Klärschlammverbot setzt auf Science-Fiction

Zum Thema Klärschlamm haben sich CDU und SPD im vorliegenden Koalitionsvertrag ungewöhnlich klar positioniert. Dort heißt es unter dem Punkt Gewässer- und Meeresschutz: „Wir werden die Klärschlamm­ausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.“ Diese Aussage ist in ihrer Deutlichkeit neben all dem „wir wollen“ und „wenn möglich“ oder auch „wir streben an“ durchaus bemerkenswert, vor allem die Ankündigung, die Nährstoffe im Klärschlamm (KS) weiterhin nutzen zu wollen.

Offenbar haben die Koalitionäre in Berlin den Stein der Weisen entdeckt und ein Verfahren entwickelt, mit dem der Phosphor-Anteil aus Klärschläm­men zurückgewonnen werden kann, und zwar zu darstellbaren Preisen! Aktueller Sachstand ist nämlich, dass man Phosphat am praktikabelsten aus der KS-Asche nach dessen Verbrennung recycelt. Beides – Verbrennen und P-Extraktion – ist sehr energie- beziehungsweise kostenintensiv, ebenso die Extraktion direkt aus dem Schlamm.

Hoffentlich sind diese Kosten in die geplanten Mehrausgaben des kommenden Haus­haltes eingerechnet, denn sonst kann es für den künftigen Finanzminister noch teurer werden. Bisher jedenfalls ist das aus Klärschlamm gewonnene Sekundär-Phosphat deutlich teurer als solches aus natürlichen Lagerstätten. Entweder wird also die P-Rückgewinnung und -Nutzung subventioniert oder der Rohstoff ir­gendwo auf Halde gelegt – vielleicht wird die Nutzung ja in ferner Zukunft wirtschaftlich.

Ganz außer Acht gelassen wird bei dieser Diskussion, dass Klärschlamm den Böden nicht nur Phosphor, sondern auch Humus und Spurenelemente zuführt. Fachlich gesehen gibt es keinen Grund, Klärschlämme nicht als Dünger zu nutzen, vorausgesetzt die Grenzwerte für Schadstoffe werden eingehalten. Hier besteht eher ein Ansatzpunkt für Verbesserungen; wie wäre es mit einem Absatz: Es ist dafür zu sorgen, dass Abwässer nicht unnötig mit Schadstoffen belastet werden.

Trotz des Koalitionsvertrages muss sich die Politik letztlich am Machbaren ausrichten, wie bei den übrigen Vereinbarungen auch. Es besteht also Hoffnung, dass beim Klärschlamm eine vernünftige Lösung gefunden wird.

Karsten Becker