Industrialisierung ist positiv für die Tiere
Bessere Tiergesundheit durch professionelle Haltung
Die Industrialisierung der Tierhaltung erscheint in der Öffentlichkeit als Schreckgespenst, und Landwirte wehren sich gegen den Begriff, weil mit ihm eine schlechte Behandlung der Tiere in Zusammenhang gebracht wird. Tierarzt und Berater Dr. Joachim Lübbo Kleen aber sieht in der Industrialisierung vor allem eine Chance zur Verbesserung von Tierschutz und -gesundheit. In seinem Vortrag in Baunatal verdeutlichte er, dass beide Ziele durch eine industrialisierte Arbeitsweise, insbesondere mit systematischer Datenerfassung und systematischer Prozesskontrolle erreicht werden.
Die Kontrolle sei dabei keine Ergebniskontrolle, die nur Schäden und Verluste messe, sondern eine Kontrolle, die die Prozesse verbessere.Kleen, der aus einem ostfriesischen Milchviehbetrieb stammt, zeigte Parameter auf, die schon bisher und künftig auf den Betrieben mit Sensoren systematisch gemessen werden: Brunstaktivität, Fressverhalten, Lahmheit, Pansen-pH, Stoffwechsel und natürlich Milchqualität. Jeder gute Tierhalter könne selbst Tierschutzindikatoren erheben und bewerten, so Kleen. Dass Kühe in der modernen Landwirtschaft nur ein kurzes Leben haben, weil sie, wie in der öffentlichen Diskussion behauptet, ausgebeutet werden, sei bei genauer Analyse der Einflussfaktoren nicht haltbar. Tatsächlich hänge die Lebensdauer einer Kuh unter anderem vom Herdenmanagement aber auch vom Marktpreis ab.
Leistungssteigerung und Tierschutz kein Gegensatz
Eine Steigerung der Tierproduktionsleistungen widerspricht nach Auffassung von Kleen weder einem hohen Standard im Tierschutz noch guter Tiergesundheit, vielmehr bedingen die Faktoren einander. Tierhaltung müsse innovativ sein, so werde Tierschutz, Tiergesundheit und auch Tierproduktion verbessert. Die Professionalisierung sei eine große Chance für die Tiergesundheit.
Durch intensive Kontrolle könnten auch bei einer große Anzahl von Tieren die Risiken von Erkrankungen verringert beziehungsweise beherrschbar gemacht werden, so der Tierarzt. Auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundeslandwirtschaftsministerium habe in seinem Gutachten die Bestandesgröße als irrelevant in Bezug auf den Tierschutz bewertet.
Politik mit unklaren Begriffen
Kleen beklagte, dass die Diskussion um Tierschutz und Tiergesundheit unter der Unklarheit der Begriffe und der Vermischung von fachfremden Inhalten leide. Beispiel Tierwohl. Kleen geht davon aus, dass dieser Begriff einfach aus dem englischen Animal Welfare für Tierschutz rückübersetzt wurde. Allerdings sei die Bedeutung beider Begriffe nicht deckungsgleich. Dem Begriff Tierschutz, der in Deutschland durch entsprechende Gesetze klar umrissen ist, werde ein nicht klar umrissener Begriff Tierwohl entgegengesetzt, in dem zusätzliche Tierschutzforderungen hineininterpretiert werden.
Kleen hatte zu Beginn seines Vortrags verdeutlicht, dass die Entwicklung der Industrialisierung für die Menschen im Arbeitsprozess viele Verbesserungen mit Blick auf Gesundheit, Arbeitsschutz, Freizeit und so weiter gebracht haben. Wie der Tierarzt darstellte, wird die Industrialisierung in ähnlicher Weise auch Vorteile für die Tiere bringen. Er wisse wohl, das der Begriff Industrialisierung nicht positiv besetzt ist, einen besseren Begriff zur Benennung des Sachverhalts kenne er aber nicht. CM
CM – LW 3/2018