Lebensmittel vom Bauern im Supermarkt

Direktvermarkter und Rewe arbeiten zusammen

Wer heute als landwirtschaftlicher Betrieb erfolgreich bestehen will, muss kreativ, mutig und voller Energie sein. Einblicke und Ausblicke zur landwirtschaftlichen Direktvermarktung von Bianca Hartung und Dr. Christina Well, Vereinigung der Hessischen Direktvermarkter.

In derzeit etwa 250 Rewe-Märkten in Hessen bieten hessische Direktvermarkter über das Landmarkt-Konzept ihre Produkte an. Je Markt werden 15 bis 20 Betriebe gelistet.

Foto: VHD

Der Tag auf dem Bauernhof der Familie Weiß in Unter-Seibertenrod im Vogelsbergkreis beginnt früh. Bereits morgens um halb sechs werden Teige geknetet und in Form gebracht. Viermal in der Woche wird der Ofen angeheizt und der Sauerteig aus eigenem Brotroggen verarbeitet. Nach einer Stunde Backzeit liegt dann der verführerische Duft nach frisch gebackenem Brot in der Luft – ein echtes Bauernbrot aus dem Holzbackofen. Schließlich startet um 9.30 Uhr das eigene Lieferfahrzeug in Richtung Gießen und Frankfurt, wo 40 Rewe-Märkte auf die Produkte direkt vom Bauern Weiß warten. Neben Bauernbrot erzeugt der Betrieb noch Hausmacher Wurst vom Schwein und Bio-Rindfleisch von der eigenen Angus-Mutterkuhherde. Die ganze Familie mit drei Generationen ist im Betrieb eingespannt, der seit über 25 Jahren landwirtschaftliche Direktvermarktung betreibt.

Die Bauern von Landmarkt

Auch auf dem Betrieb von Andreas Stamm in Bad Soden sind schon frühzeitig alle auf den Beinen. Auf dem Obstgut dreht sich alles rund um den Apfel. 20 verschiedene Apfelsorten wollen gehegt und gepflegt werden. Produziert wird nach den Regeln des kontrolliert-integrierten Anbaus. Neben den Äpfeln selbst vermarktet der Betrieb auch noch Produkte rund um den Apfel wie Säfte, Aufstriche und leckere, getrocknete Apfelringe sowie weitere Obstsorten und Spirituosen aus eigener Brennerei. Rund 20 Rewe-Märkte im Rhein-Main-Gebiet zählen zu den Kunden. Am Wochenende nutzen viele Ausflügler das Hofcafé der Familie Stamm, um bei hausgemachtem Kuchen den Ausblick auf die Skyline von Frankfurt zu bestaunen. Der Hofladen führt nur Produkte des Betriebes selbst sowie von Direktvermarkterkollegen aus der Umgebung.

Hygiene- und Qualitätssicherung

Was sich so idyllisch anhört, bedeutet harte Arbeit auf den Höfen und das nicht nur körperlich. Schließlich gilt es eine Fülle von Bestimmungen und Vorgaben zu beachten. Allein die Belieferung des Lebensmitteleinzelhandels erfordert die Erledigung einer Vielzahl von Schriftlichkeiten. Abhängig vom Produktsortiment gehören Zertifizierungen wie QS zum Standard. Ein Hygieneaudit ist ebenso unverzichtbar, wie eine KAT-Teilnahme (kontrollierte Alternative Tierhaltung des KAT e.V.) für Legehennenhalter und ohne eine EU-Zulassung der Schlacht- und/oder Verarbeitungsstätte findet keine Wurst und kein Käse den Weg ins Supermarkt-Regal.

Zuweilen ein enormer, zusätzlicher bürokratischer Aufwand, den viele Betriebe auf sich nehmen, um den Weg der Direktvermarktung bestreiten zu können. Hoffentlich ist der einzelne Artikel dann auch korrekt etikettiert. Schließlich greift die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, auch bekannt als Lebemsmittelinformationsverordnung, kurz LMIV. Spätestens, wenn die Unterlagen für die zentrale Listung einzelner Artikel bei Rewe ausgefüllt werden müssen, sind die Etiketten entsprechend dieser Verordnung vorzulegen und natürlich auch eine Produkthaftpflichtversicherung. Falls doch mal ein Haftungsfall eintreten sollte, ist jeder Betrieb damit auf der sicheren Seite.

Das Landmarkt-Konzept der Vereinigung der Hessischen Direktvermarkter e.V. ermöglicht landwirtschaftlichen Betrieben seit über 15 Jahren den Zugang zum Lebensmitteleinzelhandel und unterstützt und begleitet die Betriebe auf ihrem Weg bis hin zum Marktzugang. Die Zusammenarbeit mit dem großen Konzern ist dabei geprägt von Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Seit 2005 wurden bereits 250 Rewe-Märkte der Rewe Region Mitte mit Landmarkt-Präsentationen ausgestattet. Die Produkte der Direktvermarkter führen dabei keineswegs ein Nischendasein oder haben gar eine Alibifunktion, um mit Regionalität zu werben. An prominenter Stelle im Markt werden die Produkte präsentiert und beworben. Im Schnitt werden 15 bis 20 Betriebe mit ihren Produkten in einem Rewe-Markt gelistet, sodass ein rundes und für den Endverbraucher attraktives Sortiment zur Auswahl steht.

Über 4 000 verschiedene Artikel gelistet

Rund 4 000 verschiedene Artikel sind zwischenzeitlich bei Rewe gelistet, von A wie Apfel bis Z wie Ziegenkäse und es können noch mehr werden, denn bestehende Betriebe erfinden zuweilen neue Produkte, um am Markt attraktiv zu bleiben oder ihr Sortiment zu ergänzen. Aber auch neue Betriebe sind willkommen mitzumachen und haben gute Chancen, sich so ein sicheres Standbein für ihren Betrieb aufzubauen. Denn das große Thema im Lebensmitteleinzelhandel ist auch 2018 Regionalität und so wie es aussieht, wird sich dieser Trend fortsetzen. Der Verbraucher gibt sich aber nicht allein mit Regionalität zufrieden, für die es sowieso keine einheitliche Definition gibt.

Laut dem Ernährungsreport 2018 des Bundeslandwirtschaftsministeriums erwarten 87 Prozent der Verbraucher auf tierischen Produkten Informationen zu den Haltungsbedingungen der Tiere und 81 Prozent der Befragten möchten wissen, ob ein Produkt gentechnikfrei ist. Im Gegenzug dazu sind 90 Prozent der Befragten auch bereit für mehr Tierwohl mehr Geld zu bezahlen.

Die Herausforderungen bleiben also auch für landwirtschaftliche Direktvermarkter nicht aus. In Zeiten, in denen die Nachfrage nach regionalen und ethisch korrekt erzeugten Lebensmitteln so hoch wie noch nie ist, sollten sich Direktvermarkter die Chance nicht entgehen lassen, sich am Markt mit neuen Ideen zu positionieren. Direktvermarktung erfordert zwar viel persönlichen Einsatz, schafft aber Unabhängigkeit von agrarindustriellen Strukturen und vielleicht etwas mehr Zufriedenheit im alltäglichen Arbeiten in der der Landwirtschaft.

VHD – LW 1/2019