Klein, aber fein: hessischer Speisemohn

Seit zehn Jahren im Anbau auf dem Betrieb Jung in Pohlheim

Der auffallend blühende Schlafmohn bereichert nicht nur das Landschaftsbild. Wer Zeit und Enthusiasmus in Anbau und Verarbeitung investiert, erhält hochwertige Nischenprodukte für die Direktvermarktung.

Eine Augenweide ab Ende Juni: blühender Schlafmohn.

Foto: Jung

Mohnbauer Alexander Jung aus Pohlheim bei Gießen ist Landwirt im Nebenerwerb. Vor etwa zehn Jahren hat er seine Leidenschaft für den Mohnanbau entdeckt. Bevor er die winzigen Samen zum ersten Mal auf einer Fläche von einem Hektar aussäen konnte, hat Jung ein komplettes Jahr in die ausführliche Recherche investiert. Inzwischen kann er pro Jahr auf zwei bis vier Hektar Speisemohn anbauen.

Mohnanbau ist in Deutschland genehmigungspflichtig

Die Mohnsamen, die bei uns zu Back- und Speisezwecken in den Handel kommen, stammen überwiegend aus dem Ausland. Wichtige Erzeugerländer sind die Türkei, Tschechien und Ungarn. Auch in Österreich hat der Anbau von Speisemohn eine lange Tradition. In Deutschland war er zwei Jahrzehnte lang verboten. Der Grund: Mohnsamen stammen vom Schlafmohn – eine morphinhaltige Pflanze, aus der Opium gewonnen wird. Mittlerweile sind in Deutschland drei morphinfreie Schlafmohnsorten zugelassen, die unbedenklich als Lebensmittel geeignet sind. Dennoch ist ihr Anbau genehmigungspflichtig. Zuständig ist die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Die Aussaat des Speisemohns findet an frostfreien Tagen Ende März/Anfang April statt: mit weniger als einem Kilogramm Saatgut pro Hektar. Weil Mohn frostempfindlich ist, darf nicht zu früh gesät werden. Wartet man zu lange, unterdrücken Gräser und Wildkräuter die langsam wachsende und wenig bodenbedeckende Kultur.

Anfangs hat Jung es mit einer Startdüngung probiert. Da das keinen sichtbaren Erfolg erzielt hat, spart er mittlerweile die Kosten dafür. Zugelassene Pflanzenschutzmittel für Mohn gibt es in Deutschland wenig bis keine und wenn, dann nur mit einer weiteren Sondergenehmigung – wahrscheinlich, weil sich für Anbieter aufgrund der geringen deutschlandweiten Anbaufläche (rund 100 Hektar) das Zulassungsverfahren nicht rechnen würde. Mohnbauer Jung hat schon verschiedene Methoden gegen die Beikräuter probiert, zum Beispiel ein falsches Saatbett oder die regelmäßige mechanische Bearbeitung der Fläche über den Winter. Dieses Jahr will er es mit einer mechanischen Hackmaschine versuchen. Vermutlich wird aber auch das nicht das zweiwöchige händische Unkrautrupfen ersetzen, zu dem im Sommer die ganze Familie aufs Feld kommt. Wenn im August die Ernte mit dem Mähdrescher eingefahren ist, beginnt die anspruchsvolle Verarbeitung. Am Ende steht ein Ertrag von 400 bis 600 kg Mohn pro Hektar.

Verarbeitung und Vermarktung als Rohkostprodukte

Alexander Jung vermarktet Mohn und Mohnerzeugnisse als Rohkostprodukte. Das bedeutet, dass der Mohn unter 42 Grad getrocknet werden muss. Dazu breitet er die Ernte auf dem Hallenboden aus und wendet sie händisch mit dem Rechen ein- bis dreimal täglich.

Die anschließende Saatgutreinigung der 0,6 bis 0,9 mm kleinen nierenförmigen Mohnkörner war für ihn zunächst nicht zufriedenstellend. Deshalb hat Jung – der im Hauptberuf Maschinenbautechniker ist – eine eigene Reinigungsanlage entwickelt, bei der er die Siebe im Hundertstelbereich variieren kann. Herausforderung für den Reinigungsprozess ist, dass es viel Fremdbesatz durch Beigewächse gibt, der sowohl in den Rolleigenschaften als auch in Größe und Dichte dem Mohn sehr ähnlich und deshalb durch Rollen, Siebe und Wind nur schwer trennbar ist.

In Deutschland ist Mohn ein absolutes Nischenprodukt. Verbraucher kennen die Samen hauptsächlich in und auf Backwaren und – dank Urlaub in Österreich – zu Germknödeln oder anderen süßen Hauptspeisen. Damit sein Mohn und die daraus verarbeiteten Produkte keine Ladenhüter werden, muss Jung viel Aufklärungsarbeit leisten. Rund 70 bis 80 Prozent seiner Arbeitszeit auf dem landwirtschaftlichen Betrieb investiert der Direktvermarkter in Marketing und Vertrieb. Er beliefert einige Hofläden und zwei kleine Bäckereien in der Umgebung.

Weil die Einsatzmöglichkeiten für Mohnsamen beim Endverbraucher begrenzt sind, weitet Jung sein Sortiment auf verarbeitete Mohnprodukte aus: Mehrmals im Monat verpresst er die feinen Samen zu einem hochwertigen Öl, das geschmacklich an Nüsse erinnert und eine ähnliche Fettsäurezusammensetzung aufweist wie Leinöl. Aus dem verbleibenden Presskuchen stellt Jung Mohnmehl her. Für die Verarbeitung hat der landwirtschaftliche Betrieb zwei alte Pferdeställe umgebaut. Einer dient als Lager und einer als Produktionsraum, wo die Ölmühle steht, die neben Mohn auch Raps in Rohkostqualität verpresst. Kontakt: Hof Jung, Hauptstr. 71 , 35415 Pohlheim, www.hofjung-pohlheim.de

MGH – LW 32/2022