Kirschessigfliege ist die große Herausforderung

Dennoch Sparkurs im rheinland-pfälzischen Obstbau

Im Rahmen der Agrartage Rheinhessen lud am Mittwochnachmittag Martin Balmer, der Leiter des Kompetenzzentrums Gartenbau in Klein-Altendorf, zum rheinhessischen Obstbautag in die Ludwig-Eckes-Halle ein. Für die Obstbauern war das Jahr 2014 ein schwieriges Jahr. Nicht nur, dass es in niederen Lagen am Rhein Spätfröste gab, nein dann kam die Kirschessigfliege – die Herausforderung schlechthin. „Es müssen Pflanzenschutzmittel vorhanden sein, um solchen Schädlingen entgegenzutreten“, sagte Balmer.

Es muss wohl ein Maßnahmenpaket gegen die Kirschessigfliege entwickelt werden, nur Pflanzenschutz alleine genügt nicht.

Foto: Setzepfand

„Doch besonders in kleinen Kulturen, wie Pfirsich oder Aprikose, ist es schwierig noch passende Pflanzenschutzmittel zu erhalten. Und zu alledem möchte die Landesregierung einen ausgeglichenen Haushalt bis 2020 vorlegen und spart an den Obstbauberatern im ganzen Land. Wer in Ruhestand geht wird nicht mehr ersetzt“, erklärte Balmer. Und daran habe auch die Tatsache, dass mit der Kirschessigfliege eine große wirtschaftliche Bedrohung für die heimischen Obst- und Weinbaubetriebe bestehe, nichts geändert. Es werde intensiv an einer kostenpflichtigen Beratung gearbeitet. „Wahrscheinlich im nächsten Jahr wird es so weit sein“, sagte Balmer.

Wie soll da der Kirschessigfliege Einhalt geboten werden? Auf diese Frage hatte auch Dr. Kirsten Köppler vom LTZ Augustenberg keine Antwort. Sie stellte fest, dass Drosophila suzukii kein Tempolimit kenne, dass das kleine Tier erstmals 2008 zeitgleich von Asien nach Amerika und Europa gelangte und sich seither rasant ausbreitet. 2010 fand man die Kirschessigfliege bereits in Italien, Frankreich und Spanien. Das Julius Kühn-Institut hat im November 2009 eine Express-Risikoanalyse erstellt.

Seit 2014 in ganz Europa verbreitet

2010 habe man in Baden-Württemberg mit dem Monitoring begonnen. Ende 2011 wurden die ersten Drosophila suzukii in Deutschland entdeckt. Seit vergangenem Jahr findet sich die Kirschessigfliege in ganz Europa, ja selbst in England und Polen wurde sie entdeckt. Da das Weibchen eine Säge am Eiablageapperat besitzt, ist es in der Lage, unverletzte, reife Früchte aufzubrechen, insgesamt rund 200 bis 400 Eier kann ein weibliches Tier ablegen. Innerhalb eines Tages können sich die Larven entwickeln, sie ernähren sich vom Fruchtgewebe. Die Tiere sind zwischen 10 und 30° C aktiv, das Optimum liegt zwischen 20 und 25° C. Ein Generationszyklus dauert rund 14 Tage. Das bedeutet, dass ein frisch geschlüpftes Weibchen bereits am ersten, spätestens am zweiten Tag die Eiablage in einer reifen Frucht vornimmt. Bei 25° C entwickeln sich die Larven in der Frucht über drei Larvenstadien innerhalb von neun bis elf Tagen zum erwachsenen Tier. „Wir vermuten, dass in Mitteleuropa zwischen fünf und acht Generationen pro Jahr möglich sind“, erklärte Köppler.

Larven sind überhaupt nicht wählerisch

Die Art sei nicht wählerisch. Man habe Drosophila suzukii nicht nur in Kulturpflanzen, sondern auch in Wild- und Zierpflanzen gefunden. So sind die Larven in den Beeren der Maiglöckchen, der Einbeere, der Eibe, Holunder, Schlehe, Vogelkirsche, Hartriegel, Kirschlorbeer, Mahonie, Zaunrübe, Schwarzer Nachtschatten, Kermesbeere und selbst in Efeu.

Man konnte bisher keinen Zusammenhang zwischen Befall und Fangzahlen feststellen. Denn meistens wurden hohe Fangzahlen gemessen, wenn die Früchte geerntet oder aber die neue Generation ausgeschlüpft war. Die Verlustschätzungen der Märkte in Baden-Württemberg liegen für Obst bei rund 4,2 Mio. Euro. „So lange die Köderflüßigkeiten der Fallen nicht attraktiver als die Früchte sind, sind die Fallen nicht zur Bekämpfung geeignet“, sagte Köppler. Man habe viele Fallentypen und verschiedenste Flüssigkeiten getestet, doch bisher kein durchschlagender Erfolg. Allerdings gibt es einzelne Erfahrungen aus Italien und der Schweiz zum Massenfang mit Köderflüssigkeiten vor einer Einnetzung oder vor der reife der Früchte.

Langfristig wolle man Köderverfahren entwickeln mit Fraßstimulantien und Insektiziden. Weiterhin werde das Verhalten und die Biologie des Schädlings untersucht, wie Überwinterungsorte. Auch wolle man mögliche natürliche Gegenspieler ausfindig machen, entweder im Ursprungsland oder hier, um die Population auf natürlichem Wege einzudämmen. Forscher in den USA haben festgestellt, dass die Wintergeneration der Kirschessigfliege größer und dunkler ist und somit länger bei niedrigeren Temperaturen überleben kann als die Sommergeneration, die deutlich kleiner und weniger dunkel ist. Damit scheint die Art eine weitere effektive Überlebensstrategie zu besitzen. Langfristig möchte man auch das Einnetzen ganzer Kulturen erproben. „Hier gibt es Erfahrungen aus Südtirol. Ein Landwirt hat seine Süßkirschenanlage vor sechs Jahren eingenetzt und konnte bisher erfolgreich die Kirschessigfliege draußen halten“, sagte Köppler. Die Bundesfachgruppe Obstbau hat Zulassungen nach Art. 53 EU-VO 1107/2009 gestellt für Spintor in Süß- und Sauerkirschen, Pflaumen, Himbeeren (ohne Herbsthimbeeren), Brombeeren, Heidelbeeren und Holunder. Sowie für Karate Zeon in himbeerartigem Beerenobst, auch Johannisbeeren, Heidelbeeren und Holunder. Zusätzlich wurde 2015 der Antrag für den Wirkstoff Cyantraniliprole (Cyazypyr) in Kirschen und Pflaumen gestellt. Derzeit wirksame Wirkstoffe sind Pyrethroide, Organophosphate und Spinosyne.

Insektizide alleine, das ist nicht ausreichend

Die Ergebnisse der Pflanzenschutzmitteleinsätze aus dem vergangenen Jahr sind nicht einheitlich. Die Behandlungshäufigkeiten und -intervalle sowie die Wartezeiten der in den Kulturen mit anderen Indikationen zugelassenen Insektizide für Kirschessigfliege sind nicht ausreichend. Außerdem bestehe natürlich auch die Gefahr der Resistenzbildung. Und man wisse nicht, wie die PSM-Einsätze auf Nichtzielorganismen wirken. „Daher ist man davon überzeugt: Insektizide als alleinige Maßnahme, das ist nicht ausreichend“, gestand Köppler.

Auch einem aktuellen Thema widmete sich Martin Keller von der Firma Fenaco, Beratung Sonderkulturen aus der Schweiz. Es ging in seinem Vortrag um Blattdüngung, ist diese Luxus oder Notwendigkeit, fragte er. Keller bemerkte gleich: „Wenn die Grundaufgaben des Obstbaus nicht erledigt sind, dann kann eine Blattdüngung auch nichts mehr retten.“ Doch wenn diese erledigt sind und man mehr Premiumfrüchte ernten möchte, dann mache die Blattdüngung Sinn. Keller schlägt eine Blattdüngung vor, wenn folgende Bedingungen vorherrschen:

  • mangelnde Nährstoffumsetzung,
  • Trockenheit und schlechte Löslichkeit,
  • kühle Witterung in der Vegetationszeit,
  • wenn durch Nässe der Luftaustausch nicht gewährleitet ist,
  • bei wenig Licht,
  • bei explosivem Wachstum und
  • bei Antagonismus im Boden oder in der Pflanze.

Keller argumentiert betriebswirtschaftlich: „Wer heute eine Obstanlage plant, muss mit einer Amortisation erst nach 15 Jahren rechnen, besser wären neun oder zehn Jahre. Davor wird viel Zeit in den Aufbau der Bäume gesteckt.“ Betrachtet man nun die jährliche Bilanz einer Kirschenkultur, so zeigt sich, dass die Pflanzenschutz- und Düngekosten recht minimal sind. Dass jedoch der erzielte Preis für die Premiumklasse sowie der Anteil der Premiumklasse an der Gesamternte die zwei ausschlaggebenden Faktoren für einen Erfolg sind. „Und Düngung und Pflanzenschutz haben einen großen Einfluss auf den Preis der Premiumklasse sowie den Anteil der Premiumklasse“, betonte Keller. Bei Äpfeln ist die Ernteleistung noch recht wichtig in der Bilanz, doch ansonsten gelte dort dasselbe.

Wo kann der Obstbauer anfangen zu schrauben? Man müsse sich veranschaulichen, dass die wichtigste Phase der Pflanzenentwicklung die Zellteilung ist. Doch am 21. Juni ist schon Sonnenwende, ab dort beginnt die Pflanze, sich auf den nächsten Winter vorzubereiten. „Das heißt, wenn ich oben in meinen Kirschen oder Äpfeln etwas sehen möchte von der Düngung, dann muss diese im zeitigen Frühjahr erfolgen“, erklärte Keller. Bei Äpfeln gibt es folgende Regel: Ab der Sonnenwende nimmt der Baum das Calcium aus der Frucht und nicht aus dem Boden. So kommt es zur Stippe.

Blattanalysen zeigen genau, welche Nährstoffe derzeit fehlen

Keller mache oft Blattanalysen, um den richtigen Nährstoff zuzuführen. So sei die Photosyntheseleistung eines Baumes bei Bor- oder Eisenmangel sehr reduziert, eine Gabe an Stickstoff wäre dann total unnötig. Der richtige Zeitpunkt für Blattdünger ist bei Kernobst nach der Blüte im Mausohrstadium, bei Birnen kann auch eine Bordüngung am Ende des Sommers sinnvoll sein, damit das Bor für die nächste Blüte im Holz ist.

Auch im Steinobst könne eine Nacherntebehandlung mit Bor oder Zink bis Mitte September Sinn machen, Bor für die Blüte im nächsten Jahr und Zink zur besseren Winterhärte. Ganz grundsätzlich gelte, dass man lieber einmal mehr auf das Blatt dünge in geringer Konzentration als viel auf einmal.

zep – LW 6/2015