Landwirte kritisieren die zu große Macht der Discounter

Südhessische Bauern protestieren in Griesheim

Parallel zu den großen Auftritten in Berlin hatte vorigen Samstag der Re­­gionalbauernverband (RBV) Starkenburg zu einer Klein-Demo vor seiner Geschäftsstelle in Griesheim geladen.

Suchen den Dialog: Die Teilnehmer an der Klein-Demo in Griesheim. Auf dem Traktor (mit grauer Weste) der Vorsitzende des RBV, Dr. Wili Billau, davor Geschäftsführer Peter Gheorgean.

Foto: Kirsten Sundermann

Der Regionalbauernverband vertritt über 3 000 Mitglieder in fünf südhessischen Landkreisen. Von Sonderkulturen bis hin zu Milcherzeugung und Schafhaltung sind alle Sparten der Landwirtschaft vertreten. Im vergangenen Jahr haben die Landwirte in Südhessen im Schnitt Gewinneinbußen zwischen 30 und 35 Prozent verkraften müssen“, erklärte RBV-Vorsitzender Dr. Willi Billau aus Lampertheim. Viele Betriebe müssten mittlerweile von der Substanz leben. Rund 30 Bauern waren gekommen, um ihre Sorgen und Ängste zu artikulieren und vertraten dabei nicht nur die fünf Landkreise des RBV (Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Odenwaldkreis und Offenbach), sondern auch die verschiedene Produktionsbereiche wie Milcherzeugung, Zucht- und Mastschweinehaltung und insbesondere den Anbau von Gemüse und Sonderkulturen. Diskutiert wurde lange und leidenschaftlich. „Dass die südhessischen Bauern trotz bester Bedingungen (großartige Produkte, gute Böden und günstiges Klima) nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen, empfindet Billau als „total ungerecht“.

Discounter erzielen höhere Gewinnspannen

Denn parallel dazu nähmen die Gewinnspannen der Discounter kontinuierlich zu und lägen derzeit bei rund 90 Prozent. Sie könnten es sich erlauben, die Preise zu diktieren und jedwede Forderung (nach bereit zu haltenden Reserve-Mengen etwa, oder nach Zertifizierung der Produkte) durchzusetzen. „Seit Jahren sinken unsere Preise und die Margen des Discounts nehmen kontinuierlich zu. Das kann nicht so weiter gehen. Der Mindestlohn gilt für uns auch dann, wenn wir für unsere Produkte die Mehrkosten nicht erwirtschaften können. Unsere Produkte sind mehr wert. Wir wollen keine Staatshilfen, sondern der Qualität unserer Waren entsprechende Preise. Die Politik ist gefordert, gerechtere Rahmenbedingungen zu garantieren“, meinte Billau. Sie müsse die Macht der Discounter brechen oder zumindest kontrollieren. Der Verkauf unter Einstandspreis müsse verboten werden, eine die Umwelt schonende und das Tierwohl berücksichtigende Produktion hingegen honoriert werden. Dass derzeit etwa zehn Prozent des 3 000 Mit­glieder zählenden Verbands in akuter Existenznot sind, hat noch andere Gründe, präzisierte Billau, und nannte dabei vor allem den Wegfall der Milch- und Fleisch-Exporte nach China und Russland sowie die Globalisierung. So hätten beim G­etreide- und Maisanbau die guten Welternten den Preis gedrückt. Und beim Obst- und Gemüseanbau sei es wegen der hohen Temperaturen im vorigen Jahr innerhalb kurzer Zeit zu doppelt so hohen Erntemengen gekommen wie üblich.

Südhessens Landwirte verlieren 3 Hektar pro Tag

Weitere Probleme, die die südhessische Landwirtschaft belasten, sind der hohe Flächenverbrauch. Für den Bau von Bahntrassen, Straßen und Flughäfen beispielsweise, aber auch für die Zur-Verfügung-Stellung von Ausgleichsflächen fielen derzeit allein im Bereich Starkenburg rund drei Hektar pro Tag an Flächen weg.

Trotz aller Schwierigkeiten wollen die südhessischen Bauern jedoch „bei der Bevölkerung nicht lamentieren“, sondern sich den Problemen stellen. „Unser Ãœberschussproblem haben wir selbst zu verantworten und müssen es daher auch selbst und zwar vernünftig angehen“, meinte Dr. Billau. Doch mit welchen Maßnahmen sollen diese erreicht werden? Ideal wäre es natürlich, wenn es gelänge, eine kollektive, freiwillige Mengenbeschränkung europaweit zu organisieren. Bis es so weit ist, rät er den einzelnen Betrieben, auf mehrere Standbeine zu setzen, sowie die Kosten zu minimieren und Investitionen aufzuschieben. Damit auch Betriebe im Odenwald, die aufgrund ihrer benachteiligten Mittelgebirgslage nicht zu den global beeinflussten Marktpreisen produzieren können, eine Bleibe-Chance hätten, müssten sie im Rahmen von Umwelt- oder Landschaftsschutzprogrammen Ausgleichszahlungen erhalten.

Dialog suchen mit Handel, Verbraucher und Politik

Vor allem aber müsse man miteinander reden, weiß der südhessische Bauernverband, und will das sowohl als Angebot an die Politik als auch an die Verantwortlichen verstanden wissen. „Wir sind bereit, Dinge zu ändern, aber bitte besprecht das vorher mit uns!“, so Dr. Billau. Mit Leuten allerdings, die sich freuten, wenn ein Bulle einen Familienvater erdrückt, oder solchen, die eine Bauernfamilie anzeigen, wenn ein Stall abbrennt und nicht alle Tiere gerettet werden können, wären Gespräche sinnlos. Die Bauern stellten sich auch den Fragen derjenigen, die eine radikale „Agrarwen­de“ fordern würden. Denen müsse klar sein, welche Konsequenzen dies für die Landwirte und auch für die Gesellschaft habe. Viele engagierte Betriebsleiter zeigten, wie mit ihren modernen gleichwie nachhaltigen Methoden der „Verbraucher-Landwirt-Dialog“ verbessert werde.

Sundermann – LW 3/2016