Konsequenzen aus Erfahrungen mit dem 14er

Fachvorträge der Agrartage vom Rebstock bis zur Vermarktung

„Rheinhessen innovativ – dynamisch – kompetent“, so das Motto der Agrartage in Nieder-Olm, unter dem sich alle Fachvorträge wiederfinden konnten. Die Referenten schlugen einen weiten Bogen vom Weinbau über die Kellerwirtschaft bis zur Preisfindung beim Direktabsatz.

Die Messe der kurzen Wege ermöglicht es die Vortragsveranstaltungen mit dem Besuch der Ausstellung zu verbinden.

Foto: Torsten Silz

Otto Schätzel, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück (RNH) sieht Rheinhessen auf einem guten Weg. Seit 2007 hat die Region einen Markenprozess in Gang gesetzt und entwickelt die Dachmarke Rheinhessen mit dem Qualitätszeichen „Rheinhessen ausgezeichnet“. Diese Auszeichnung erhalten herausragende regionaltypische Angebote nach bestimmten Richtlinien und Zertifizierungen. Bisher wurden 19 Vinotheken, zwölf Weinfeste und etliche Weinerlebnisangebote ausgezeichnet. Die Winzer investieren in ihre Betriebe und setzen auch auf Tourismus.

Grenzen der Extensivierung des Qualitätsweinbaus erreicht

Dr. Bernd Prior, DLR RNH, beschrieb den Witterungsverlauf und die Vegetationsperiode 2014. Die feuchtwarme Reifephase war das Problem des Jahrganges. Als Konsequenz daraus erlangen weinbauliche Maßnahmen zur Fäulnisvermeidung einen besonderen Stellenwert. Prior empfiehlt auf ausgeglichenen Wuchs zu achten durch standortangepasste Bodenpflege und Stockbelastung. Eine Auflockerung der Laubwand- und Traubenstruktur habe sich 2014 bewährt, gepaart mit sachgerechtem Pflanzenschutz. Bei Rebpflanzungen ist eine an den Standort angepasste Sorte sehr wichtig. Frühreife rote Sorten dürfen künftig nicht in die Nähe von Obstanlagen gesetzt werden, um dem Kirschessigfliegenbefall aus dem Wege zu gehen. Die Grenzen der Extensivierung des Qualitätsweinbaus sieht Prior vor allem beim Rotweinanbau erreicht. Eine Risikominimierung ist mit einem Mehraufwand und Mehrkosten im Anbau verbunden.

Heinrich Schlamp geht in Ruhestand und hielt seinen letzten Vortrag bei den Agrartagen. Schlamp zog nach seinen jahrzehntelangen Erfahrungen den Schluss, dass sich die Weinjahre in weiten Abständen wiederholen. „Leider vergessen wir die gemachten Erfahrungen allzu schnell.“ Kosteneinsparung und Extensivierung haben ihre Grenzen, meint auch Schlamp. Qualität erfordere Handarbeit. Eine termingerechte Entblätterung der Traubenzone müsse nicht mehr diskutiert werden.

Rentabilität im Weinbau – was sind entscheidende Faktoren?

Beeindruckend legte Dr. Jürgen Oberhofer, DLR Rheinpfalz, dar, dass Weinbaubetriebe bei den derzeitigen Marktpreisen in allen Vermarktungsformen erfolgreich sein können. Für hohe Betriebsgewinne bedürfe es einer entsprechenden Flächenausstattung, ausreichend hoher Erträge, effizientem möglichst niedrigem Arbeitseinsatz pro Hektar sowie möglichst niedrigen Aufwendungen in allen Betriebsbereichen. Der Gewinn hänge entscheidend von den unternehmerischen Fähigkeiten des Betriebsleiters ab.

Matthias Gutzler und Bernd Wechsler, Kompetenzzentrum Weinmarkt & Weinmarketing, stellten fest, dass viele Flaschenwein vermarktende Betriebe Preiserhöhungen realisieren müssen, weil die Preisfestsetzung in Weingütern oft nicht kostenbezogen sei. Eine Preiserhöhung beginnt im Kopf des Winzers, der im direkten Kontakt zum Kunden informieren könne. Oft werden zu viele und überzogene Rabatte gewährt. Bei Preiserhöhungen sollten die Winzer den Kundennutzen in den Fokus stellen. Eine klare Preisdifferenzierung für Produktvarianten und Kundensegmente ist wichtig.

Ringberater Matthias Klös und Stefan Schmidt berichteten von den Leistungen des Weinbau Qualitätsmanagement (WQM). Der Verein hat sich eine konsequente Ausrichtung an die Vorgaben der Vermarktungspartner zum Ziel gesetzt, um eine Weinerzeugung „ins Blaue“ hinein zu vermeiden. Der WQM will mit seinen Projektwinzern Arbeitsabläufe optimieren und zielgerichtet genau den Wein erzeugen, den ein Handelspartner wünscht. Das Angebot bündeln und gleichbleibende Qualität erzeugen ist Ziel des WQM.

Norbert Breier, DLR RNH, gab Denkanstöße zur Weinstildifferenzierung mit oenologischen Maßnahmen, natürlich abhängig vom Lesegut. Breier berichtete von einem Versuch beim 14er Jahrgang, wobei er den Ausbau von Riesling unterschied für Gutswein, Ortswein und Lagenwein. Erreicht werden sollte beim Gutswein fruchtige Frische, ein sauberer klarer Wein ohne Schnörkel. Der Ortswein sollte mehr Fülle und Dichte haben mit verspielter Nase. Vom Lagenwein wird zudem Alterungspotenzial und Fülle erwartet.

Breier konstatierte, dass sich die Weinqualität in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt habe. Eine Abkehr von bewährten, erfolgreichen Abläufen müsse gut überlegt werden. Gerade die junge Winzergeneration versuche sich über die Individualität ihrer Weine zu profilieren.

Die Weinprobe am Donnerstagnachmittag befasste sich mit Weinstilistik und der Frage was typisch für Rheinhessen ist. Solide Silvaner und große Rieslinge mit Lagerpotenzial. Jörg Weiand wies auf den 100. Geburtstag der Scheurebe hin. Matthias Gutzler bezeichnet den Spätburgunder als eine Visitenkarte für die Region.

Förderung der Qualitäts- und Herkunftsorientierung

Prof. Dr. Hannes R. Schultz, Hochschule Geisenheim, befasste sich mit den Bestandteilen des Weinaromas einzelner Rebsorten. Er berichtete von einem direkten Zusammenhang zwischen Bodenwassergehalten und den Aromastoffen in der Beerenhaut der Trauben. Zum Beispiel steigt bei Wassermangel der Gehalt an Terpenen. Es gibt offensichtlich ein Zusammenhang zwischen weinbaulichen Maßnahmen, wie Entblätterung, Standortfaktoren und Aromen. Die Inhaltsstoffe der Sorten sowie die Reaktionstypen auf Umweltfaktoren bedingen ein sehr differenziertes weinbauliches Vorgehen, um Sortencharakter und Herkunftscharakteristik zu optimieren.

Über kellerwirtschaftliche Maßnahmen zur Optimierung der Weintypizität berichtete Prof. Robert Steidl, Klosterneuburg aus Österreich. Als erstes stellt er klar, dass Qualität im Weinberg entstehe und im Keller bestenfalls erhalten werden könne. Steidl ist ein Verfechter von blanken Mosten. Das vermeide Böckser und fördere eine möglichst klare Frucht und Reintönigkeit. „Die Trübung ist entscheidend“, ist Steidl überzeugt. Hatte man früher einen Trübungswert von 100 bis 200 NTU, so ist es heute das Ziel unter 50 bis 100 NTU zu kommen. Durch schonende Kellerarbeit bleibt das Aroma beim Weinausbau erhalten.

Umgang mit flüchtige Säure im Wein

Ein Thema über das niemand gerne spricht ist die flüchtige Säure, die im 14er Jahrgang Probleme macht. Bei filigranen Weißweinen werden oft schon 0,5 g/l flüchtige Säure als Fehlton empfunden, während bei gehaltvollen, aromatischen Weißweinen häufig bis zu 0,8 g/l flüchtige Säure nicht beanstandet wird. Bei Rotwein liegt die Wahrnehmungsschwelle meist um 0,2 bis 0,3 g/l höher. Die Behandlung und Weiterverarbeitung von vorbelasteten Jungweinen kann, laut Ulrich Hamm, nach drei Strategien und deren Kombination erfolgen, solange die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten sind: Weinverschnitt bis die flüchtige Säure sensorisch nicht mehr negativ beurteilt wird. Durch Hefeschönungen lassen sich leichte Fehler maskieren, auch der Einsatz von Holz oder Tannin kann helfen, aber bei erhöhten Gehalten sind diese Vorgehen wirkungslos, wie Hamm erklärte. Die einzige sichere Entfernung der flüchtigen Säure ermögliche die Umkehrosmose. Das relativ teure Verfahren beanspruche die Weine und führe zu einem Qualitätsverlust, mache also nur in Ausnahmefällen Sinn, meint Hamm.

Dr. Georg Hill und Jürgen Wagenitz informierten umfassend über die Kirschessigfliege. Lesen Sie dazu den Artikel auf Seite 44 und die Fortsetzung nächste Woche. Ein Höhepunkt der Agrartage war die Jung.Wein.Nacht am Donnerstagabend, die mit dem Ausstellerempfang startete. Die Landjugend und der Verein der ehemaligen Oppenheimer (VEO) boten wiederum eine Plattform für Jung und Alt sich kennenzulernen und dauerhafte Kontakte zu knüpfen. So entsteht ein Netzwerk, das der ganzen Branche gut tut.

bs – LW 6/2015