Lange Sommertage in Eiweiß ummünzen

Ertragreiches Qualitätsfutter nicht nur für Hochleistungskühe

In Ackerfutter, Wechsel- und Dauergrünland gibt es bis heute noch vielfach nicht ausreichend genutzte Reserven. Auch scheinbar kleinere Unachtsamkeiten wirken sich auf Qualität und Ertrag aus, wie im Folgenden von Dr. Johann Junk vom DLR Eifel in Bitburg berichtet wird.

Die Leistungsfähigkeit einer Fläche ist von verschiedenen Faktoren abhängig, die nur teilweise vom Bewirtschafter verändert werden können. Flachgründigkeit, leichte Sandböden, schwere Tonböden, Staunässe, starke Hängigkeit in unterschiedlicher Exposition, geringe Niederschläge in der Vegetationszeit oder auch Bewirtschaftungsauflagen sind nicht beeinflussbare äußere Faktoren, mit denen man als Bewirtschafter leben muss.

Durch richtige und gezielte Bewirtschaftung können auch diese Flächen häufig noch in Ertrag und Aufwuchsqualität gesteigert werden.

Ohne organische Dünger kann Schwefel fehlen

In leichten und auch in flachgründigen Böden gilt es insbesondere den ersten Aufwuchs im Jahr „auf Kurs“ zu bringen: die erste N-Düngung sollte möglichst früh im Frühjahr mit einem Ammonium-betonten Dünger erfolgen. Auch bei größeren Niederschlägen wird das Ammonium nicht aus dem Boden ausgewaschen, da Ammonium von den Bodenteilchen Ton und Humus sorbiert (= locker gebunden) wird. Zudem wird bei kühler Witterung das Ammonium nur langsam in Nitrat-N umgewandelt.

Wenn das Vieh regelmäßig auf der Weide weidet, oder wenn regelmäßig gegüllt wird, dazu zählt auch Gülle aus der Biogasanlage, dann ist im Allgemeinen auch die Schwefelversorgung des Aufwuchses zumindest soweit gesichert, dass kein klassischer S-Mangel auftritt.

Lücke im Bestand durch Auswinterung eines ausge-hungerten Bereiches,was sich im Herbst des Vorjahres zeigte.

Foto: Junk

Breite Fahrspuren im Bestand durch zu späte Gülledüngung. Die Auswirkungen sind noch vor der Ernte zu sehen.

Foto: Junk

Der hellere Bereich im Vordergrund ist erheblich proteinärmer als der dunklere Aufwuchs im oberen Bildabschnitt.

Foto: Junk

Wenn keine organischen Dünger aufgebracht werden, sind S-haltige Dünger zu verwenden. Bei starkem S-Mangel gibt es auch einen Mangel an S-haltigen Aminosäuren, und somit können auch nur unzureichend Eiweiß und Enzyme gebildet werden. Daraus folgt einerseits ein sehr schwaches Wachstum, andererseits können die Pflanzen den aufgenommenen (Nitrat-) Stickstoff nicht reduzieren, also nicht zu Protein aufbauen.

Wertvolle Gräser im Bestand halten

Die wertvollsten Gräser des Grünlandes sind nur im Bestand zu halten, wenn der pH-Wert des Bodens ausreichend hoch ist und wenn genügend Kali, Phosphat, Stickstoff und Schwefel zur Verfügung stehen. Auch 2012 gibt es immer noch Grünlandbestände, die mehr oder weniger stark mit den qualitativ schlechten und im Allgemeinen auch noch leistungsschwachen Arten Rotschwingel, Rotes Straußgras, Ruchgras, Wolliges Honiggras und Weiche Trespe durchsetzt sind.

Auch mit kräftiger Düngung sind hier keine vernünftigen Erträge und Qualitäten zu erzielen. Wenn keine Vertragsbewirtschaftung vorliegt, sollten diese Flächen in qualitativ hochwertige umgewandelt werden.

Leistungsstärke der Bestände ausreizen

In den langen Tagen und kurzen Nächten des Sommers können die Pflanzen die großen Energiemengen, die die Sonne zur Erde strahlt, hervorragend für ein intensives Wachstum nutzen. Es wird auch genug Sonnenenergie eingestrahlt, um „jede Menge“ Stickstoff in Eiweiß umzuwandeln. Das bedeutet, dass auch größere Mengen von Nitratstickstoff hervorragend verwertet werden, ohne dass es zu wesentlicher Anreicherung von Nitrat im Aufwuchs kommt.

Wenn im Herbst die Tage kürzer werden und damit die Einstrahlung geringer wird, lässt das Pflanzenwachstum nach, und die Umwandlung von Nitrat zu Eiweiß wird zwangsläufig weniger. Wegen der erheblich nachlassenden assimilatorischen Leistung der Pflanzen und der damit auch zunehmenden Anreicherung mit Nitrat im Aufwuchs, muss die N-Düngung (besser die N-Versorgung der Pflanzen) zurückgefahren werden.

Im zeitigen Frühjahr oder nach dem ersten Schnitt sachgerecht ausgebrachte Gülle oder Gärreste aus der Biogasanlage werden bei feucht-warmer Witterung zügig und kontinuierlich abgebaut (mineralisiert). Neben dem Ammonium-Stickstoff wird auch ein Teil des organisch gebundenen Stickstoffs pflanzenverfügbar. Werden die Flächen regelmäßig mit organischen Düngern versorgt, steigt die verfügbare N-Menge an. In den langen Sommertagen ein willkommener Stickstoffschub mit Ertragswirksamkeit und guter Eiweißbildung.

Gülle und Gärreste auf oder in den Boden bringen

Gülle und vor allem den Gärresten aus der Biogasanlage haftet aber auch ein Makel an: es sind darin so genannte Clostridien zu finden, von besonderer Bedeutung ist dabei das Gifte-bildende Bakterium Clostridium botulinum. Dies führte bereits dazu, dass vereinzelt empfohlen wurde, Gärreste aus der Biogasanlage nicht auf das Grünland auszubringen, da die Clostridien die Rinderhaltung bedrohen würden.

Tatsache ist wohl, dass die Clostridienmenge in Gärresten deutlich höher liegt als in der Rindergülle, da sie sich in den Gärresten erheblich vermehren. Tatsache ist aber auch, dass die Gärreste weniger schmieren und deutlich weniger an den Pflanzen haften bleiben als die Rindergülle.

Die Gefahr durch Clostridien möglichst gering halten

Um die Clostridiengefahr im Aufwuchs gering zu halten, sollten sowohl die Rindergülle als auch die Gärreste aus der Biogasanlage im zeitigen Frühjahr vor oder zu Wachstumsbeginn und/oder unmittelbar nach einer Nutzung erfolgen. Dann wird einerseits nur eine sehr kleine Pflanzenmasse verschmiert, und es bleibt andererseits genügend Zeit durch Niederschläge auch kleinste Güllemengen vom Aufwuchs abzuwaschen. Somit ist dann auch die Clostridienbelastung des Futters auf ein Minimum verringert, und es besteht keine Gesundheitsgefahr mehr für das Vieh.

Bei grobtropfiger Gülleausbringung, Schleppschlauch- (bei sehr dünnflüssiger Gülle) oder Schleppschuheinsatz wird die Verschmutzung nochmals reduziert, und auch die Ammoniakverdunstung (=Stickstoffverlust) geht zurück. Umgekehrt muss mit erheblicher Verschmutzung gerechnet werden, wenn die Gülledüngung in bereits voll im Wachstum befindliche und damit größere Bestände erfolgt. Wenn dann nicht bald nennenswerte Niederschläge fallen, kleben vermehrt Güllereste beziehungsweise Gärreste am Aufwuchs und mit ihnen auch die schädlichen Bakterien (Clostridien).

Verstärkt wird der Verschmutzungseffekt noch dadurch, dass die Fahrzeugreifen die Pflanzen an den Boden drücken und somit die „volle Breitseite“ der Begüllung abbekommen. Das könnte zu „hausgemachten“ Gesundheitsproblemen im Stall führen. Dieses „Niederwalzen“ eines schon gekräftigten Aufwuchses führt zusätzlich zu beachtenswerten Mindererträgen, und es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass niedergedrückte bodennahe oder am Boden liegende Pflanzenteile anfangen zu verderben (=faulen). So kann es dann zu – wenn auch nur partiellen – Fehlgärungen kommen.

Das N-Angebot zum Herbst hin verringern

So wie die Tage zum Herbst hin kürzer werden und somit die einstrahlende Sonnenenergie zurückgeht, so ist auch das N-Angebot zu reduzieren. Das gilt für das Grünland noch mehr als für das ertragsstärkere Feldfutter. Die Ertragleistung geht mit den kürzeren Tagen ebenso zurück wie die Energiekonzentration im Aufwuchs, und wegen der geringeren Strahlungsenergie wird auch weniger Nitrat-N in Eiweiß umgewandelt.

Es besteht also die Gefahr, dass bei einem hohen N-Angebot vermehrt Nitrat statt Eiweiß im Rohprotein zu finden ist. Nitrat aber kann von den Pansenbakterien nur zu einem geringen Teil und unter erheblichem Energieaufwand zu Eiweiß synthetisiert werden. Energie, die der Kuh besser für die Milchproduktion zur Verfügung stehen sollte. Überschüssiges Nitrat wird unter Energieaufwand schließlich zu Harnstoff umgewandelt und im Harn ausgeschieden.

Mit rückläufigem Energieangebot geht auch die Stickstoffbindung durch die Knöchenbakterien in den Leguminosen zurück. Das bedeutet, dass auch in den Kleegrasgemengen das N-Angebot aus dem Klee an die Gräser rückläufig ist, also auch kein Überangebot an Stickstoff für die Gräser im Bestand zu erwarten ist.

Austreiben im Winter zehrt an den Energiereserven

Bei einem zu großen N-Angebot im Spätherbst und Winter bleibt der Grasbestand in der Entwicklung unruhig, was bedeutet, dass bei wärmerer Witterung die Gräser wieder neu austreiben. Damit werden die für den Erstaustrieb im folgenden Frühjahr notwendigen Energiereserven nach und nach aufgebraucht. Junge und größere (dann meist lagernde) Gräser – vor allem Weidelgäser – sind stärker auswinterungsgefährdet, insbesondere durch Schneeschimmel.

Bei starker, mehr oder weniger einseitiger N-Düngung bis zum Herbst hin und bei schwacher Kaliversorgung des Bodens (vor allem, wenn die Fläche kaum organische Dünger erhält) leiden als erste die wertvollen Weidelgräser unter dem K-Mangel und sind auch deshalb stärker auswinterungsgefährdet.

Fazit: Nicht mit Mehraufwand und höheren Kosten sondern durch eine sachgerechte Bewirtschaftung leistungsstarker und wertvoller Futterpflanzen lassen sich Ertragsleistung, Qualität, Energiekonzentration und Eiweißmenge im Grundfutter auf ein hohes Niveau bringen. Zur Erinnerung: Nitrat ist Teil des Rohproteins, ist aber kein (Rein)-Protein, also kein Eiweiß.