Landwirte nötig für Ernährung, Wirtschaft und Gesellschaft

Neujahrsempfang der KBV Waldeck und Frankenberg

Am vergangenen Freitag hatten die nordhessischen Kreisbauern­ver­bände Waldeck und Frankenberg nach Korbach zum gemeinsamen Neujahrsempfang geladen. Karsten Schmal, HBV-Präsident und Vorsitzender des KBV Waldeck, begrüßte auch neue Landwirte. Dr. Gaby-Fleur Böl vom Bundesinstitut für Risikobewertung referierte zum Thema „Landwirtschaft im postfaktischen Zeitalter – gefühlte Risiken am Beispiel Antibiotikaresistenz und Glyphosat.“

Dr. Gaby-Fleur Böl vom Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR.

Foto: Dr. Hildebrandt

Schmal freute sich über die große Teilnehmerzahl zum Neujahrsempfang auch seitens der Politik, Agrarverwaltung, landwirtschaftsnaher Organisationen und Verbände. Der Neujahrsempfang sei der erste, welcher von den beiden Kreisbauernverbänden im Landkreis Waldeck-Frankenberg gemeinsam durchgeführt werde. Im kommenden Jahr werde der Empfang dann in Frankenberg unter der Leitung seines Kollegen Heinrich Heidel stattfinden.

Im Rückblick auf Entwicklungen im vergangenen Jahr stellte Schmal neben der ungünstigen Witterung und daraus resultierender unterdurchschnittlicher Erträge für die Landwirtschaft vor allem eine desolate Marktlage sowie „die gnadenlose Ausnutzung der Marktstellung durch den Lebensmitteleinzelhandel“ heraus. Hinzu komme zunehmender öffentlicher Druck auf landwirtschaftliche Produktionsverfahren, deren Umweltverträglichkeit und Tiergerechtheit häufig angezweifelt würden. So gesehen habe 2016 für die Landwirtschaft zu enttäuschenden Ergebnissen geführt. Der Verbraucher werde zunehmend von Fehlmeldungen und negativer Stimmungsmache gegen die Landwirtschaft verunsichert. Selbst öffentlich-rechtliche Medien würden zu unseriösen Mitteln greifen, um negative Sensationsmeldungen zu bringen, wie an einem Beitrag des hr-Fernsehens zu belegen sei.

Reales Bild moderner Landwirtschaft zeigen

Geschäftsführerin Stefanie Wetekam erklärte, dass sich der Kreisbauernverband mit seinen Mitgliedsbetrieben bemühe, ein rea­les Bild moderner und umweltverträglicher Landwirtschaft zu vermitteln. Auf dem Betrieb der Familie Landau in Frankenberg-Röddenau findet am 20. Januar um 13 Uhr im Zuge der Aktion des Berufstands „Wir machen Euch satt“ ein weiterer „Verbraucherdialog“ statt. In diesem Zusammenhang dankte sie den Betrieben, die ihre Hofstellen und Stallanlagen für wirksame Öffentlichkeitsmaßnahmen zur Verfügung stellen.

Dass dennoch verzerrte Darstellungen in den Medien erfolgen, dürfe nicht zur Aufgabe von öffentlichen Darstellungen und Aktionen für die Aufklärung der Verbraucher führen. Hier müsse man fortfahren und weiter guten Willen und Offenheit zeigen. Nur so sei den Verbrauchern zu vermitteln, dass moderne Landwirtschaft im Einklang mit der Natur erfolgreich sei und ge­sunde und tiergerechte Haltungsformen auch zu den Leistungen führen. Es müsse ebenso deutlich werden, dass Landwirtschaft nur dann funktionieren kann, wenn auch die Ökonomie stimme, so Schmal. Mehr Tierwohl durch mehr Platz und neue Stalleinrichtungen sei nicht zum Nulltarif zu bekommen. Wenn sich die Situation durch negative Berichte und Verunglimpfung des Berufsstands und die Auflagen für mehr Tierwohl ohne Ausgleich durch bessere Preise verschärfe, befürchtet Schmal Betriebsaufgaben. Für Waldeck-Frankenberg könnte dadurch die Bewirtschaftung und Pflege von rund 30 000 ha Grünland gefährdet sein. Ein Szenarium, das für die gesamte Region eine ökonomische und ökologische Negativspirale in Gang setzen könnte.

Berufsstand freut sich über neue Absolventen

Sehr erfreulich sei aber, dass sich dennoch junge Leute für die Landwirtschaft entscheiden und in ihr berufliche Zukunft sehen. Stolz präsentierte der KBV acht Junglandwirte, die im abgelaufenen Jahr ihre landwirtschaftliche Ausbildung mit Erfolg beendet haben. Unter anderem die staatlich geprüften Betriebswirte an der zweijährigen Fachschule Fritzlar (Technikerschule):

  • Thomas Breuer aus Bad Wildungen (Jahrgangsbester),
  • Thies Kalhöfer aus Korbach-Meineringhausen,
  • Friedrich Fingerhut aus Volkmarsen-Herbsen und
  • Alexander Emden, Diemelsee-Giebringhausen (Abschluss an der zweijährigen Fachschule in Meschede).
  • Berufsschulabsolventen mit dem Abschluss zum Landwirt: Steffen Schmal aus WaldeckSachsenhausen (Jahrgangsbester), Jannik Leis aus Volkmarsen, Morten Schwarz aus Die­melsee Adorf und Antonius Berens aus Volkmarsen.

Neben einer Urkunde des Verbands erhielten die Junglandwirte eine Einladung zu einem Arbeitsessen im Februar, bei dem in lockerer Runde die Vorhaben des Verbands und andere Maßnahmen mit landwirtschaftlicher Bedeutung besprochen werden. Friedrich Pohlmann überreichte zudem eine zweijährige kostenlose Mitgliedschaft im Verein für landwirtschaftliche Fortbildung (VLF).

Befindlichkeiten der Verbraucher analysiert

Dr. Gaby-Fleur Böl vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ging auf die Befindlichkeiten der Verbraucher ein. Zum Thema „Landwirtschaft im postfaktischen Zeitalter – gefühlte Risiken am Beispiel Antibiotikaresistenzen und Glyphosat“ skizzierte sie die Sicht der Verbraucher, die sich maßgeblich durch Informationen aus den Medien bildet. Sie stellte fest, dass aus wissenschaftlich belegten Studien unsere Lebensmittel nie qualitativ hochwertiger und sicherer waren denn je. Ganz anders denkt die Mehrheit der Verbraucher über die Qualität der Lebensmittel, die zu 46 Prozent vom Gegenteil überzeugt sind (Umfrage von 2016). Hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit glauben aber 73 Prozent, dass sie hier nichts zu befürchten haben. Die Frage, ob den staatlichen Stellen zu vertrauen ist, dass sie die Gesundheit der Verbraucher schützen, wird nur von der Hälfte (54 Prozent) der Befragten positiv beantwortet. Indizien, dass Verbraucher sich auf Informationen stützen, die teils unter dem Begriff „postfaktisch“ zu verbuchen seien.

Höhepunkt des Neujahrsempfanges 2017 der beiden Kreisbauernverbände Waldeck und Frankenberg war die Übergabe der Urkunden an die neuen Landwirte und staatlich geprüften Betriebswirte.

Foto: Dr. Hildebrandt

Die Referentin stellte klar, dass das gesundheitliche Risiko eines Stoffes aus wissenschaftlicher Sicht aus dem Gefährdungspotenzial und der Exposition abzuleiten ist. Das Gefährdungspotenzial lasse sich durch die Giftigkeit feststellen und die Exposition weise auf die Menge hin, mit der ein Stoff gebraucht oder verzehrt werde. Am Beispiel von Weichmachern in Plastik-Planschbecken machte sie deutlich, dass ein Kleinkind das Planschbecken 27 Mal austrinken müsste um den Grenzwert zur Aufnahme von Weichmacher zu erreichen. Oder im Fall des Dioxin-Skandals im Jahr 2011, als Dioxin durch Futterver­un­reinigungen in Hühnereiern gefunden wurde. Dr. Böl wies nach, dass selbst der Verzehr von zwei Eiern pro Tag über ein ganzes Jahr den latenten Dioxingehalt im Körperfett nur minimal erhöht hätte und bis zum Erreichen des Grenzwertes wohl 50 000 Jahre täglich zwei Eier verzehrt werden müssten und die zu duldenden Grenzwerte aus Tier­versuchen abgeleitet würden. Dabei werde die maximale Konzentration eines Stoffes bestimmt, die im Tierexperiment noch keinerlei gesundheitliche Auswirkungen zeigt und dann durch 100 als Unsicherheitsfaktor geteilt. Höchstgehalte stellten nicht die Grenze zwischen giftig und ungiftig dar, sondern dienten der Entscheidung lediglich darüber, ob ein Lebensmittel frei handelbar sei. „Irrglaube“ der Verbraucher bestehe auch darin, dass alle Dinge die mit Chemie zu tun haben, als bedenklich eingestuft werden. Bei Lebensmitteln, die mit der Anwendung von Pflanzenschutzmittel erzeugt wurden, reagiere der Verbraucher ablehnend, weil er Pflanzenschutzmittel als Gifte einschätzt und diese Eigenschaft auf die Lebensmittel überträgt. Unbehandelte Lebensmittel gelten demgegenüber als gesund. Entsprechend sähen 63 Prozent der Verbraucher Pflanzenschutzmittel als risikobehaftet und nur 28 Prozent können sich vorstellen, dass sie auch nützen können. Die Bedeutung und Gefährlichkeit von natürlich vorkommenden Pilzgiften (Mykotoxinen) an Getreidekörnern sei aber weitgehend unbekannt.

Höheren Wert auf die Hygiene in der Küche legen

Die Berichterstattung und mediale Darstellung, beispielsweise von Glyphosat im Bier ist aus Sicht der Referentin überzogen und desinformierend. Gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat seien beim Verzehr erst dann zu erwarten, wenn ein Erwachsener pro Tag 1 000 Liter Bier trinken würde. Auch die Berichterstattung über Glyphosat in der Muttermilch führe zu falschen Schlüssen. Nach Untersuchungen hätte ein Säugling am Tag rund 400 Liter Muttermilch trinken müssen, um in den Bereich gesundheitlicher Schädigung zu kommen. Nach einer Bewertung des BfR sei Glyphosat nicht giftiger, als bisher an­ge­nommen, aber bestimmte Beistoffe zur Formulierung des Pflanzenschutzmittels seien kritisch zu bewerten (Tallowamine). Nach unabhängigen Studien habe Glyphosat keine erbgutveränderten Eigenschaften, keine Anhaltspunkte für krebserzeugende Wirkung und es sei nicht als reproduktions­toxisch oder entwicklungstoxisch einzustufen. Bedeutsam sei aber das häufige Unterschätzen der Hygiene, vor allem in Küchen. Oft seien die Verhältnisse auf den Toiletten deutscher Haushalte hygienischer, als in der Küche, so die Referentin. Besonders unterschätztes Risiko seien Listerien im Essen. Pro Jahr würden in Deutschland 500 Fälle mit Liste­rien bekannt, die teils zum Tod führten. Durch bessere Küchenhygiene seien diese leicht vermeidbar. Hierdurch könnte auch die Verbreitung von Novoviren verhindert werden. 2012 sei der größtbekannte Ausbruch von Erkrankungen (11 000 Fälle) festgestellt worden. Verdächtige Produkte seien Fischli mit Kartoffeln, Soße und Salatbeilage wie auch Grießbrei mit Erdbeerkompott (Tiefkühlerdbeeren aus China) gewesen. Umfragen bei Verbrauchern zeigten, dass mikrobielle Risiken oft unterschätzt würden und schon gar nicht im eigenen Heim vermutet werden.

Bezüglich Antibiotikaresistenzen ist sie der Ansicht, dass Resistenzen verstärkt werden und eine Ausbreitung durch nicht sachgerechten Einsatz in der Humanmedizin (zu früh und nicht konsequent genug) sowie nicht sachgerechten Einsatz in der Veterinärmedizin und einem Austrag in die Umwelt beschleunigt wird. Der Einsatz von Antibiotika sollte auf das therapeutisch notwendige Maß beschränkt und die Tiere insgesamt gesünder gehalten werden. Verbraucherbefragungen lassen einen Hauptübeltäter erkennen. 53 Prozent vermuten, dass Antibiotikaresistenzen durch den übermäßigen Einsatz in der Tierernährung erzeugt werden. Nur 24 Prozent sehen die Ursachen beim menschlichen Einsatz.

Dr. Ernst-August Hildebrandt – LW 3/2017