Erste Säule nicht in Frage stellen

HBV-Präsident Schneider zur künftigen EU-Agrarpolitik

Angesichts des Endes der laufenden Finanzperiode wird seit geraumer Zeit über die künftige Gemeinsame Europäische Agrarpolitik diskutiert. In den letzten Wochen machten Vorschläge von einigen Bundesländern die Runde. Das LW hat den Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes (HBV), Friedhelm Schneider, zur aktuellen Diskussion befragt.

HBV-Präsident Friedhelm Schneider

LW: Im Hinblick auf die Agrarförderung auf Europäischer Ebene nach 2013 wird von einigen Bundesländern eine Aufgliederung der Ersten Säule in eine Basisprämie und eine Zusatzprämie für besondere Umweltleistungen vorgeschlagen. Was halten Sie davon?
Friedhelm Schneider:
Im Prinzip befassen sich die Länder mit einem Nebenkriegsschauplatz. Es muss bei der Diskussion zunächst um das Gesamtbudget für die EU-Agrarpolitik gehen und um die Verteilung zwischen den einzelnen EU-Generaldirektionen. Ich finde es von den Ländern taktisch unklug, jetzt mit solch weitgehenden Vorschlägen vorzupreschen, weil Deutschland dann bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene noch mehr anbieten muss. Die Höhe der Zahlungen steht sowieso schon durch die Forderungen der neuen EU-Mitgliedstaaten nach einer Angleichung unter Druck. Außerdem gibt es Bestrebungen, bisherige Agrargelder für andere Politikfelder auszugeben. Würden Direktzahlungen neben Cross Compliance jetzt noch an zusätzliche Bedingungen geknüpft, hätte dies nicht akzeptable Verluste für die Landwirtschaft zur Folge. Denn zusätzliche Auflagen wie etwa eine Flächenstilllegung kosten Geld. Agrarumweltprogramme gehören in die Zweite Säule und sollten dort bleiben.

LW: Was steckt nach Ihrer Meinung hinter diesen Vorschlägen?
Schneider:
Die Umweltprogramme werden bislang von den Bundesländern ausgestaltet und gemeinsam mit der EU und gegebenenfalls mit dem Bund finanziert. Ich gehe davon aus, dass die prekäre Finanzlage der Länder, die Minister, übrigens nicht die hessische Ministerin, verleitet, diese Programme in die nur von der EU finanzierte Erste Säule zu schieben. In Schleswig-Holstein wurde ja aufgrund des knappen Haushalts schon die Agrarinvestitionsförderung eingestellt.

LW: Sie hatten die Forderungen der neuen EU-Mitglieder nach einer Angleichung der Direktzahlung angesprochen. Wie stehen Sie dazu?
Schneider:
Angesichts des unterschiedlichen Lohn- und Kaufkraftniveaus müssen die Flächenzahlungen in der EU auf absehbarer Zeit zwischen den Mitglied­staaten angemessen differenziert werden.

LW: Wie muss nach Meinung des Hessischen Bauernverbandes die künftige Gemeinsame Agrarpolitik ausgerichtet sein?
Schneider:
Der Erhalt der Ersten Säule mit den Direktzahlungen darf in der Diskussion um die künftige Europäische Agrarpolitik nicht in Frage gestellt werden. Cross Compliance muss vereinfacht und auf repräsentative Kriterien konzentriert werden. Außerdem wollen wir, dass die Modulation abgeschafft wird. Um einen fortgesetzten Verteilungsstreit zwischen der Ersten und Zweiten Säule der Agrarpolitik zu beenden, ist nach unserer Überzeugung eine klare politische Entscheidung über die finanzielle Ausstattung der beiden Säulen bis zum Ende der Finanzierungsperiode im Jahre 2020 unverzichtbar.

Außerdem brauchen wir wegen der hohen Weltmarktrisiken für die Agrarmärkte und der Ungleichgewichte im Binnenmarkt gegenüber einem konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel weiterhin Sicherheitsnetze in Form von staatlicher Intervention, Marktentlastungsmaßnahmen sowie einen angemessenen Außenschutz in der EU. Dies muss allerdings WTO-konform sein. In der zweiten Säule muss sich die Förderpolitik auf die Landwirtschaft konzentrieren. Notwendig sind hier vor allem eine attraktiv ausgestattete Investitionsförderung, die Sicherung der flächendeckenden Landbewirtschaftung durch die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete auf Grundlage der Landwirtschaftlichen Vergleichszahl und eine bessere Honorierung von Agrarumweltmaßnahmen.

Besonders wichtig ist, dass die Direktzahlungen in ihrer jetzigen Form und auch in ihrer Höhe erhalten bleiben. Für die hohen Standards in Natur-, Tier- und Umweltschutz sowie für preiswerte Lebensmittel müssen die Europäer lediglich 0,4 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens ausgeben. Die Versorgungssicherung der 500 Mio. Menschen in der EU mit hochwertigen und heimischen Lebensmitteln muss für die Europä­ische Union auch in Zukunft eine strategische Aufgabe sein.

LW: Das von-Thünen-Institut und Professor Schmitz vom Wissenschaftsrat, der die Bundesregierung berät, sehen das aber anders. Sie fordern die Abschaffung der Direktzahlungen. Laut ihren Aussagen lassen sich durch die höheren Standards nur geringe Zahlungen je Hektar rechtfertigen. Wie sehen Sie das?
Schneider:
Für diese Sichtweise habe ich kein Verständnis. Ein Wegfall der Betriebsprämien würde landwirtschaftliche Betriebe und ländliche Räume zerstören. Eine Studie, die von der Kommission in Auftrag gegeben wurde (siehe S. 6), zeigt deutlich, dass im Falle eines umfangreichen Abbaus der Direktzahlungen die europäischen Landwirte empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssten, selbst wenn die Mittel für die ländliche Entwicklung verdoppelt würden. Bei einer vollständigen Abschaffung der Ersten Säule einschließlich der Marktmaßnahmen würden die Einkommen im Ackerbau um mehr als 30 Prozent und in der Viehhaltung um mehr als 60 Prozent sinken. Die Folgen wären ein Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe bis 2020 um rund ein Viertel in den alten EU-Ländern und ein noch stärkerer in den neuen Beitrittstaaten. Außerdem würden sich laut der Wissenschaftlicher die landwirtschaftler Produktion noch stärker auf wenige Gunstgebiete konzentrieren und große Gebiete aufgegeben. Wer kann das wollen? Die Fragen stellte Cornelius Mohr