Landwirte ringen um gesellschaftliche Anerkennung

Biodiversität mit Blühstreifen erhalten

Das Jahr 2016 bereitet vielen Betrieben im Landkreis Südliche Weinstraße große finanzielle Probleme. Durch das regnerische Wetter war der Krankheitsdruck im Getreide und im Wein erheblich. Zwar konnten im Weinbau noch gute Qualitäten geerntet werden, aber die Preise machen Winzern und Ackerbauern gleichermaßen zu schaffen. Hinzu kommt der politische Wunsch nach einer anderen Agrarpolitik.

Reinhold Hörner, der BWV-Kreisvorsitzende der Südlichen Weinstraße, beklagt die abstrusen Forderungen der Gesellschaft: Grünland, aber kein Fleisch essen.

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Die Kreisversammlung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd in Impflingen vergangene Woche war ausgesprochen gut besucht, die Tische im Saal waren alle besetzt. Auch viele junge Landwirte und Winzer waren zur Kreisversammlung gekommen, ein Umstand, den nicht nur der Kreisvorsitzende Reinhold Hörner aus Hochstadt freute. Auch Landrätin Theresa Riedmaier rief den jungen Leuten in ihrem Grußwort zu: „Mischen Sie sich ein, ergreifen Sie das Wort, sonst macht es keiner für Sie!“ Die Landwirtschaft und der Weinbau habe im Landkreis eine hohe Bedeutung und sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, erklärte die Landrätin.

Im Weinbau zum Glück gute Ernte

Entsprechend schwierig war das vergangene Jahr mit dem nassen Frühjahr und Frühsommer für Landwirte und Winzer. „Die Kosten für Pflanzenschutzmittel sind durch den Pilzdruck um 50 Prozent gestiegen, im Getreide wurde deutlich weniger geerntet. Zum Glück haben wir im Weinbau eine ausgewogene Ernte einbringen können. Und die Kirschessigfliege hat keinen Schaden angerichtet, weil das Wetter rechtzeitig gedreht hat“, fasste Hörner das Jahr zusammen.

Die beiden Flugzeuge zur Hagelabwehr seien sieben Mal zum Einsatz gekommen, größere Hagelschäden habe es nicht gegeben. Als problematisch bezeichnete der Kreisvorsitzende die Fassweinpreise, die sich nach wie vor auf einem niedrigen Niveau bewegen, nachdem sie für kurze Zeit ein wenig angestiegen seien. „Zum Glück gibt es hier einige Weingüter, die Trauben brauchen. Das hebt den Schnitt“, so Hörner.

„Die Landwirtschaft befindet sich in einer großen Krise“, sagte Hörner. Viele Betriebe seien finanziell am Ende. „Landwirtschaftliche Betriebe sterben langsam und leise.“ In so einer Situation treffe es die Bauern besonders, wenn sie durch politische Kampagnen wie die Plakataktion von Umweltministerin Barbara Hendricks schlechtgemacht werden. Und auch die Bevölkerung würde immer weniger die Zusammenhänge kennen, und die Medien verbreiteten Halbwahrheiten. „Die Falschmeldungen sind aber in den Köpfen der Verbraucher drin“, so Hörner. Viele Forderungen seien wiedersinnig und schlicht nicht zu erfüllen. Beispielsweise fordere die Politik und auch die Gesellschaft den Erhalt des Grünlands. Aber Grünland brauche eine Viehhaltung, aber niemand wolle Fleisch essen. „Die Viehhaltung geht auch in unserer Region stetig zurück. Das bedeutet auch einen Verlust an Biodiversität“, erklärte der Kreisvorsitzende.

Staatssekretär Andy Becht sprach sich für einen praxisorientierten Rahmen einer innovativen Landwirtschaft aus.

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Der Strukturwandel setzt sich weiter fort, und damit einher geht die Bildung von größeren Flächen und Bewirtschaftungseinheiten. „Um einen Verlust an Biodiversität zu vermeiden, haben wir ein Projekt mit dem Naturschutz, der Verwaltung, der Wissenschaft und der Politik gestartet. Unwirtschaftliche Randflächen können mit Blühmischungen eingesät werden. Helfen Sie alle mit“, lud Hörner die anwesenden Landwirte und Winzer ein, sich am Projekt zu beteiligen, für das es viel Beachtung gegeben hat, auch auf Bundesebene.

Viele reden bei der GAP 2020 mit

BWV-Präsident Eberhard Hartelt ging in Impflingen auf die politischen Rahmenbedingungen ein. „Die Anforderungen an die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 werden jetzt schon mit enormer Dynamik diskutiert“, erklärte der Präsident. Dazu passe auch die Plakataktion von Barbara Hendricks. „Sie wollte damit den Dialog mit den Bauern suchen. Ich frage mich allerdings, warum sie die Plakate dann ausgerechnet in 63 großen Städten aufgehängt hat.“ Der Hintergrund der Aktion sei ernst, denn er falle mit dem Beginn des Konsultationsverfahrens zusammen, bei dem die EU die Bürger via Internet befragt, wie sie sich die künftige Agrarpolitik vorstellt. „Nehmen Sie sich die Zeit und füllen Sie die Fragen aus. Es ist wichtig, dass die Landwirte hier ihre Stimme geltend machen“, mahnte Hartelt.

Andy Becht, Staatssekretär im Mainzer Landwirtschaftsministerium, versprach, dass sich der Minister im Bundesrat für die Belange der Landwirte einsetzen wird. Er bezeichnete das Ministerium als Trutzburg und Kreativgarage. Trutzburg deshalb, weil Staatsminister Dr. Volker Wissing sich auch auf Bundesebene massiv dafür einsetzen werde, dass Landwirtschaft als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen werde und wettbewerbsfähig sein müsse. Die Landwirtschaft gehört für Becht zum Mittelstand: „Die bäuerliche Landwirtschaft ist nicht das Wimmelbuch, sondern hat eine mittelständische Prägung. Sie betreibt Umweltschutz und ist nicht der verlängerte Arm davon.“

Die Landesregierung wolle praxisorientierte Rahmenbedingungen schaffen für eine innovative Landwirtschaft. An dieser Stelle gebrauchte Becht den Begriff Kreativgarage: „Die Digitalisierung im ländlichen Raum soll ausgebaut werden. Wir hören jetzt auch viele positive Stimmen zum eAntrag“, sagte der Staatssekretär. Die Digitalisierung ermögliche die Nutzung neuer Techniken, auch in der Beratung. Der Zugang zu den digitalen Daten soll für die Landwirte kostenlos sein.

ibs – LW 11/2017