Arbeitskräftelandschaft im Wandel

BWV-Info Seminar informierte Landwirte und Winzer

Zahlreiche Landwirte und Winzer informierten sich kürzlich beim Seminar des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd im Haus der Landwirtschaft in Alzey über die Rahmenbedingungen zur Beschäftigung von Arbeitskräften (AK) im Jahr 2010. Lesen Sie hier über die Neuregelungen bei der Beschäftigung von fest angestellten Arbeitskräften und Saisonarbeitskräften.

Im Vergleich zu Saisonarbeitskräften, fallen bei festangestellten Mitarbeitern neben dem vereinbarten Bruttolohn weitere Kosten an wie Arbeitgeberabgaben und Urlaubsgeld.

Foto: Setzepfand

Neben den üblichen Neuerungen im Bereich der Saison-Arbeitskräfte war zusätzlich der ständig wachsende Anteil der festangestellten Mitarbeiter Schwer­punkt des vom Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV) veranstalteten Seminars.

Freizügigkeit für polnische Arbeitskräfte

Zum Einstieg sprach Wolf-Egon Kalbe vom BWV Neustadt/Weinstr. (www.bwv-rlp.de) das Auslaufen der Freizügigkeitsbeschränkung für polnische Arbeitskräfte (AK) zum 1. Mai 2010 an. Ab diesem Datum könnten polnische Staatsangehörige in allen Branchen arbeiten, die Begrenzung auf ausgewählte Bereiche, wie die Landwirtschaft oder Gastronomie, werde dann gestrichen. In der Folge sei ein verstärkter Wettbewerb um motivierte und leistungsfähige Kräfte aus Polen zu erwarten.

Aufgrund des späteren EU-Beitritts von Rumänien und Bulgarien trete nach derzeitiger Planung die völlige Freizügigkeit für AK aus diesen Ländern für den 1. Januar 2014 ein. Bis dahin müsse man weiter Einladungen für rumänische und bulgarische AK über die Arbeitsagenturen einreichen. Polnische AK seien dagegen nur noch bis Ende April 2011 über die Arbeitsagenturen einzuladen. Auch sei die Begrenzung der einzelbetrieblichen Saison-AK-Kontingente für Mitarbeiter aus Polen dann hinfällig. Dagegen änderten sich die komplizierten Bestimmungen im Bereich der Sozialversicherung leider nicht wesentlich.

Sozialversicherung bleibt kompliziert

Es bleibe daher unverzichtbar, von jeder Saison-AK vor Beginn eines jeden Arbeitsabschnittes aussagefähige Unterlagen über deren Beschäftigungs- und Versicherungsstatus im Heimatland einzufordern. Es sei darüber hinaus festzustellen, dass die staatliche Sozialversicherung in Polen (ZUS) ihr vorliegende Informationen über Arbeitsverhältnisse polnischer Bürger in Deutschland der letzten Jahre mehr und mehr aufarbeite und teilweise die deutschen Arbeitgeber mit Auskunfts- oder Beitragsforderungen konfrontiere. Insgesamt gesehen sei es durch die in jedem Herkunftsland unterschiedlichen Beitragssätze zwischenzeitlich für viele Betriebe fast unmöglich, immer den aktuellen Rechtsstand fehlerfrei anzuwenden. Insbesondere, wenn im gleichen Betrieb AK aus Polen, Rumänien und vielleicht auch Bulgarien zum Einsatz kämen.

Erwähnt wurden Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls in Rheinhessen im Januar und Februar in den Weinbergen. In vielen Gemarkungen entlang der Autobahn A 61 seien Saison-AK beim Rebschnitt kontrolliert worden, ob Schwarzarbeit vorliege. Auch auf die Kosten bei der Beschäftigung von Saison-AK wurde kurz eingegangen. Die Saison-AK-Löhne von 5,95 Euro/Std. brutto ab 2010 führten bei Abführung der gesetzlichen Sozialabgaben zu effektiven Kosten für den Arbeitgeber von 7 bis 9 Euro/Std. Zu empfehlen sei daher die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unterkunfts- und Verpflegungskosten. Hingewiesen wurde zudem auf die sogenannte Hilfskräfteregelung, wonach seit einigen Jahren unter bestimmten Umständen und nach Arbeitsmarktprüfung aus den Beitrittsländern stammende AK fest und durchgehend für ein ganzes Jahr angestellt werden könnten.

Arbeitsverträge immer schriftlich

Über die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen berichtete der Justiziar des BWV, Joachim Schneider. Es gebe verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung von Arbeitsverträgen, sie könnten befristet oder unbefristet sowie in Absprache mit den Arbeitnehmern mit einer flexiblen Arbeitszeitregelung ausgestaltet werden. Da laut Vorgaben des Gesetzgebers der unbefristete Arbeitsvertrag die Regel sei, sei bei befristeten Verträgen zwingend auf eine schriftliche Darlegung zu achten.

Man könne alternativ einen kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund vereinbaren – auf ein bis zwei Jahre – oder ein zweckbefristeten Arbeitsvertrag mit Sachgrund, zum Beispiel bis zum Ende der Saisonarbeit Rebschnitt. Bei Stellenausschreibungen in der Tages- oder Fachpresse seien das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) und das Diskriminierungsverbot zu beachten, um sich vor Schadensersatzansprüchen unterlegener Bewerber zu schützen. Schneider riet dazu, den Arbeitsvertrag grundsätzlich vor Arbeitsbeginn unterschreiben zu lassen. Ansonsten laufe man Gefahr, dass wesentliche Regelungen, wie eine Befristung im Streitfall vor Gericht nicht anerkannt würden.

Beim Ausfüllen des Arbeitsvertrages werde zudem empfohlen, die Arbeitsplatzbeschreibung möglichst allgemein zu formulieren, um das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht einzuschränken. Hingewiesen wurde weiterhin auf die rechtlich verpflichtende Zusatzversorgung über das „Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft“ (www.zla.de). Bei Arbeitsverhältnissen über sechs Monate müssten 5,20 Euro/Monat für alle rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und Azubis (mit Ausnahme der Elternlehre) abgeführt werden. Daraus entstünde bei Erfüllung der Wartezeit und ausreichender Dauer der Beitragszahlung bei Beginn des Bezugs der gesetzlichen Altersrente eine kleine Zusatzrente.

Kündigungen sind manchmal nötig

Da aber leider nicht immer alles glatt laufe bei der Beschäftigung von Mitarbeitern, wären hin und wieder auch Kündigungen notwendig. Wichtig sei hier der Zugang der schriftlichen Kündigung. Zuvor müsse man sich allerdings informieren, welche Kündigungsfristen gelten und ob es gegebenenfalls tarifvertragliche Regelungen gebe, die einzuhalten seien.

Schneider erläuterte auch die Grundlagen des landwirtschaftlichen Tarifvertrages für Rheinhessen und die Pfalz. Nachdem dieser im letzten Jahr aufgespalten worden sei in einen Tarifvertrag für Saison-AK und einen Tarifvertrag für dauerhaft beschäftigte AK, sei letzterer zum 31. März 2010 von der zuständigen Gewerkschaft IG BAU (Bauen-Agrar-Umwelt) gekündigt worden. Dort stünden nun also neue Tarifverhandlungen an. Der Tarifvertrag für landwirtschaftliche Saison-AK bestehe dagegen weiter. Die Eingangs-Lohnstufe für Saison-AK 1 liege in 2010 bei 5,95 Euro/Std. brutto, für 2011 seien 6,40 Euro/Std. brutto tarifvertraglich vereinbart.

Mitarbeiter finden und binden

Über Grundlagen der Mitarbeiterführung referierte Helma Ostermayer. Wichtig sei zunächst einzelbetrieblich festzulegen, was der Mitarbeiter aus einzelbetrieblicher Sicht zwingend können müsse und was Kann-Anforderungen seien. Sie plädierte für eine fundierte Planung der Arbeitsschritte im Betrieb, da sich die Beschäftigung fester Mitarbeiter häufig auf den gesamten Betriebsablauf auswirke, insbesondere bei Familienbetrieben. Dazu gehörten klar abgegrenzte Zuständigkeiten und Weisungsrechte ebenso wie Absprachen darüber, wann und wie ein Informationsaustausch stattfindet.

Es sei etwas anderes, ob man eine Saisonkraft für sechs Wochen und eine genaue umrissene Tätigkeit einsetze oder einen festen Mitarbeiter über 12 Monate im Jahr in den kompletten Betriebsablauf mit den verschiedensten Herausforderungen integrieren müsse. Neben den Anweisungen sei zudem eine angemessene Kontrolle der Arbeitsergebnisse incl. zeitnaher Rückmeldung unerlässlich. Alles in allem sei Führungskompetenz in erster Linie Sozialkompetenz. Man müsse stets im Blick haben, dass der Mitarbeiter „auch nur ein Mensch“ sei und eigene Bedürfnisse und Vorstellungen habe.

Sozialabgaben, Urlaub und Feiertage

Die Kosten festangestellter Mitarbeiter wurden von Burkhard Grünewald von der LBR Steuerberatung Alzey (www.lbr-steuerberatung.de) dargelegt. Bis auf einige Ausnahmen würden die gesetzlichen Sozialabgaben je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Insgesamt fielen zirka 42 Prozent an, die sich direkt auswirkten auf die effektiven Kosten der einzelnen geleisteten Stunden.

Bei Betrachtung eines Fallbeispieles mit einem Std.-Lohn von 11 Euro brutto ergebe sich ein monatlicher Bruttolohn von rund 1.900 Euro (40 Std. pro Woche führen im Jahresschnitt zu ca. 174 Std. pro Monat). Inklusive der Arbeitgeberabgaben von 430 Euro entstünden für den Arbeitgeber somit Gesamtkosten von 2 300 Euro im Monat. Auf die Stunde umgerechnet ergebe dies 13,40 Euro/Std. inklusive Arbeitgeber-Abgabe (siehe Tabelle 1, diese sind ausschließlich in der LW-Ausgabe 12, S. 13 zu lesen).

Viele würden jedoch die vom Arbeitgeber zu bezahlenden „toten Nebenzeiten“ außer Acht lassen wie Urlaub, gesetzliche Feiertage oder das Krankheitsrisiko. Rechne man die im landwirtschaftlichen Tarifvertrag für den Einstieg vorgesehenen 23 Tage Urlaub und zehn gesetzliche Feiertage (wie Ostermontag oder Tag der Deutschen Einheit) zusammen, fehlten mit den so ermittelten 33 Tagen zirka 15 Prozent an bezahlter Zeit, die nicht im Betrieb zum Einsatz kämen (s. Ãœbersicht 1, LW-Ausgabe 12, S. 13).

Unter dem Strich müsse ein Arbeitgeber also bei einem Einsatz eines festangestellten Mitarbeiters, der mit 11 Euro/Std. brutto entlohnt wird, die effektive Stunde mit mindestens 15,40 Euro/Std. kalkulieren. Dies sei ein konservativ kalkulierter Satz, der für die einzelnen Arbeitsschritte und Einsätze betriebswirtschaftlich als Mindestwert anzusetzen sei. Noch nicht berücksichtigt sei dabei das Krankheitsrisiko, das durch den Arbeitgeber mit der gesetzlich vorgeschriebenen sechswöchigen Lohnfortzahlung begleitet werden müsse. Der Betrieb könne allerdings ein Teil des in der Krankheitszeit weiter gezahlten Lohnes von der Krankenversicherung wieder zurückholen. Grundlage für die Rückzahlung sei die Umlage U1, die bis auf wenige Ausnahmen von allen Betrieben abzuführen sei.

Abschließend wurde angekündigt, dass das bekannte und weit verbreitete BWV-Merkblatt mit Hinweisen zur Beschäftigung von Arbeitskräften derzeit überarbeitet und an die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werde. Die Veröffentlichung sei in den nächsten Wochen zu erwarten. Friedrich Ellerbrock, Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd