Jungbauern in Neuseeland

Vortrag: Landwirtschaft auf der anderen Seite der Welt

„Das habt Ihr klasse gemacht, da würde ich gleich einmal hinfliegen“, versicherte eine Zuhörerin den Junglandwirten Philipp Fay und Hannes Busch nach ihrem Vortrag über „Landwirtschaft auf der anderen Seite der Welt – eine Reise durch Neuseeland“ in der vergangenen Woche in Linden. Neuseeland ist nicht nur nach eigenen Angaben und der Filmtrilogie „Herr der Ringe“ die Heimat von Mittelerde, sondern hat vor allem auch in der Landwirtschaft einiges zu bieten.

Hannes Busch und Philipp Fay (rechts) berichteten in Linden bei Gießen über ihr halbes Jahr auf Farmen in Neuseeland.

Foto: Thomas Wißner

Für ein halbes Jahr schauten sich die beiden Jungbauern Philipp Fay aus Watzenborn-Steinberg und Hannes Busch aus Brand­oberndorf in der neuseeländischen Landwirtschaft um, schauten den Farmern über die Schulter, packten mit an und berichteten nun von ihren Erlebnissen beim Treffen der Landseniorenvereinigung Gießen/Wetzlar/Dill in Leihgestern.

Mit weit über 100 Aufnahmen bereicherten die beiden Jungbauern ihren Vortrag vor den 70 Zuhörern und schilderten eindrucksvoll, was sie nach Abitur und Ernte von Oktober 2011 bis April 2012 in Neuseeland so erlebten. Für den als „aufgeschlossener und zielstrebiger junger Landwirt“ bei der Auszeichnung mit dem Juniorenpreis der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft charakterisierten Fay zählte der Neuseeland-Aufenthalt zum praktischen Teil seiner Ausbildung zum Landwirt. „Die Landwirtschaft hat da unten einen viel höheren Stellenwert. Dies zeigt sich bereits im Fernsehen, wo Werbung für Futtermittel gemacht wird und auch die Farmer genießen ein höheres Ansehen und höheren Stellenwert“, berichtete Busch, vor dem Hintergrund, dass die Landwirtschaft mit Abstand der führende Wirtschaftszweig des Landes ist. Sowohl Ackerbau als auch Tierzucht haben hier ein Zuhause und prägen die Landschaft Neuseelands wie die keines anderen Landes. Dabei hat die Viehwirtschaft den größten Anteil. Im Ackerbau stellen Gerste, Weizen und Mais die wichtigsten Erzeugnisse dar. Darüber hinaus werden Kiwis, Äpfel und Trauben sowie Gemüse angebaut.

Milch und Fleisch sind die wichtigsten Exportgüter

Die wichtigsten Exportwaren Neuseelands sind Milch und Milcherzeugnisse sowie Fleisch und Fleischprodukte. Auch Wolle spielt eine bedeutende Rolle bei den neuseeländischen Ausfuhren. Insgesamt wird ein Drittel der gesamten Oberfläche als Weideland genutzt. Wie auch die gezeigten Aufnahmen bestätigten stimmt das Bild von Neuseeland als einem Land mit sattgrünen Wiesen, bewirtschafteten Feldern und grasenden Schafen. Eine Freundin hatte ihnen eine Adresse eines Farmers in Neuseeland vermittelt und während des Aufenthaltes auf der Nord- und Südinsel besuchten beide sechs Betriebe, blieben dort zwischen zwei und sechs Wochen und erhielten einen Einblick, was in Neuseeland so anders ist als etwa hier.

Fay war davon so fasziniert, dass der 21-Jährige nicht nur gemeinsam mit den Geschwistern den elterlichen Betrieb, den Hof Obersteinberg, weiter auszubauen, sondern auch sein Engagement auf internationalen Gefilde lenkt und dabei sogar ins Auge fasst, zusammen mit einem Freund einen zweiten Betrieb in Neuseeland aufzubauen. Während ihres Aufenthalts waren sie auf der Nordinsel in New Plymoth und zwei weiteren Orten sowie auf der Südinsel in Methven und Gore auf Farmen tätig. Auf der Südinsel wird dabei nur Ackerbau der Rest Weidehaltung betrieben.

Bei den Farmen, die weniger maschinisiert sind als hier, ist größten Teils Weidehaltung angesagt. Wegen der hügeligen Struktur sind die Schlepper mit Zwillingsreifen ausgestattet. Die hohe Niederschlagsdichte pro Jahr und die regelmäßige Verteilung des Regens über das ganze Jahr macht Neuseeland zu einem sehr geeigneten Land für die Landwirtschaft. Überhaupt seien fruchtbare Erde und gute klimatische Voraussetzungen ein Glücksfall für die Landwirtschaft. So benötigen die Viehhalter aufgrund der klimatischen Verhältnisse keine Ställe und haben somit keine Energiekosten in diesem Bereich. Das Vieh ist das ganze Jahr über auf den Weiden. Das spart Kosten für Futter, Dünger und Infrastruktur. Das Vieh selbst ist auf Ergiebigkeit und Fruchtbarkeit gezüchtet – mehr Fleisch, mehr Milch trotz weniger Tiere. Hinzu kommt, dass Neuseeland keine Agrarbeihilfen vornimmt.

Auf die abschließende Frage der Zuhörer, wie es denn mit der Tradition und der Familie aussieht, berichtete Fay, dass dies in Neuseeland kein Thema sei. Die Farmer stellten es den Kindern frei, ebenfalls in der Landwirtschaft tätig zu sein oder nicht. Und wenn diese das nicht wollen, dann werde halt die Farm verkauft. Während hier der Altenteil mit auf dem Hof lebe, strebe in Neuseeland der Altenteil vielmehr ein Haus am Meer an, um sich dort noch einige schöne Jahre zu bereiten. „Es ist dort ganz anders, als es hier ist“, so Busch.

Investitionsaufwand ist deutlich geringer als hier

Aber gerade diese Ungezwungenheit, den Betrieb nicht übernehmen zu müssen, mache den gewissen Reiz aus, dass die Landwirtschaft dort mit geringeren Investitionen sehr attraktiv ist. „Nachmittags um 16 Uhr auf der Terrasse zu sitzen und die ganze Arbeit ist schon getan, das kann man sich hier nicht vorstellen, ist dort aber so“, verrät Fay, was ihn doch fasziniert hat. Und dies sei wohl auch einer der Gründe, weshalb es in Neuseeland keine Nachwuchssorgen in der Landwirtschaft gebe und diese für junge Leute interessant sei.

Wißner – LW 48/2013