Jungpflanzen mögen „Streicheleinheiten“
Kräutertag der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen
Unter dem Motto „Zukunft wächst“ richtete vorige Woche die Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Woche Südhessen gemeinsam mit der Forschungsanstalt Geisenheim/Hochschule Rhein-Main einen Kräutertag im Campus Geisenheim aus. Die Veranstaltung vermittelte aktuelle Erkenntnisse von Versuchs- und Forschungseinrichtungen für frische Schnitt- und TopfÂkräuter und gab den circa 150 teilnehmenden Erzeugern und Sonderkulturanbauern aus Hessen, Rheinland-Pfalz und angrenzenden Bundesländern viele nützliche Tipps für ihre Betriebe mit.
In sieben Fachvorträgen wurden Anbautechnik, Kulturentwicklung sowie Bewässerung und Vermarktung aufgegriffen. Experten der LVG Heidelberg, von Forschungsanstalten in Freising und Geisenheim, des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen und des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz erläuterten Trends aus dieser sehr speziellen Kultursparte. Auf Erzeugerebene werden in Deutschland etwa 46 Mio. Euro mit Topfkräutern und circa 10 Mio. Euro mit Schnittkräutern erlöst. In Hessen werden auf rund 280 ha frische Küchenkräuter und auf circa 1200 ha Arznei- und Gewürzpflanzen angebaut. Das erläuterte Ulrich Groos, Fachberater für Gemüseanbau im LanÂdesbetrieb Landwirtschaft Hessen, der ebenso durch die Fachtagung führte. Der überregionale Kräutertag ist eine gemeinsame Veranstaltung verschiedener Organisationen im Zuge der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen und wird insbesondere vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, vom HesÂsischen Bauernverband und vom Hessischen Gärtnereiverband gefördert.Mit Pflanzensstärkungsmittel Pilzbefall vorbeugen
Robert Koch von der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Baden-Württemberg (LVG) in Heidelberg berichtete über neueste VersuchsÂergebnisse im ökologiÂschen Anbau von Küchenkräutern. Er informierte ferÂner über den Einsatz von PflanÂÂÂzenstärkungsmittel, um beispielsweise einen Pilzbefall wie durch Falschen Mehltau zu verhindern.
Es zeigte sich, dass eine wöchentlich, vorbeugenÂde Ausbringung des ökologiÂschen Mittels ViÂcare zu beÂÂfallsÂfreien ParÂzellen führt. Die Pflanzen blieben im Vergleich zu den Kontrollvarianten auch sichtbar kompakter und bilÂdeten kleinere Blattspreiten aus, erläuterte Koch. Allerdings blieb der Einsatz von andeÂren PflanÂzenÂstärÂkungsmitteln wie Süßholzextrakt häufig ohne einen positiven EinÂÂfluss. Außerderm konnte ein ViÂcaÂre-Einsatz nach einem Befall der Pflanzen mit Mehltau die Pilzausbreitung nicht mehr verhindern.
Je nach Kultur zwischen 25 und 100 Streicheleinheiten am Tag
Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Pflanzen in der Natur auch Einflüssen wie Wind ausgesetzt sind und dadurch robuster werden. Durch 25 bis 100 „Streicheleinheiten“ (je nach Kulturart und Alter abhängig) mittels eines automatisierten Ãœberziehens der Kultur mit Papierstreifen wurden deutlich kompaktere Pflanzen erzielt. Diese mechanische Reizbehandlung führe zum stabileren Pflanzenaufbau, gleichzeitig auch zu einer Reduzierung der Trieblängen. Die Pflanzenmasse sei zwar beispielsweise beim rotlaubigem Basilikum und bei verschiedenen Minzearten im Vergleich zur Variante ohne mechanische Reizbehandlung geringer aber die Kräuter seien widerstandsfähiger und ansprechender im Verkauf. Wieviel Streicheleinheiten Jungpflanzen benötigten, dass sei je nach Kultur sehr unterschiedlich und müsse noch genauer ausgewertet werden. „Man muss sich jede Sorte anschauen, mit wie viel Streicheleinheiten sie zurecht kommt“, konstatiert Koch.
Dünger für die Erzeugung ökologischer Topfkräuter
Zentrale Aussagen seines weiteren Vortrags zur Substratwahl und Düngung waren, dass die Freisetzung der Nährstoffe im Düngersubstrat insbesondere von der Temperatur abhängig ist. In der Praxis sei lange Zeit eine hohe Grunddüngung im SubsÂtrat üblich gewesen aufgrund einer fehlenden Alternative einer flüssigen organischen Nachdüngung für die Erzeugung ökologischer Topfkräuter. Eine nicht den Ansprüchen der Kulturen angepasste Düngung führe aber zur Gefahr von Salzschäden oder auch zum Anlocken von Schädlingen, wie Trauermücken.Bei einer kontinuierlichen Nachdüngung von Organic Plant Feed (OPF) habe man eine Erhöhung des Frischgewichtes von Kräutern erzielt und bei Basilikum zeigte sich unabhängig von der Grundbevorratung eine etwas hellere Laubfarbe. Robert Koch empfahl auf Basis der angestellten Bonituren, MessergebÂnisse und Substratanalysen eine GrundÂÂdüngung von etwa 6 g Phytoperls pro Liter Substrat in Kombination mit einer 0,25 prozentigen kontinuierlichen Nachdüngung von OPF.
Die Auswertungen werden in Kürze im InÂÂternet veröffentlicht unter www.lvg-heidelberg.de.
Belichtete Pflanzen sind kräftiger
Welcher Lampentyp sollte für das Gewächshaus angeschafft werden, welche Leuchtstärke ist richtige und wieviel Stunden pro Tag sind für die Belichtung von Kräutern wirtschaftlich? Beziehungsweise: belichte ich besser am Tage oder in Nacht, oder in welchem Wuchsstadium der PflanÂzen ist dies am günstigsten? Ãœber diese Fragen der Belichtung der Kulturen klärte Helmut Müller vom LLH GartenbauzenÂtrum Geisenheim mittels aktueller Belichtungsversuche auf. Müller führte im Anschluss die Teilnehmer durch die Basilikum-Belichtungsversuche und stellte bei der Besichtigung heraus, dass belichtete Pflanzen wesentlich schneller und auch kompakter wachsen.
Investions- und Energiekosten von LED und SON-T unter der Lupe
Die Investitionskosten sind je nach Lampentyp zwischen rund 80 und 800 Euro je Lampe sehr unterschiedlich. Allerdings sollÂten die Investitionskosten je Quadratmeter Treibhausfläche verglichen werden, rät Müller. Bei den teureren Hochleistungs-Leuchtdioden (LED)-Lampen sei aber oftmals der Leuchtbereich größer, so dass man weniger Geräte benötige und unter Umständen sei die Lebensdauer höher; hierzu könne man im Moment aber noch keine exakten Aussagen treffen, so der Fachberater. Die Pflanzen würden etwa 30 Prozent der Lichtenergie nutzen können. Wie unterschiedliche Lampentypen auf Wachstum, Pflanzenhöhe und Frischmasse wirkten, zeigte Müller bei den Geisenheimer Petersilie- und Basilikumversuchen.
In der Praxis arbeitet man bisher aber noch wenig mit LED-Lampen, sonder überwiegend mit Natriumhochdruckdampflampen (SON-T). Beide Lampentypen hätten Vorteile und auch Nachteile, welche die Teilnehmer im Gewächshaus beim Vergleich der verschiedenen Lampentypen selbst für ihre Betriebe beurteilen sollten. Wichtiges Kriterium sei der Energieverbrauch je m² und Tag. Dieser lag bei den gezeigten Typen zwischen etwa 0,44 kWh/m²/Tag und circa 1 kWh/m²/Tag.
Schwimmhydroponik im Gewächshaus
Thomas Jaksch von der Forschungsanstalt Freising-Weihenstephan sprach über die NährÂstoffversorgung bei Bio-Topfkräutern mit Punktdüngung und über Möglichkeiten der Vorbeugung eines Befalls von Trauermücken, über Kulturführung und energiesparende Erzeugung im Basilikumanbau sowie über die Optimierung von Treibergebnissen bei Topfschnittlauch. Ãœber Düngung, Pflanzenschutz von Freilandkulturen, insbesondere für den Petersiliegroßanbau für die Industrie sprach Dr. Sebastian Weinheimer, DLR, Neustadt. Weinheimer stellte das Modul N-Expert vor, mit Hilfe dessen die optimale Stickstoffmenge für jede Freiland-Schnittkräuterkultur ermittelt werden kann. Die optimale Bewässerung von Kräutern griff Prof. Dr. Jana Schaller auf.Dr. Schaller sprach über das Thema „pflanzenbasierende Möglichkeiten zur Bewässerungssteuerung mittels der Schwimmhydroponik“ und stellte Verfahren für Petersilie und weitere Kräuter vor. Bei der Hydroponik wird auf ein Substrat völlig verzichtet, so dass die WurÂzeln der Kräuter in der Nährlösung schwimmen. Auf diese Weise ist eine exakte Düngezugabe möglich, die den Bedürfnissen der Pflanzen genau angepasst werden kann. Dr. Schaller hat nach ihrem Gartenbaustudium in Weihenstephan zum Dr. agr. an der Justus-Liebig-Universität Gießen promoviert. Ende vorigen Jahres hat sie die Gemüsebau-Professur an der Hochschule Rhein-Main in Geisenheim und die Leitung des FachgebieÂtes Gemüsebau der Forschungsanstalt Geisenheim übernommen.
Firmen und Organisationen informierten ergänzend
Willi Mondani, LLH WiesÂbaden und Magrit Dehe vom DLR in Rheinbach, lieferten weitere fachliche Details über den Anbau von Topfkräutern sowie SchnittÂkräutern für den Frischmarkt.
Kräutergetränke, als Probe mit InÂformationen, gab es schließlich mit Simone Renth-Queins. Sie ist VEG-VorÂstandsmitglied und war im Jahr 2000 zur Deutschen Weinkönigin gekürt worden. Beispielsweise wurde ein Palio SecÂco Lavendel mit Feige vom Weingut Köth gereicht. Begleitend fand ganztägig eine umfassende Fachausstellung von landÂwirtÂschaftlichen Organisationen und Gartenbaufirmen im Foyer der Hochschule statt. Moe