Die Pflanzkartoffelverordnung wird neu aufgestellt

Teil 1: Feldbesichtigung

In der EU wurden mit den EU-Richtlinien 20 und 21 von 2014 sowie 63 von 2013 die Anforderungen, die an Pflanzkartoffeln in der Feldbesichtigung und insbesondere in der Beschaffenheitsprüfung gestellt werden, erweitert und teilweise bestehende Anforderungen verschärft. Insgesamt wurden die Qualitätsanforderungen, die an Vermehrer, V-Firmen und Züchter gestellt werden, erhöht. Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen, wie sie nun die Pflanzkartoffelverordnung (PflKartV) ab der Auspflanzung 2016 vorsieht, erläutert und kommentiert.

Schwarzbeinigkeitssymptome am Fuß der Pflanze.

Foto: Thiel

Neu ist, dass bei Vorstufenpflanzgut eine neue Klasse mit PBTC, was für Pre Basic Tissue Culture steht, welches in Mikrovermehrung erzeugt wird, eingeführt wurde. Darüber hinaus gibt es die Klasse PB (Pre Basic), was wörtlich übersetzt, „Vor-Basis“ heißt und mit dem bisherigen Fachbegriff „Vorstufe“ treffend umschrieben werden kann. Vorstufenpflanzgut der Klasse PBTC stammt aus Mikrovermehrung, diese Vermehrung erfolgt ausschließlich in sterilen Medien und darf nicht zu Vorstufenpflanzgut der Klasse PBTC weitervermehrt werden.

Begrenzte Anzahl von Feldgenerationen

Vorstufenpflanzgut der Klasse PB kann erwachsen sein aus klonaler Selektion, aus so genannten A-Stämmen, was aber in Deutschland nicht mehr üblich ist, in anderen EU-Ländern aber durchaus. Bei uns wird die Vermehrung von Vorstufenpflanzgut der Klasse PB schwerpunktmäßig erfolgen aus PBTC oder aus Vorstufenpflanzgut der Klasse PB. Neu eingeführt wurde auch eine Begrenzung der Anzahl der Feldgenerationen (FG). Die Anzahl der FG der Klasse PB ist auf vier begrenzt. Die Angabe der FG auf dem Etikett kann erfolgen, ist aber nicht obligatorisch. Wird die Feldgeneration nicht auf dem Etikett angegeben, wird das Pflanzgut automatisch der höchsten FG zugerechnet. Im Falle von Vorstufenpflanzgut der Klasse PB ist dies die vierte und eine Weitervermehrung zu Vorstufenpflanzgut ist nicht möglich.

Bei Basispflanzgut erfolgt die Einteilung wie bisher in die Klassen S, SE und E. Die Anzahl der FG ist für Basispflanzgut auf drei begrenzt und jede Klasse steht höchstens für eine FG. Nach den genannten EU-Richtlinien hätte Deutschland auch die Möglichkeit gehabt, bei Basispflanzgut vier Feldgenerationen zuzulassen, so wird dies zum Beispiel in Frankreich praktiziert, wobei eine vierte Basisgeneration in Frankreich auch nur dann möglich ist, wenn im Vorstufenbereich eine Feldgeneration ausgelassen wurde. Die Niederländer verfahren wie die Deutschen und grundsätzlich ist eine reduzierte Anzahl von Feldgenerationen und die von der EU vorgenommene Begrenzung der Feldgenerationen alleine aus phytosanitären Gründen zu befürworten.

Klasse A und Klasse B bei zertifiziertem Pflanzgut

Neu ist auch, dass die EU-Richtlinien für zertifiziertes Pflanzgut nun zwei eigenständige Klassen A und B vorsehen. In Deutschland wurde diese „Eigenständigkeit“ insofern eingeschränkt, als dass die zweite Generation bei Z nur auf demselben Betrieb erzeugt werden darf. Denn zertifiziertes Pflanzgut der Klassen A oder B darf aus anerkanntem Vorstufenpflanzgut oder aus Basispflanzgut sowie Zertifiziertem Pflanzgut der Klasse A erwachsen sein, sofern dieses in demselben Betrieb unmittelbar aus anerkanntem Vorstufenpflanzgut oder Basispflanzgut erwachsen ist. Die Anzahl der Feldgenerationen ist für Zertifiziertes Pflanzgut auf zwei begrenzt. Ist die FG nicht auf dem Etikett angegeben, wird das Pflanzgut der zweiten FG Zertifiziertem Pflanzguts zugerechnet und darf nicht zu Zertifiziertem Pflanzgut weitervermehrt werden.

Anwendung der neuen VO ab Auspflanzung 2016

Anfangs gab es bei der Pflanzgutwirtschaft noch einige Verunsicherungen, bei denen es sich im Wesentlichen darum handelte, dass aus jüngeren Feldgenerationen unkontrollierte Weitervermehrungen betrieben werden oder der Nachbau, der weiterhin nach Sortenschutzrecht gebührenpflichtig ist, gegebenfalls sogar stimuliert wird. Diese Sorge scheint größtenteils unberechtigt, da einerseits im Basisbereich über die strikte Abfolge der FG (FG 4, 5, 6) einerseits und im Z-Bereich über den Verzicht der Angabe der FG auf dem Etikett andererseits rechtlich eine wirksame Regulationsmöglichkeit und Klassen (B/S, B/SE, B/E) gegeben ist. Wenngleich die EU-Richtlinien eine Umsetzung in nationales Recht zum 1.1.2016 vorgegeben haben, sieht die nationale Pflanzkartoffelverordnung eine Übergangsvorschrift vor, die es ermöglicht, die alte Ernte 2015 noch nach altem Recht abschließend zu bearbeiten. Das ist ausdrücklich zu begrüßen, da ansonsten die Feldbesichtigung, große Teile der Virustestung und der Untersuchung auf Quarantänebakteriosen nach den alten Rechtsnormen erfolgt wäre, aber die abschließende Beschaffenheitsprüfung auf weitere Knollenkrankheiten und äußere Mängel nach neuem Recht hätte durchgeführt werden müssen. Fachlich und rechtlich wäre das sehr fragwürdig gewesen, und die verwaltungsmäßige und EDV-technische Abwicklung wäre unnötig erschwert und aufgebläht worden.

Schwarzbeinigkeitsnormen im Feldbestand verschärft

Die Tabelle zeigt die Anforderungen an den Feldbestand für die einzelnen Kategorien und Klassen. Auf den ersten Blick ähneln die dort angegebenen Grenzwerte den bisherigen Werten teilweise sehr. Für die Anforderungen hinsichtlich Fremdbesatz und Fehlstellen gilt dies auch nahezu uneingeschränkt. Bei der Schwarzbeinigkeit, die im Wesentlichen durch die Erreger aus den bakteriellen Erregergruppen Pectobakterium und Dickeya ausgelöst werden, sind die bisherigen Anforderungen bei Z-Pflanzgut für die Klasse B beibehalten worden und für die Klasse A eine Verschärfung auf 1 Prozent verordnet worden. Darüber hinaus gilt für Vorstufenpflanzgut generell eine Nulltoleranz. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser bakteriellen Schaderreger, die häufig Ursache für Auflaufprobleme im Feld und Fäuleerscheinungen im Lager sind und hier keine chemische Bekämpfungsmöglichkeit gegeben ist, sind diese Forderungen aus Sicht des Pflanzgutkäufers sicherlich zu begrüßen. In der Gruppe der Pflanzgutkäufer sind auch hier ausdrücklich die Vermehrer mit eingeschlossen, die zum Beispiel aus Basispflanzgut zertifiziertes Pflanzgut erstellen.

Bei den Viruskrankheiten deuten die Anforderungen bei Zertifiziertem Pflanzgut mit Grenzwerten von 1 beziehungsweise 2 Prozent auf eine gewisse Aufweichung hin. Dieser Anschein trügt, da durch die EU-Richtlinien die in Deutschland bis- her übliche Differenzierung in der Virussymptomausprägung schwer/leicht aufgehoben wurde. Bisher wurden mit einem Umrechnungsfaktor von 5:1 fünf viruskranke Pflanzen mit leichtem Symptomen in eine schwer viruskranke Pflanze umgerechnet. Das ist zukünftig nicht mehr möglich, und das ist auch gut so, weil die Ansprache schwer/leicht nicht frei war von subjektiven Einflüssen. Somit geht mit den jetzt geforderten Werten auch eine Verschärfung bei den Anforderungen im Feldbestand im Virusbereich einher. In der nächsten LW-Ausgabe wird in Teil 2 über die Neuregelungen in der Beschaffenheitsprüfung von Pflanzkartoffeln berichtet.

Willi Thiel, Landwirtschaftskammer Niedersachsen – LW 16/2016