Kooperativer Naturschutz in neuen Bahnen

Das alternative Modellprojekt „MoKo EULLa“

Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland aus? Diese Frage beschäftigt aktuell wohl viele Landwirtinnen und Landwirte. Vor diesem Hintergrund testet das Land Rheinland-Pfalz in dem Modellprojekt „Kooperative EULLa-Maßnahmen – MoKo EULLa“ ein alternatives Konzept, um die Antragstellung zur Teilnahme an EULLa-Förderprogrammen von der betrieblichen auf die regionale Ebene zu heben. Die Projektkoordinatoren Philipp Eicher und Alina Balzert, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, berichten über den aktuellen Stand und Hintergründe des Projektes.

Der erste Vorsitzende der Umweltschutzkooperative Rhein AhrEifel e.V., Jürgen Radermacher, bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb in Glees nahe des Laacher Sees.

Der kooperative Naturschutz ist ein viel diskutiertes Thema, das sich in den letzten Jahren einer immer größer werdenden Popularität erfreut. Er gilt als eine Möglichkeit, sich den immer größer werdenden Herausforderungen in der Landwirtschaft zu stellen und wird daher bereits in einigen Bundesländern in unterschiedlichen Projekten und Modellen erfolgreich getestet. Doch woher stammt die Idee eines kooperativen Ansatzes in dieser Form eigentlich und was hat es dabei mit dem sogenannten Niederländischen Modell auf sich?

Das Niederländische Modell – ein Blick in unser Nachbarland

Die Niederlande gilt als Vorreiter in Sachen kooperativer Naturschutz. Dort können Betriebe Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen nur noch im Rahmen von sogenannten Kollektiven beantragen. Von 2011 bis 2014 wurde dieser neue Ansatz in Pilotregionen erfolgreich getestet und schließlich 2016 nach vielen Verhandlungen mit der EU über die Ausgestaltung und Umsetzung auf das gesamte Land ausgeweitet. Die Kollektiven bestehen meist aus etwa 100 bis 1 200 Mitgliedern, zusammengesetzt aus Landwirten, Naturschutzorganisationen und Landeigentümern, und sind oft aus bereits bestehenden Umweltkollektiven und lokalen Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden entstanden. Die Verwaltungsaufgaben, wie etwa Beantragung und Planung der Maßnahmen sowie die Auszahlung der Prämien, liegt dabei bei den Kollektiven selbst.

Finanziert wird dieser Mehraufwand über Transaktionskosten in Höhe von 20 Prozent, welche die Kollektive von der EU zu diesem Zweck erhalten. Neben der Verwaltung sind die Kollektive auch für Evaluierungstätigkeiten, die Beratung und Unterstützung der Betriebe sowie die Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Aktuell sind die Niederlande in 40 solcher Kollektive aufgeteilt und unter dem Dachverband „Boerennatuur“ zusammengefasst. Die Zahl der Anträge konnte dadurch von 13 500 auf 40 reduziert werden, denn jedes Kollektiv stellt jeweils einen gemeinsamen Antrag für alle seine Mitglieder. Allerdings können nur Flächen, die innerhalb der zuvor von der Provinz in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft festgelegten Gebietskulisse liegen, beantragt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Betriebe, die mit ihren Flächen außerhalb dieser Kulisse liegen, keine Möglichkeit mehr haben, Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen zu beantragen.

Wie genau läuft die Beantragung?

Das „Vordertür-Hintertür-Prinzip“

Die Beantragung beruht dabei auf dem „Vordertür-Hintertür Prinzip“. An der Vordertür schließt die Regierung mit dem regionalen Kollektiv einen Vertrag, der die Agrarumweltziele festlegt und die Erhaltungsmaßnahmen, die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden sollen, beschreibt. In dieser Vereinbarung wird eine sechsjährige, ergebnisorientierte Verpflichtung zur Verwirklichung bestimmter Lebensräume in einem bestimmten Gebiet abgeschlossen. Dabei erhält die Kollektive ein festgelegtes Budget pro Lebensraum. Durch die Hintertür schließt das Kollektiv Verträge mit den einzelnen Landnutzern ab. Diese Verträge enthalten alle spezifischen Aktivitäten und Zahlungen, die auf lokaler Ebene erforderlich sind, um den Lebensraum zu erhalten oder zu schaffen. Zwischen der Vordertür und der Hintertür findet die regionale Feinabstimmung von Naturschutzaktivitäten und Zahlungen statt. Da sich dieses Modell seit der Einführung in den Niederlanden bewährt hat und eine deutliche Vereinfachung der Beantragung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen ermöglicht, soll dieses Prinzip auch in Rheinland-Pfalz erprobt werden.

MoKo EULLa – Gemeinsam für mehr Naturschutz

Angelehnt an das bereits seit 2016 in den Niederlanden erfolgreich praktizierte Modell haben sich in zwei Modellregionen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2020 sogenannte „Kooperativen“ gebildet. Im Landkreis Ahrweiler und im Donnersbergkreis schlossen sich jeweils interessierte Landwirte aus der Region als Vereine zusammen, um gemeinsam Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) auf ihren Flächen zu planen und umzusetzen. Im Fokus steht neben der Erprobung des kooperativen Ansatzes der Natur-, Klima-, und Gewässerschutz sowie die Schaffung von Vernetzungsstrukturen, um eine größtmögliche Biodiversität auf Kreisebene aufbauen zu können. Im rheinland-pfälzischen Modell können einzelflächenbezogene Acker- und Grünlandmaßnahmen aus dem bestehenden EULLa-Katalog in die Kooperation eingebracht werden.

Hier entsteht dieses Jahr ein rund 2,5 km langer Blühstreifen entlang des Laacher Waldes.

Foto: Balzert

Zu Beginn des Projektes konnten die teilnehmenden Betriebe die Flächen, auf denen bereits EULLa-Verträge geschlossen wurden, auf die Kooperation übertragen. Um Verwaltungs- und Aufwandskosten auszugleichen, erhalten die Kooperationen 20 Prozent Transaktionskosten auf die jeweiligen Prämiensätze der Maßnahmen. Diese können außer für die Verwaltungskosten auch für neue Maßnahmen, Dokumentationen zur Selbstkontrolle und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Im Folgenden werden einige Modellregionen im Donnersbergkreis und im Kreis Ahrweiler aufgeführt, die zeigen, was derzeit in der Praxis läuft.

Donnersberger Landwirte für Naturschutz e.V.

Die Kooperation im Donnersbergkreis besteht mittlerweile aus 40 Mitgliedern. Bei über 7 500 ha Betriebsfläche kann die Kooperation rund 450 ha EULLa-Fläche ihr Eigen nennen. Schwerpunktmäßig werden in der starken Ackerbaugegend „Saum- und Bandstrukturen im Ackerbau“ und „Umwandlung einzelner Ackerflächen in Grünland“ realisiert. Jedoch sind auch Gewässerrandstreifen und Vertragsnaturschutz Grünlandflächen bei den Donnersberger Landwirten für Naturschutz enthalten. Das Austesten neuer Maßnahmen steht bei der Kooperation besonders im Vordergrund, so wurden beispielsweise in Starkregengebieten im April dieses Jahres erstmals „Erosionsschutzstreifen“ angelegt. Am Vorgewende einzelner Ackerflächen soll eine Luzerne-Gras-Mischung den Bodenabfluss verhindern. „Komplett aufhalten kann auch dieser Streifen das Wasser nicht, jedoch kommt dieses nicht mehr braun, sondern klar in den Wohngebieten an“, berichtet Gerold Füge, erster Vorsitzender der Kooperation. Er bewirtschaftet als Gesellschafter einen 550 ha großen Ackerbaubetrieb in Bischheim bei Kirchheimbolanden. In naher Zukunft sollen weitere Maßnahmen, beispielsweise eine extensive Grünlandbewirtschaftung mit einer Grunddüngung, ausgetestet werden.

Da die Kooperation als Antragsteller fungiert, muss die komplette Dokumentation der EULLa-Flächen zentral bei der Geschäftsführung, welche die Stiftung Kulturlandschaft in Kaiserslautern übernimmt, liegen, um diese im Falle einer Kontrolle dem Agrarprüfdienst vorzeigen zu können. Zur Vereinfachung dieser Dokumentation wurde aus Eigenbudget eine Schlagkartei angeschafft, die den einzelnen Landwirten auch für den eigenen Gebrauch zur Verfügung steht. Mithilfe von georeferenzierten Fotos können die Maßnahmen nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert werden. „Mit der Anschaffung dieser Software schaffen wir ein Angebot für die Mitglieder, die so eine vollwertige Ackerschlagkartei erhalten, und erleichtern auch unserer Geschäftsführung die Dokumentation der einzelnen Maßnahmen“, so Füge. Ãœber die Schlagkartei hinaus werden über die Smartphone-App der Software den einzelnen Betrieben Benachrichtigungen geschickt, wann welche Verpflichtungen anstehen.

Umweltschutzkooperative RheinAhrEifel e.V.

Der Landkreis Ahrweiler zeichnet sich durch seine Vielfältigkeit aus. Neben Acker- und Grünland wird auch Obst und Wein angebaut. Jürgen Radermacher ist erster Vorsitzender des Vereins „Umweltschutzkooperative RheinAhrEifel e.V.“, der sich im Herbst 2020 im Zuge des MoKo-Projektes im Landkreis Ahrweiler gründete. Der Verein, bestehend aus Landwirten, Gemeinden und Privatpersonen, hat mittlerweile etwa 30 Mitglieder und bewirtschaftet auf zirka 2 750 ha etwa 365 ha EULLa-Flächen, die schwerpunktmäßig aus den Programmteilen des Vertragsnaturschutzes Grünland bestehen. Aber auch Ackermaßnahmen, wie zum Beispiel „Saum- und Bandstrukturen“ sind im Portfolio der Umweltschutzkooperative RheinAhrEifel zu finden. Radermacher ist gelernter Landwirt und betreibt seinen Betrieb in Glees, nahe des allseits bekannten Laacher Sees, in vierter Generation. Dort bewirtschaftet er 150 ha und hält etwa 60 Milchkühe. Auf einigen seiner Flächen setzt er EULLa-Maßnahmen um, denn Naturschutz im Einklang mit der Landwirtschaft ist ihm besonders wichtig. Doch er sieht auch einen Zielkonflikt: „Wir Landwirte haben zum einen die Pflicht, die Lebensmittelproduktion in ausreichendem Maße zu gewährleisten und zum anderen dies im Einklang mit Umwelt und Klima zu tun. Es entsteht also ein Zielkonflikt zwischen der Lebensmittelproduktion und dem Umwelt- und Wasserschutz“, so der Betriebsleiter.

Die Zusammenarbeit der Landwirte und dies im Einklang mit dem Naturschutz zu tun, zum Beispiel in Form von Kooperationen, wie es in den Niederlanden der Fall ist, werde deshalb immer wichtiger. „Aber auch die Kommunikation und Vermittlung zwischen Landwirten und Bürgern ist wichtig! Wir als Verein verstehen uns da als Vermittler. Dafür wollen wir in Zukunft unsere Öffentlichkeitsarbeit weiter ausbauen und verstärken“, berichtet Radermacher. In diesem Jahr legen die Mitglieder der Kooperation einen etwa 2,5 km langen Blühstreifen entlang der Wanderwege am Rande des Laacher Waldes an. So wollen sie die Bürgerinnen und Bürger für das Thema Naturschutz in der Landwirtschaft begeistern. Radermacher: „Außerdem ist es Zeit, dass sich etwas ändert; Umweltschutz geht nicht nur die Landwirte, sondern alle etwas an. Der Klimawandel kann nicht aufgehalten werden, aber man muss versuchen, ihm entgegen zu wirken.“ Das habe besonders die Nacht vom 14. auf 15. Juli 2021 gezeigt, als der Landkreis durch die verheerende Flutkatastrophe stark getroffen wurde und so auf traurige Weise bundesweit Bekanntheit erlangte. Viele Menschen verloren in dieser Nacht alles. „Doch ein kleiner Lichtblick nach der Katastrophe war die unfassbar große Solidarität, die die Menschen im Ahrtal nach der Katastrophe erfahren haben. Diese Solidarität war auch in der Kooperation zu spüren. So sorgte die Kooperation durch eine frühzeitige Auszahlung (normalerweise erst im Dezember durch das Land) der Förderprämien an die betroffenen Betriebe für ausreichend Liquidität bei den Geschädigten. Auch die seelische Unterstützung und das Gefühl der sozialen Gemeinschaft durch die Kooperation war nach der Flut eine große Hilfe für die Flutopfer“, erklärt Radermacher. Zum Schluss betont er nochmals die Wichtigkeit einer solchen Gemeinschaft, die weiterhin gestärkt werden soll.

Wie geht es mit MoKo EULLa weiter?

Neben dem Werben neuer Mitglieder steht das erstmalige Erproben des Kontrollsystems für die beiden Kooperationen auf dem Plan. Darüber hinaus sollen mit Unterstützung der Vertragsnaturschutzberater weitere, für den Naturschutz wertvolle Flächen für die Kooperationen gewonnen werden. Auch die neue Förderperiode, besonders die Kombination der ersten (Eco-Schemes) und zweiten Säule (AUKM), wird als Herausforderung in den Kooperationen gesehen.

 – LW 19/2022