Jungpflanzen mögen „Streicheleinheiten“

Kräutertag der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen

Unter dem Motto „Zukunft wächst“ richtete vorige Woche die Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Woche Südhessen gemeinsam mit der Forschungsanstalt Geisenheim/Hochschule Rhein-Main einen Kräutertag im Campus Geisenheim aus. Die Veranstaltung vermittelte aktuelle Erkenntnisse von Versuchs- und Forschungseinrichtungen für frische Schnitt- und Topf­kräuter und gab den circa 150 teilnehmenden Erzeugern und Sonderkulturanbauern aus Hessen, Rheinland-Pfalz und angrenzenden Bundesländern viele nützliche Tipps für ihre Betriebe mit.

Wie hochprofessionell heute Kräuteranbau betrieben wird, das erläuterten Experten vorige Woche auf der Fachtagung im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche im Campus Geisenheim. Pflanzenzüchter und einschlägige Firmen informierten in einer Sonder­ausstellung. Auf dem Bild ist Kai Hönemann vom Gemüse-Jungpflanzenanzuchtbetrieb Hubertus Volma­ry aus Münster zu sehen. Sein Unternehmen bietet unter anderem die Küchenkräuter Oregano (rechts), Roter Salbei (links) und Goldthymian sowie Curry Kraut (beide hinten links zu sehen) an.

Foto: Moe

In sieben Fachvorträgen wurden Anbautechnik, Kulturentwicklung sowie Bewässerung und Vermarktung aufgegriffen. Experten der LVG Heidelberg, von Forschungsanstalten in Freising und Geisenheim, des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen und des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz erläuterten Trends aus dieser sehr speziellen Kultursparte. Auf Erzeugerebene werden in Deutschland etwa 46 Mio. Euro mit Topfkräutern und circa 10 Mio. Euro mit Schnittkräutern erlöst. In Hessen werden auf rund 280 ha frische Küchenkräuter und auf circa 1200 ha Arznei- und Gewürzpflanzen angebaut. Das erläuterte Ulrich Groos, Fachberater für Gemüseanbau im Lan­desbetrieb Landwirtschaft Hessen, der ebenso durch die Fachtagung führte. Der überregionale Kräutertag ist eine gemeinsame Veranstaltung verschiedener Organisationen im Zuge der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen und wird insbesondere vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, vom Hes­sischen Bauernverband und vom Hessischen Gärtnereiverband gefördert.

Mit Pflanzensstärkungsmittel Pilzbefall vorbeugen

Robert Koch von der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Baden-Württemberg (LVG) in Heidelberg berichtete über neueste Versuchs­ergebnisse im ökologi­schen Anbau von Küchenkräutern. Er informierte fer­ner über den Einsatz von Pflan­­­zenstärkungsmittel, um beispielsweise einen Pilzbefall wie durch Falschen Mehltau zu verhindern.

Es zeigte sich, dass eine wöchentlich, vorbeugen­de Ausbringung des ökologi­schen Mittels Vi­care zu be­­falls­freien Par­zellen führt. Die Pflanzen blieben im Vergleich zu den Kontrollvarianten auch sichtbar kompakter und bil­deten kleinere Blattspreiten aus, erläuterte Koch. Allerdings blieb der Einsatz von ande­ren Pflan­zen­stär­kungsmitteln wie Süßholzextrakt häufig ohne einen positiven Ein­­fluss. Außerderm konnte ein Vi­ca­re-Einsatz nach einem Befall der Pflanzen mit Mehltau die Pilzausbreitung nicht mehr verhindern.

Je nach Kultur zwischen 25 und 100 Streicheleinheiten am Tag

Wichtig ist nach den Aussagen Kochs, kräftige Kräuter zu erzielen, nicht nur um gesunde Pflanzen anbauen zu können, sondern auch, weil sich kräftige Pflanzen besser vermarkten ließen. Um die­ses erreichen zu können, führt man in der LVG seit einiger Zeit Versuche mit mechanischer Reizbehandlung durch.

Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Pflanzen in der Natur auch Einflüssen wie Wind ausgesetzt sind und dadurch robuster werden. Durch 25 bis 100 „Streicheleinheiten“ (je nach Kulturart und Alter abhängig) mittels eines automatisierten Ãœberziehens der Kultur mit Papierstreifen wurden deutlich kompaktere Pflanzen erzielt. Diese mechanische Reizbehandlung führe zum stabileren Pflanzenaufbau, gleichzeitig auch zu einer Reduzierung der Trieblängen. Die Pflanzenmasse sei zwar beispielsweise beim rotlaubigem Basilikum und bei verschiedenen Minzearten im Vergleich zur Variante ohne mechanische Reizbehandlung geringer aber die Kräuter seien widerstandsfähiger und ansprechender im Verkauf. Wieviel Streicheleinheiten Jungpflanzen benötigten, dass sei je nach Kultur sehr unterschiedlich und müsse noch genauer ausgewertet werden. „Man muss sich jede Sorte anschauen, mit wie viel Streicheleinheiten sie zurecht kommt“, konstatiert Koch.

Dünger für die Erzeugung ökologischer Topfkräuter

Circa 150 Teilnehmer kamen zur Fachtagung nach Geisenheim. Zum Programm gehörte die Führung durch Belichtungsversuche im 350 m² großen Versuchsgewächshaus. Diese erläuterte Helmut Müller (4.v.l.) vom LLH-Standort Geisenheim.

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Zentrale Aussagen seines weiteren Vortrags zur Substratwahl und Düngung waren, dass die Freisetzung der Nährstoffe im Düngersubstrat insbesondere von der Temperatur abhängig ist. In der Praxis sei lange Zeit eine hohe Grunddüngung im Subs­trat üblich gewesen aufgrund einer fehlenden Alternative einer flüssigen organischen Nachdüngung für die Erzeugung ökologischer Topfkräuter. Eine nicht den Ansprüchen der Kulturen angepasste Düngung führe aber zur Gefahr von Salzschäden oder auch zum Anlocken von Schädlingen, wie Trauermücken.

Bei einer kontinuierlichen Nachdüngung von Organic Plant Feed (OPF) habe man eine Erhöhung des Frischgewichtes von Kräutern erzielt und bei Basilikum zeigte sich unabhängig von der Grundbevorratung eine etwas hellere Laubfarbe. Robert Koch empfahl auf Basis der angestellten Bonituren, Messergeb­nisse und Substratanalysen eine Grund­­düngung von etwa 6 g Phytoperls pro Liter Substrat in Kombination mit einer 0,25 prozentigen kontinuierlichen Nachdüngung von OPF.

Die Auswertungen werden in Kürze im In­­ternet veröffentlicht unter www.lvg-heidelberg.de.

Belichtete Pflanzen sind kräftiger

Welcher Lampentyp sollte für das Gewächshaus angeschafft werden, welche Leuchtstärke ist richtige und wieviel Stunden pro Tag sind für die Belichtung von Kräutern wirtschaftlich? Beziehungsweise: belichte ich besser am Tage oder in Nacht, oder in welchem Wuchsstadium der Pflan­zen ist dies am günstigsten? Über diese Fragen der Belichtung der Kulturen klärte Helmut Müller vom LLH Gartenbauzen­trum Geisenheim mittels aktueller Belichtungsversuche auf. Müller führte im Anschluss die Teilnehmer durch die Basilikum-Belichtungsversuche und stellte bei der Besichtigung heraus, dass belichtete Pflanzen wesentlich schneller und auch kompakter wachsen.

Investions- und Energiekosten von LED und SON-T unter der Lupe

Die Investitionskosten sind je nach Lampentyp zwischen rund 80 und 800 Euro je Lampe sehr unterschiedlich. Allerdings soll­ten die Investitionskosten je Quadratmeter Treibhausfläche verglichen werden, rät Müller. Bei den teureren Hochleistungs-Leuchtdioden (LED)-Lampen sei aber oftmals der Leuchtbereich größer, so dass man weniger Geräte benötige und unter Umständen sei die Lebensdauer höher; hierzu könne man im Moment aber noch keine exakten Aussagen treffen, so der Fachberater. Die Pflanzen würden etwa 30 Prozent der Lichtenergie nutzen können. Wie unterschiedliche Lampentypen auf Wachstum, Pflanzenhöhe und Frischmasse wirkten, zeigte Müller bei den Geisenheimer Petersilie- und Basilikumversuchen.

In der Praxis arbeitet man bisher aber noch wenig mit LED-Lampen, sonder überwiegend mit Natriumhochdruckdampflampen (SON-T). Beide Lampentypen hätten Vorteile und auch Nachteile, welche die Teilnehmer im Gewächshaus beim Vergleich der verschiedenen Lampentypen selbst für ihre Betriebe beurteilen sollten. Wichtiges Kriterium sei der Energieverbrauch je m² und Tag. Dieser lag bei den gezeigten Typen zwischen etwa 0,44 kWh/m²/Tag und circa 1 kWh/m²/Tag.

Schwimmhydroponik im Gewächshaus

Professorin Dr. Jana Schaller, Hochschule Rhein-Main/Forschungsanstalt Geisenheim und Dr. Sebas­tian Weinheimer vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum.

Thomas Jaksch von der Forschungsanstalt Freising-Weihenstephan sprach über die Nähr­stoffversorgung bei Bio-Topfkräutern mit Punktdüngung und über Möglichkeiten der Vorbeugung eines Befalls von Trauermücken, über Kulturführung und energiesparende Erzeugung im Basilikumanbau sowie über die Optimierung von Treibergebnissen bei Topfschnittlauch. Über Düngung, Pflanzenschutz von Freilandkulturen, insbesondere für den Petersiliegroßanbau für die Industrie sprach Dr. Sebastian Weinheimer, DLR, Neustadt. Weinheimer stellte das Modul N-Expert vor, mit Hilfe dessen die optimale Stickstoffmenge für jede Freiland-Schnittkräuterkultur ermittelt werden kann. Die optimale Bewässerung von Kräutern griff Prof. Dr. Jana Schaller auf.

Dr. Schaller sprach über das Thema „pflanzenbasierende Möglichkeiten zur Bewässerungssteuerung mittels der Schwimmhydroponik“ und stellte Verfahren für Petersilie und weitere Kräuter vor. Bei der Hydroponik wird auf ein Substrat völlig verzichtet, so dass die Wur­zeln der Kräuter in der Nährlösung schwimmen. Auf diese Weise ist eine exakte Düngezugabe möglich, die den Bedürfnissen der Pflanzen genau angepasst werden kann. Dr. Schaller hat nach ihrem Gartenbaustudium in Weihenstephan zum Dr. agr. an der Justus-Liebig-Universität Gießen promoviert. Ende vorigen Jahres hat sie die Gemüsebau-Professur an der Hochschule Rhein-Main in Geisenheim und die Leitung des Fachgebie­tes Gemüsebau der Forschungsanstalt Geisenheim übernommen.

Firmen und Organisationen informierten ergänzend

Willi Mondani, LLH Wies­baden und Magrit Dehe vom DLR in Rheinbach, lieferten weitere fachliche Details über den Anbau von Topfkräutern sowie Schnitt­kräutern für den Frischmarkt.

Kräutergetränke, als Probe mit In­formationen, gab es schließlich mit Simone Renth-Queins. Sie ist VEG-Vor­standsmitglied und war im Jahr 2000 zur Deutschen Weinkönigin gekürt worden. Beispielsweise wurde ein Palio Sec­co Lavendel mit Feige vom Weingut Köth gereicht. Begleitend fand ganztägig eine umfassende Fachausstellung von land­wirt­schaftlichen Organisationen und Gartenbaufirmen im Foyer der Hochschule statt. Moe