Jagdgesetz geändert
Novellierung am 23. Juni 2011 in Kraft getreten
Mit dem am 23. Juni 2011 in Kraft getretenen Änderungen zum Hessischen Jagdgesetz gelten unter anderem neue Regelungen zu den Jagdzeiten, zur Abgrenzung von Rotwildgebieten sowie zur Wildfütterung und Nachsuche. Die wesentlichen Änderungen für Jäger, Landwirte und Jagdgenossenschaften und möglichen Folgen für die Praxis stellt Rechtsanwalt Björn Schöbel, Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer in Hessen, dar.
In der Reihenfolge der Anordnung der gesetzlichen Regelungen ergeben sich im Wesentlichen folgende Änderungen:Wildäsungsflächen
Die Hegepflicht trifft sowohl den praktizierenden Jäger als auch die Jagdgenossenschaft als Jagdrechtsinhaber. War bisher in § 2 vorgesehen, dass die Inhaber des Jagdrechts ausreichende Flächen bereitstellen, die dem Wild Deckung und Äsung bieten, wird diese Vorschrift im neuen HJG konkretisiert: Zum einen wird der Verpflichtungsgrad gesenkt. Das bisherige „sollen“ wurde ersetzt durch „ist anzustreben“. Die Flächen werden konkretisiert. So ist anzustreben, dass mindestens 0,5 % der bejagbaren Fläche zur Anlage qualifizierter Äsungsflächen zur Verfügung gestellt werden. Diese sollen dem Wild dann Äsung und „im Feld auch“ Deckung bieten. Was nun konkret Regelungsinhalt sein soll, erschließt sich ohne weiteres nicht. Die Regelung wird daher als Fingerzeig zu verstehen sein. Im schlimmsten Fall wird sie beispielsweise im Rahmen des Wildschadensersatzausgleichs im Rahmen des Mitverschuldens herangezogen, sollten diese Ziele im konkreten Revier nicht erreicht sein.
Hegegemeinschaft
Waren die Jagdrechtsinhaber und Eigenjagdbesitzer bisher nur auf Antrag Mitglieder in der Hegegemeinschaft, sind sie es nach der Neuregelung automatisch Kraft Gesetzes. Es bleibt zu hoffen, dass durch diese automatische Einbindung der Jagdvorsteher und Eigenjagdbesitzer die Präsenz und das Engagement der Jagdrechtsinhaber in den Hegegemeinschaften steigen wird.“
In § 9 hat sich eine Änderung bei der Mitgliedschaft in der Hegegemeinschaft dahingehend ergeben, dass die Jagdrechtsinhaber, das heißt die Eigenjagdbesitzer und die Jagdgenossenschaften automatisch Mitglied in der Hegegemeinschaft sind. Für die Forstämter wurde klargestellt, dass diese Mitglied für das Land sowohl in ihrer Eigenschaft als Jagdausübungsberechtigter als auch als Jagdrechtsinhaber sind, also kein doppeltes Stimmrecht in Betracht kommt.
Teilnahme an der Jagd
Eine wesentliche Änderung hat sich im Bereich der Teilnahme an der Jagd ergeben: Es wird nun zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Jagderlaubnisscheinen und solchen die bis zu 12 Monaten befristet sind und längerfristigen unterschieden. Die unterjährigen Jagderlaubnisse sind weder der Unteren Jagdbehörde anzuzeigen noch von ihr zu genehmigen. Die Erteilung sämtlicher Jagderlaubnisse bedarf aber gemäß § 12 Absatz 2 Satz 2 der Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung der Inhaber des Jagdrechts. Neu ist insbesondere, dass die unterjährigen Jagderlaubnisse auch nicht zahlenmäßig beschränkt zu sein scheinen. Soll hier eine Beschränkung erfolgen, ist anzuraten, entsprechende Regelungen in den Jagdpachtvertrag aufzunehmen. Die Entwicklung wird im Zweifel nicht willkürlich versagt werden können.
Anforderungen bei Jagdaufseher
Sieht man die Neuregelung der Jagderlaubnisse zusammen mit der Neuregelung der Jagdaufseher in § 31, wonach Jagdausübungsberechtigte für ihren Jagdausübungsbezirk volljährige Personen, die zumindest die Jägerprüfung erfolgreich abgelegt haben, als Jagdaufseher bestellen können, wirft dies Fragen auf: Zunächst ist zu fragen, weshalb diese Personen nicht mehr zuverlässig sein müssen, wie es die bisherige Rechtslage für die bestätigÂten Jagdaufseher forderte; weiter ist zu fragen, weshalb von dem bewährten „bestätigten JagdaufseÂher“ als Regelfall Abstand genommen wird. Dieser war für die Belange der Jagd in einem erhöhten Maße ausgebildet und wurde von der Unteren Jagdbehörde bestellt. Nun kann über die Regelung des § 12 Absatz 6 in Verbindung mit § 31 jeder volljährige Jagdscheininhaber als bestellter Jagdaufseher im Revier die Jagd ausüben ohne dass er einer Jagderlaubnis bedarf. Insbesondere für diesen Fall sind notwendig Regelungen in den Jagdpachtverträgen zu schaffen. Die Neuerung dürfte zurzeit überall dort, wo keine Regelung im Jagdpachtvertrag zu Jagdaufsehern getroffen sind, dazu führen, dass die Jagdpächter schrankenlos Jagdgäste an der JagdÂausübung teilnehmen lassen können, indem sie sie einfach als bestellte Jagdaufseher ausweisen.
Gesellschaftsjagd im Rotwildgebiet
Neu aufgenommen und dem ursprünglichen Gesetzentwurf auch nicht vorgesehen ist die Forderung des § 18 Absatz 4, wonach Gesellschaftsjagden in Rotwildgebieten in der Zeit von Januar bis März so durchzuführen sind, dass dabei dem Ruhebedürfnis des Rotwildes Rechnung getragen wird. Was diese Regelung in der Praxis bewirken wird, bleibt fraglich. Es steht allerdings zu befürchten, dass damit sämtliche Gesellschaftsjagden, zumindest Bewegungsjagden mit Hunden in Rotwildgebieten im geÂnannten Zeitraum nicht mehr stattfinden werden.
Der neu eingeführte § 21a schafft die Möglichkeit, Hochwildgebiete anzupassen, das heißt die Gebietsgrenzen zu ändern, Flächen auszuschließen oder den Hochwildgebieten anzuschließen.
Die Bejagung des Rotwildes zur Nachtzeit wird zukünftig nur noch außerhalb von Rotwildgebieten oder in Rotwildgebieten außerhalb des Waldes möglich sein, wenn dies zur Erfüllung des Abschussplanes notwendig ist.
Die Möglichkeit des Anlockens von Wild mit synthetisch hergestellten Stoffen wird ausgeweitet: In Ausnahmefällen soll die Oberste Jagdbehörde, aus besonderen Gründen der Wildseuchenbekämpfung, der Wildschadensverhütung und zu wissenschaftlichen Lehr- und Forschungszwecken Ausnahmen erteilen dürfen.
Kein Bleischrot auf Wasserwild
Das Schießen mit Bleischrot auf Wasserwild über Gewässern wird verboten. Die Einschränkung „über Gewässern“ ist im Gesetzgebungsverfahren eingefügt worden und wurde offenbar in den Bußgeldvorschriften (§ 42 Nr. 10c) versehentlich nicht eingefügt. Es bleibt abzuwarten, wie damit umgegangen wird. Die praktische Relevanz dürfte sich allerdings in Grenzen halten, da zumindest bisher Kontrollen nicht bekannt sind.
Kein Wildschaden bei Grünbrücken
Wesentlicher ist die Regelung, wonach im Umkreis von 300 Metern der Brückenköpfe von Grünbrücken die Jagdausübung verboten ist. Dies wird dazu führen, dass erstens diese Flächen aus der Bejagung gehen, zweitens gegebenenfalls Jagdpächter Jagdpachtminderung verlangen werden/können und drittens in diesem Bereich dann auch kein Wildschaden zu ersetzen ist.
Schließlich ist neuerlich verboten, Wild dadurch zu stören, das befestigte Wege im Wald zur Nachtzeit unberechtigt verlassen werden.
Abschussplanung neu geregelt
Beim Verfahren der Abschussplanung ist neu geregelt, dass der Abschuss für Rehwild nicht mehr wie bisher für drei aufeinander folgende Jahre zu planen ist sondern zukünftig innerhalb einer dreijährigen Planungsperiode für jedes Jagdjahr. Darüber hinaus soll auf die Erhebung der Ver-bissÂbelastung dann verzichtet werden können, wenn eine einvernehmliche Einigung innerhalb der Hegegemeinschaft über den Abschussplanvorschlag erzielt wird und die Jagdrechtsinhaber dem zustimmen.
Bei der besonderen Abschussregelung ist neu geregelt, dass außerhalb abgegrenzter Hochwildgebiete nicht mehr der gesamte Abschuss des weiblichen Wildes sowie sämtlichen Jungwildes festzusetzen ist sowie für Rot- und Damhirsche bis zum Alter von 4 Jahren und für Muffelwidder bis zum Alter von 3 Jahren, sondern dass nur noch zwei Stücke beiderlei Geschlechts der jeweiligen Hochwildart festzusetzen sind mit den entsprechenden Alterseinschränkungen bei Hirschen und eine darüber hinausgehende Freigabe zu beantragen und unverzüglich zu ge-nehmigen ist. Dies wird den Ab-schuss unnötig erschweren.
Neu geregelt und damit ein bisher geduldeter Zustand gesetzlich festgeschrieben wird bei bestehenden Dam- und Muffelwildpopulationen, die bereits vor dem Jahr 2000 vorkamen. Diese waren nach bisheriger Rechtslage wie gerade dargestellt, im Ergebnis zu eliminieren. Nun werden sie legitimiert. Hier ist ein jährlicher Abschussplan festzusetzen.
Neues zum Rehwildabschussplan
In abgegrenzten Hochwildgebieten soll künftig auch für Rot-, Dam- oder Muffelwild eine gruppenweise Abschussfestsetzung erfolgen können. Beim Rehwild soll ein gemeinsamer Rehwildabschussplan auf der Ebene der Hegegemeinschaft für die Dauer einer dreijährigen Planungsperiode möglich sein. Hier können Jagdausübungsberechtigte wie Jagdrechtsinhaber widersprechen, dies allerdings nur zu Beginn der dreijährigen Planungsperiode! Verpassen es Jagdausübungsberechtigte beziehungsweise Jagd-rechtsinhaber, tätig zu werden, sind sie für drei Jahre an die Rehwildabschussplanung der Hegegemeinschaft gebunden.
Wildseuchen und Wildschaden
Auf Initiative des Jagdgenossenschaftsverbandes hin wurde eine nordrhein-westfälische Regelung ins Hessische Jagdgesetz übernommen, wonach zur Wildseuchenbekämpfung und zur Vermeidung von übermäßigem WildÂschaden die Oberste Jagdbehörde die Schonzeit für bestimmte Gebiete oder einzelne Jagdbezirke für begrenzte Zeit aufheben beziehungsweise Ausnahmen von den sachlichen Verboten des § 19 beziehungsweise des § 23 Hessisches Jagdgesetz zulassen kann. In Nordrhein-Westfalen wird beispielsweise bei Tauben und Gänsen im Wege der Allgemeinverfügung von dieser Regelung Gebrauch gemacht, so dass Einzelanträge dann nicht mehr notwendig sind. Diese Regelung dürfte bei entsprechender An-wendung durch das Ministerium als Oberster Jagdbehörde zu einer erheblichen Vereinfachung von Sonderabschüssen führen.
Die Nachsuchemöglichkeit bestimmter Schweißhundegespanne wird im neuen Gesetz erweitert. Diese sollen einschließlich einer Begleitperson unter Mitführung der Schusswaffe unabhängig von Jagdbezirks- und Hegegemeinschaftsgrenzen krankes Scha-lenwild nachsuchen dürfen.
Wildfütterung ganzjährig
Die Regelung zur Wildfütterung wurde tiefgreifend neu gefasst. Die bisherige Wildfütterungsverordnung wurde in Teilen ins Gesetz übernommen und daÂmit obsolet. Grundsätzlich soll nun ganzjährig das Ausbringen von Raufutter für wiederkäuendes Schalenwild zulässig sein. Im Ãœbrigen soll wiederkäuendem Schalenwild Saftfutter ohne Kraftfutteranteil in Kombination mit RauÂfutter in von der Jagdbehörde für den Landkreis oder Teilen davon ausgerufenen Notzeit verfüttert werden können. Die Notzeit war bisher in dieser Form in Hessen nicht geregelt. In anderen Bundesländern konnte diese schon bisher ausgerufen werden und führte dann zu entsprechenÂden Fütterungsmöglichkeiten, gegebenenfalls auch -verpflichtungen.
Die Kirrung für Schwarzwild bleibt erhalten und zwar im Umfang von je einer Kirrung pro Jagdbezirk und einer weiteren je 100 Hektar angefangener Jagdfläche, in Rotwildgebieten je 250 Hektar angefangener Jagdfläche mit einem Fütterungsumfang von einem Liter je Tag und Kirrstelle.
Wildschadensersatzverfahren
Wesentliche Änderungen für die Landwirtschaft bringt die überarbeitete Regelung des § 36 Absatz 6, wonach nun in Wildschadensersatzverfahren die Gemeinden auch über die notwendigen Auslagen hinaus ihre Kosten festsetzen und verteilen können und dies auch für den Fall, dass das Verfahren nicht zu Ende geführt worden ist, also der Landwirt den Schaden gemeldet hat und eine Einigung mit dem Ersatzpflichtigen noch erzielt werden konnte, bevor die Gemeinde überhaupt tätig wurde. In welcher Höhe diese Kosten zukünftig angesetzt werden, bleibt abzuwarten. Wir gehen davon aus, dass diese sich an den entsprechenden (Personal-) Kosten in der Gemeinde orientieren werden.
Jagdzeiten verlängert
Bei den Jagdzeiten ergeben sich folgende Änderungen:
- Ringeltauben: juvenile, ohne Halsfleck sind nun ganzjährig bejagbar,
- Rotwild: Neu bei Rotwildkälbern: 1. August bis 31. Dezember (bisher galt bei Rotwild-Kälbern 1. August bis 31. Januar).
Schmalspießer und Schmaltiere, neu: 1. Mai bis 31. Mai (bisher: 1. Juli bis 31. Januar).
Hirsch und Alttiere, neu: 1. August bis 31. Dezember (bisher: 1. August bis 31. Januar.
- Zusätzlich im Feld: Schmaltiere und Schmalspießer vom 1. bis 31. Juli sowie für alles Rotwild vom 1. Januar bis 31. Januar.
- Zusätzlich wurde die Jagdzeit auf Grau- und Kanadagänse geändert von bisher 1. November bis 15. Januar hin zu 1. August bis 31. Oktober. Es wurde die Jagdzeit für Nilgänse vom 1. September bis 15. Januar neu eingeführt sowie die Jagdzeit auf Dachse von bisher 1. August bis 31. Oktober nun auf den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Januar verlängert.
Eine Synopse, die die NeureÂgeÂlunÂgen der bisherigen Fassung des Hessischen Jagdgesetzes gegenüberstellt, ist unter www.agrinet.de/vjeh (Service) einzusehen.