Kartellklage über 121 Mio. Euro für gemeinsamen Holzverkauf

Prozessfinanzierer treibt Forderung der Sägeindustrie ein

Eine Klage gegen das rheinland-pfälzische Forstministerium über rund 121 Millionen Euro Schadensersatz aufgrund angeblich kartellrechtswidriger Rundholzverkaufspraxis ist beim Landgericht Mainz eingegangen, teilte das Forstministerium von Ministerin Ulrike Höfken am Donnerstag vergangener Woche mit.

Seit 1. Januar 2019 vermarkten auch die rheinland-pfälzischen Gemeinden über die Holz­vermarktungs­organisationen ihr Holz. Der Großteil der Privatwald­besitzer vermarktet in Rheinland-Pfalz seit 2005 eigenständig in Holz­vermarktungs­organisationen, die als Pilotprojekt angelegt wurden.

Wie Ressortchefin Ulrike Höfken bemerkte, betrifft die Klage im Grunde nahezu alle Waldbesitzenden im Land. Kläger sei die „ASG 3“ – eine Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH. Diese behaupte, die 18 von ihr vertretenen Sägewerke hätten in den Jahren von 2005 bis 2020 zu hohe Preise für Rundholz zahlen müssen. Hinter dem Kläger steht nach Kenntnis des Umweltressorts das international operierende Unternehmen Burford Capital, nach eigener Aussage „der weltweit führende Prozessfinanzierer“.

Große Sorge um gefährdeten Wald

Diese Schadensersatzklage könne eine verheerende Wirkung für den Wald sowie dessen Pflege und Erhalt in ganz Rheinland-Pfalz entfalten und treffe die Waldbesitzer zu einem Zeitpunkt, an dem die Holzpreise infolge des klimawandelbedingten Waldsterbens am Boden lägen und die Waldbesitzenden kaum noch in der Lage seien, den Walderhalt finanziell zu stemmen, erklärte Höfken. In dieser Lage dächten viele Waldbesitzer bereits darüber nach, sich aus der Pflege des Waldes zurückzuziehen oder sich von ihrem Waldeigentum zu trennen. Burford Capital wolle sich offenbar nun am rheinland-pfälzischen Wald bereichern. „Wir werden uns gegen ein solches Vorgehen mit Entschiedenheit zur Wehr setzen“, kündigte die Ministerin an.

Der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebundes, Bürgermeister Aloysius Söhngen, sprach von einem „Angriff“ auf die rund 1 900 waldbesitzenden Kommunen sowie eine große Zahl Privatwaldbesitzender in Rheinland-Pfalz. Er verwies auf die großen Aufgaben der Forstwirtschaft, nämlich die Anpassung der Wälder an den Klimawandel und den Umgang mit Schäden durch Hitze und Borkenkäfer. „Wir brauchen unsere Ressourcen für die Bekämpfung dieser Herausforderungen“, so Söhngen. Auch der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes für Rheinland-Pfalz, Christian Keimer, zeigte sich irritiert über den Kartellvorwurf. Dass die Klage sich sogar noch auf die Jahre 2018 und bis in die Gegenwart erstrecke, schlage dem Fass buchstäblich den Boden aus.

Angesichts eines infolge der Klimakrise zu verzeichnenden dramatischen Preisverfalls von mindestens zwei Drittel des Niveaus von 2017 noch immer von kartellrechtswidrig überhöhten Rundholzpreisen zu sprechen, werde von den arg gebeutelten Waldbesitzern regelrecht als Hohn empfunden, sagte Keimer. Die Sägeindustrie sei immer dankbar gewesen für die Bündelung dieser Holzmengen, die ihnen großen Aufwand beim Einkauf und der Transportlogistik erspart habe. Nunmehr gewissermaßen zu behaupten, Rheinland-Pfalz mit seinen hunderttausenden von Waldbesitzenden sei ein Land voller Rechtsbrecher, „mutet da sehr befremdend an“.

Wie das Umweltministerium berichtete, hat die „ASG 3“ die vermeintlichen Forderungen der Sägewerker aufgekauft, um sie gebündelt gerichtlich einzuklagen und im Erfolgsfall die zugesprochenen Klagesummen an die Sägewerke auszuschütten – abzüglich eines beträchtlichen Eigenanteils. Ähnliche Klagen seien auch in den Forstministerien der Bundesländer Baden-Württemberg und laut Rheinpfalz online von Sonntag, 28. Juni, auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen eingegangen.

Landeswaldgesetz regelte praktizierten Holzverkauf

Höfken bezeichnete den Klagegrund als unverständlich. Sie stellte klar, dass der Holzverkauf über das staatliche Gemeinschaftsforstamt, also die gemeinsame Vermarktung von Holz aus staatlichen, kommunalen und privaten Wäldern, landesgesetzlich geregelt gewesen sei. Diese Praxis, die in ähnlicher Weise auch in anderen Bundesländern praktiziert worden sei, habe das Bundeskartellamt im Jahr 2009 unter Auflagen gegenüber diesen Ländern schriftlich bestätigt. Rheinland-Pfalz habe die vom Kartellamt gemachten Auflagen penibel eingehalten und ihm hierüber in dem vereinbarten Berichtszeitraum bis 2013 jährlich detailliert berichtet, betonte die Ministerin.

In einem zunächst gegen das Land Baden-Württemberg geführten erneuten Verfahren habe das Kartellamt sodann weitergehende Forderungen erhoben, die auch auf die übrigen Bundesländer mit ähnlichen Strukturen zielten, führte die Umweltministerin aus. Rheinland-Pfalz habe vor diesem Hintergrund seine eigene Vermarktungsstruktur vorsorglich verändert.

Holzvermarktung der Kommunen seit 2019

Seit Anfang 2019 vermarkteten kommunale und der Großteil der privaten Forstbetriebe ihr Holz eigenständig. Hierzu seien fünf kommunale Vermarktungsorganisationen gegründet worden. Höfken betonte, dass man angesichts der bereits gegen andere Länder in gleicher Sache eingegangenen Klagen seit längerem gut vorbereitet sei. Es gelte nunmehr, eine auf die besonderen Umstände in Rheinland-Pfalz abgestimmte Verteidigung gegen die Vorwürfe vorzulegen und die zuständige Zivilkammer am Landgericht Mainz von der Fehlerhaftigkeit der Einordnung der langjährigen Verkaufspraxis als verbotenes schädigendes Kartell zu überzeugen. Die gemeinsame Vermarktung des Holzes aus dem Staatswald und aus kommunalen und privaten Wäldern sei historisch gewachsen, hob die Ressortchefin hervor. Sie sei aufgrund der kleinteiligen Waldbesitzerstruktur in Rheinland-Pfalz mit einer Vielzahl für sich nicht marktfähiger Splitterwaldflächen viele Jahre lang praktiziert worden.

Historisch bedingte Bündelung des Holzes

Die Bündelung der Holzvermarktung lag angesichts einer stetig wachsenden und erheblichen Nachfrage im öffentlichen Interesse einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und ausreichenden Holzmobilisierung, von der auch die Sägewerke profitierten. Seit 2019 vermarkten auch kommunale Forstbetriebe ihr Holz eigenständig. Hierzu wurden unter anderem fünf kommunale Vermarktungsorganisationen gegründet. Es sind dies

  • die Kommunale Holzvermarktungsgesellschaft Westerwald-Rhein-Taunus GmbH (Höhr-Grenzhausen),
  • die Kommunale Holzvermarktungsorganisation Eifel GmbH (Hillesheim),
  • Kommunale Holzvermarktungsorganisation Hunsrück-Mittelrhein (Rheinböllen),
  • die Kommunale Holzvermarktungsorganisation Rheinland-Pfalz Südwest GmbH (Morbach) sowie
  • die Kommunale Holzvermarktung Pfalz GmbH (Maikammer).
LW – LW 27/2020