Der Verkauf an Edelteilen im In- und Ausland sei im Jahr 2009 sehr stark rückläufig gewesen.
Als Folge des Marktdrucks habe man die Zahl der Schweineschlachtungen in der EU deutlich gedrosselt. „Nur in Deutschland sind die Schlachtzahlen mit plus 2 Prozent wieder hochgefahren worden“, zitierte Rukwied neueste Ergebnisse der AMI. „Bei uns ist die Schweinefleischproduktion trotz Wirtschaftskrise weiter auf Expansionskurs, für 2010 erwarten Marktexperten eine Erzeugung von etwa 57,4 Mio. Schlachtschweinen“, sagte Rukwied. Doch wo sind die Märkte der Zukunft?
Man beobachte im europäischen Durchschnitt insgesamt eine Seitwärtsbewegung, der Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch werde nicht zunehmen. Eine Ausnahme bilden die neuen EU-Staaten, wo ein Anstieg zu beobachten sei.
In Deutschland überschreitet das Angebot an Schweinefleisch die Nachfrage deutlich. Einem Verbrauch von rund 4,35 Mio. Tonnen pro Jahr steht eine eigen erzeugte Menge plus Import von 6,45 Mio. Tonnen Fleisch gegenüber. „Das bedeutet einen Ãœberschuss der Produktion von 40 Prozent“, zeigte Joachim Rukwied anhand aktueller Auswertungen auf. „Wir sind also essentiell auf den Export von Schweinefleisch angewiesen. Deutschland ist mehr denn je ein Netto-Exporteur.“
Produktionsüberschuss
Um den Export anzukurbeln, seien Verbesserungen vor allem in den Bereichen „Hygiene-Standards“ und „Biosicherheit“ notwendig. Am Beispiel Asien machte Rukwied deutlich, wie streng die Anforderungen in diesen beiden Sektoren für die Einfuhr von Schweinefleisch sind. „Darauf müssen sich unsere Schlachtbetriebe dringend einstellen.“
Denn es gebe auf dem globalen Markt zahlreiche Mitbewerber um den Export von Schweinefleisch. So stocke beispielsweise Russland seine Produktion mit Unterstützung der Regierung auf. Auch in Brasilien „boome“ die Erzeugung, was für einen erheblichen Mengendruck auf dem Markt sorge.
Die zukünftige Anforderung für Deutschland sei die Öffnung der Drittlandsmärkte. Japan und China seien die Abnehmer der Zukunft, vor allem für Nebenprodukte wie Ohren, Füße oder Herzen. Hohe Hygienestandards, wie in Dänemark, seien für den Marktzugang zwingende Voraussetzung. „Hier sind uns die Dänen noch voraus, da müssen wir nacharbeiten“, forderte der Standesvertreter. Wichtig sei in diesem Rahmen auch der Aufbau von Geschäftsbeziehungen durch Fachpersonal vor Ort in den jeweiligen Ländern, um sprachliche und kulturelle Barrieren abzubauen.
Vertikale Produktion stärken
„Aufgrund der Wettbewerbssituation auf den globalen Märkten steigen auch die Anforderungen an unsere heimische Produktion“, sagt Rukwied. Ziel müsse es sein, die Produktionskosten in den Betrieben weiter zu optimieren und damit die Kostenführerschaft anzustreben. Unerlässlich dafür sei der Einsatz von Genetik mit hohem Leistungspotenzial. Wichtig sei zudem die Stärkung der so genannten vertikalen Kooperation in der gesamten Produktionskette, wie dies in anderen Ländern schon längst Standard sei. Auch ein einheitliches, überzeugendes Marketingkonzept für deutsches Schweinefleisch und Lebendtiere fehle bislang. Hier müsse deutlich nachgebessert werden, forderte der Bauernpräsident.
Als Entwicklungsstrategien für kleiner strukturierte Ferkelerzeuger-Betriebe, wie etwa in Rheinland-Pfalz, zeigte der Landwirt verschiedene Wege auf, um auch zukünftig am Markt bestehen zu bleiben. „Voraussetzung ist in allen Beständen, egal welcher Größenordnung, dass die Leistungen und die Tiergesundheit sich auf einem hohen Niveau bewegen“, stellte Rukwied vorab klar.
Der Einstieg ins geschlossene System mit eigener Mast stelle auch bei Marktschwankungen eine stabile Betriebsform dar. „Auswertungen zufolge sind die Erlöse in solchen Systemen nachhaltig auf einem höheren Niveau.“ Die zweite Möglichkeit sei der Direktbezug in Zusammenarbeit mit kleineren oder mittleren Mastbetrieben. Dies gewähre Absatzsicherheit, eine Senkung der Vermarktungskosten, einen intensiven Informationsaustausch sowie hygienische und gesundheitliche Vorteile sowohl für den Mäster als auch für den Ferkelerzeuger.
Der dritte Weg, Wachstum in großen Schritten und Spezialisierung auf die Sauenhaltung, sei derzeit vor allem in den nördlichen Bundesländern zu beobachten. Die Vorteile dieser Vorgehensweise sei die Möglichkeit der Stückkostendegression, der effizienteren Bündelung der Arbeitsabläufe, des professionelleren Managements sowie die konsequente Umsetzung des technischen Fortschritts, einhergehend mit höheren biologischen Leistungen. Demgegenüber stehe häufig ein höheres finanzielles Risiko, weil viele Wachstumsschritte mit einem hohen Anteil Fremdkapital getätigt würden. Im Rahmen eines vorausschauenden Risikomanagements sollte bei Investitionsplanungen ein Eigenkapitalanteil von etwa 30 Prozent als Basis dienen. „Außerdem ist eine ständige Liquiditätskontrolle unerlässlich“, so Joachim Rukwied.
Eine weitere Möglichkeit, um die Chancen am Markt zu verbessern, sei Wachstum durch Kooperation mit anderen Betrieben. „Dies soll ein Denkanstoß sein. Wir sollten uns dafür öffnen, das geschieht meines Erachtens noch viel zu selten.“
Klimaschutz und Gentechnik
In seinem Vortrag machte Rukwied deutlich, dass künftig auch gesellschaftliche Themen Einfluss auf die gesamte Veredelungsbranche nehmen, sowohl bei der Erzeugung und Vermarktung von Schweinefleisch als auch für die Milchproduktion. Dabei gehe es vor allem um drei Bereiche: Tierschutz, Gentechnik und Klimawandel.
„Die Ansprüche der Verbraucher steigen und haben sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich gewandelt“, sagte er. Während in den 80er Jahren vor allem der Genuss und Fleischqualitätsparameter diskutiert worden seien, seien in den 90er Jahren Themen wie Gesundheit und Verbraucherschutz in den Fokus gerückt. Heute stünden die Bereiche Ethik, Tiergesundheit oder Kastrationsverzicht ganz oben auf der Liste des Diskussionsstoffes rund um die Schweinefleischerzeugung.
Bezüglich der derzeit stark thematisierten Ebermast mahnte der Berufsvertreter zur Vorsicht. „Es darf keine Marktspaltung geben, das wäre fatal. Außerdem brauchen wir ein Risikomanagement. Dazu gehört eine technisch ausgereifte Lösung zum Nachweis von Ebergeruch.“
Den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen dürfe man sich nicht verschließen, sondern müsse in die Offensive gehen. Bezüglich der Thematik „Gentechnik“ regte Joachim Rukwied zum Nachdenken an, ob die Transparenz und der Grundsatz der Wahrheit gegenüber dem Verbraucher mit dem Label „Ohne Gentechnik“ tatsächlich ausreiche oder ob die Diskussion künftig noch ehrlicher debattiert werden müsse.
Ein Schlagwort der Zukunft sei die „Nachhaltigkeit“ der Produktion. Dies gelte sowohl für die Ökonomie als auch für die Ökologie. Die Definition des Begriffes sei allerdings derzeit noch nicht eindeutig abgegrenzt, weil dieser in vielen Bereichen, zum Beispiel bei Lebensmitteln ohne weitere Inhalte verwendet werde. „Wichtig ist eine einheitliche Definition. Nachhaltigkeit sollte aus unserem Berufsstand heraus aktiv definiert und offen kommuniziert werden.“
Seitens der Politik müssten in Deutschland Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe erhalten bleibe. Über die EU-Vorgaben hinausgehende erhöhte Umwelt- oder Haltungsauflagen führten zu höheren Produktionskosten und somit zu einer Schwächung der heimischen Veredelungswirtschaft.
Die Schweinefleischbranche sei künftig gefordert, aktiver an einem einheitlichen Marketingkonzept für die hochwertigen Erzeugnisse aus deutschen Betrieben zu arbeiten. „Das braucht aufgrund der föderalistischen Gegebenheiten in unserem Land zwar Zeit. Aber Ziel muss es sein, dass wir insgesamt schlankere und gleichzeitig schlagkräftigere Strukturen schaffen.“ str