„Jahr ohne Frühling“ mit explosivem Wachstum

Durchschnittliche Getreideernte in Rheinland-Pfalz Süd

Die Landwirte im südlichen Rheinland-Pfalz sind insgesamt zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen der diesjährigen Getreideernte, auch wenn durch Trockenheit und Hitze das mögliche Potenzial der Region nicht erreicht werden konnte. Diese erste Bilanz zog der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), Eberhard Hartelt, bei der Erntepressekonferenz des Verbandes vergangene Woche im rheinhessischen Gimbsheim.

Gerald Orth und BWV-Ortsvorsitzender Karl-Heinz Schneider an einer Fläche, die dem Hochwasserschutz zum Opfer fallen soll.

Foto: Becker

In Bezug auf den fast nahtlosen Ãœbergang des langen Winters in den wärmsten April seit Wetteraufzeichnungen sprach Hartelt von einem Jahr ohne Frühling. Von seinem eigenen Betrieb im Donnersbergkreis berichtete er, dass dort die Getreideernte drei Wochen früher als normal gestartet sei. „Trotz der kurzen Vegetationsdauer haben wir bisher eine gute Ernte eingefahren; bei den späten Sorten zeichnen sich aber eher schwache Ergebnisse ab.“ Das relativ gute Abschneiden führt Hartelt auf gut verteilte Niederschläge von rund 50 mm im Juni zurück. Aber bei weitem nicht alle Regionen hätten eine ausreichende Wasserversorgung gehabt. „Beim Raps haben wir bei Erntemengen um 3 t deutliche Ertragseinbußen zu verzeichnen“, so der Präsident. Dies decke sich mit den Ergebnissen im ganzen Land, denn der Raps habe stark unter dem Wetterstress gelitten.

Bundesweit betrachtet glimpflich davongekommen

In Anbetracht der dürrebedingten massiven Ernteausfälle bei Getreide, insbesondere im Norden und Osten der Bundesrepublik, gebe es laut BWV-Präsident aber keinen Grund zu klagen. Zwar gebe es durch die sehr unterschiedliche Verteilung der wenigen Niederschläge in der Vegetationsperiode lokal schwankende Erträge, aber die Qualitäten würden flächendeckend, bis auf wenige Ausnahmen, die Anforderungen erfüllen. „Die Winter- und Sommergerstenernte ist im Verbandsgebiet fast abgeschlossen. In den frühen Regionen Rheinhessen und Südpfalz ist auch ein Großteil des Weizens schon geerntet“, berichtete Hartelt. In der Nord- und West­pfalz und in den Gebieten, in denen Niederschläge die Reife verzögert hatten, laufe die Ernte in diesen Tagen erst an.

Einlagern und auf Preiserholung warten

Mit Blick auf den Getreide- und Rapsmarkt sprach BWV-Präsident Hartelt von steigenden Preistendenzen bei einem derzeit aber nicht ausreichenden Niveau. Die Erzeuger hielten sich deshalb noch zurück. „Wer die Möglichkeit hat, seine Ernte einzulagern, tut das auch, denn er ist dann nicht gezwungen jeden aktuellen Preis, der an der Gosse genannt wird, zu akzeptieren“, betonte Landwirt Gerald Orth, in dessen Halle am Gimbsheimer Ortsrand das Gespräch stattfand. „Bei Mais- und Zuckerrübenbeständen überwiegen noch positive Ertragserwartungen, aber nur, wenn es bald ausreichend regnet, so Hartelt. Dies gelte auch für die Futterbaubetriebe: „Der erste und vor allem der zweite Grünlandschnitt haben zwar gute Erträge gebracht, seitdem ist aber für eine dritte Nutzung fast nichts nachgewachsen.“ Wasser sei auch hier dringend notwendig, sagte er.

Obst und Gemüse: Menge groß, Preis klein

Dahlem: „Es rumort unter den Bauern.“

Foto: Becker

„Bei Spargel, Erdbeeren und Kirschen hat die viel zu warme Witterung zu schlagartig großen Mengen und einem niedrigen Preisniveau geführt,“ resümierte Hartelt weiter. Ebenso wie bei Gemüse- und Frühkartoffeln habe billige Importware dem heimischen Anbau stark zugesetzt – trotz permanenter Regionalitätsversprechen des Lebensmitteleinzelhandels. Der Vorsitzende des BWV-Fachausschuss Pflanzenbau, Adolf Dahlem, ergänzte hierzu, dass Importware bei weitem nicht unter den in Deutschland geltenden Qualitäts- und Sozialstandards angebaut würden. „Die heimischen Anbauer fühlen sich hier deutlich benachteiligt“, stellte er der Presse gegenüber klar. Eine weitere Herausforderung für die Sonderkulturbetriebe sei es, ausreichend geeignete Saisonarbeitskräfte zu finden. Der BWV-Präsident forderte deshalb eine Entfristung der 70-Tage-Regelung für die sozialversicherungsfreie Beschäftigung, die Ende des Jahres ausläuft.

Gute Vorzeichen für den Jahrgang 2018

Für die Weinlese prognostizierte Hartelt einen noch früheren Beginn als vergangenes Jahr. Der Gesundheitszustand der Reben und Trauben sei sehr gut. Außerhalb der durch Unwetter geschädigten Weinberge gebe es eine überdurchschnittliche Ertragserwartung. Angesichts der Wetterkapriolen der letzten Jahre werde das Risikomanagement immer wichtiger. Als wichtigen Baustein der Risikoabsicherung sieht der BWV-Präsident hierbei die Direktzahlungen der EU, die in der bisherigen Höhe erhalten bleiben müssten.

„Viele Landwirte haben die Schnauze voll“

Hartelt: „Rheinland-Pfalz ist mit einem blauen Auge davongekommen.“

Foto: Becker

Neben den reinen Zahlen ging Adolf Dahlem auf die Stimmung in der Landwirtschaft ein. „Mit widrigen Wetterbedingungen können wir umgehen, und da hilft auch kein Klagen, aber was den Bauern landauf, landab entgegenschlägt, wird immer mehr zum Problem für die Betriebe“, machte er klar. Einerseits seien es die immer schärferen Vorschriften hinsichtlich des Pflanzenschutzes, der Düngung und bei der Tierhaltung, die in ihrer Gesamtheit kaum noch zu erfüllen seien. Andererseits sei es die Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit: „Wir Bauern werden immer wieder an den Pranger gestellt; teilweise muss man sich im Feld von Spaziergängern beschimpfen lassen.“ Viele Höfe hätten auch deshalb Probleme, einen Betriebsnachfolger zu finden. „Viele Landwirte haben einfach die Schnauze voll“, machte sich Dahlem Luft.

Landverluste durch den Hochwasserschutz

„Die Kartoffel ist unser Hauptprodukt“, stellte Gastgeber Gerald Orth seinen Betrieb im Altrheingebiet vor. Er bewirtschaftet 250 ha, neben 120 ha Kar­toffeln baut er Winterdurum, Roggen, Zuckerrüben und Sommer-Braugerste an. „Der Durum-Anbau bietet uns auch bei schlechteren Erträgen immerhin noch einen guten Preis“, erläuterte er. Wechselnde Bodenbedingungen und zwei Betriebsstandorte – in Gimbsheim und im 27 km entfernten Ober-Flörsheim – ermöglichen ihm „eine gewisse Risikostreuung“. Die Flächen sind zu 100 Prozent beregnungsfähig, aus Kostengründen und wegen der hohen Arbeitsbelastung werden aber nur die Kartoffeln bewässert. Neben den beschriebenen Anbau- und Absatzproblemen treibt ein weiteres Thema die Landwirtschaft im Kreis Alzey-Worms um: der geplante Hochwasser-Rückhalteraum Eich-Gimbs­heim-Guntersblum. „Rheinabwärts verdient man sich eine goldene Nase mit Neubauten in hochwassergefährdeten Lagen, und wir müssen es ausbaden“, ärgern sich die Betriebsleiter vor Ort, deren Flächen künftig bei Hochwasserereignissen geflutet werden sollen.

KB – LW 29/2018