Lohnt sich die Fresseraufzucht?

Einkommenschance für erfolgreiche Betriebe

Der Einkommensbeitrag bei der Nutzung der Ställe mit Bullen oder Fressern ist in etwa gleich. Das zeigen Kosten- und Leistungsrechnungen. Man muss es aber richtig machen und durch hohe Tageszu­nah­men für einen schnellen Umtrieb und bei immer geringeren Margen für ausreichend große Stückzahlen sorgen. Betriebe mit knapp bemessenem Futter sollten sich eher für die Fresseraufzucht entschei­den, schreibt Dr. Theo Göbbel. Er erläutert, worauf zu achten ist, damit sich der Betriebszweig weiterhin rechnet.

Im Fresseraufzuchtbetrieb werden die neu angekommenen Kälber zunächst vorsortiert und in gleichmäßige Gruppen eingeteilt.

Foto: Moe

Spezialisierte Bullenmäster mit größeren Beständen schwören seit Jahren auf Fleckviehtiere. Wer allerdings große Gruppen verkauft, muss auch große Einstallgruppen zukaufen. Die Einstalltiere sollten wegen den Spaltenböden möglichst schwer sein (über 160 kg), möglichst gleichmäßig aufgezogen sein und den gleichen Gesundheitsstatus haben. Viele Gründe, die für eine arbeitsteilige Vorstufe der Bullenmast, die Aufzucht von so genannten Fressern, sprechen. Wie stellt sich die Entwicklung des Betriebszweiges „Fresseraufzucht“ dar? Von den derzeit 4,3 Mio. Milchkühen in Deutschland entfallen fast 60 Prozent (2,5 Mio.) auf die HF-Rasse und 28 Prozent (1,2 Mio.) auf Fleckvieh. Deren Kälber sind für die Bullenmast gesucht und teuer. Aber es werden pro Jahr nur etwa 600 000 männliche Fleckviehkälber geboren, wovon die meisten über die regionalen Auktionen für die spätere Mast verkauft werden.

In Bayern wurden auf allen Auktionen im Vorjahr insgesamt 171 500 männliche Kälber verkauft. Davon gehen derzeit, geschätzt, pro Woche etwa 2 000 Käl­ber in norddeutsche Mastbetriebe (im Winter etwa 2 500 und im Sommer etwa 1 500), das sind etwa 50 Prozent der bayerischen Kälber. Bei den Preisen gibt es eine Zweiteilung. In den Sommermonaten sind die Kälber in Bayern wegen der saisonalen Abkalbung meist knapp und sogar noch teurer. Da aber viele Bullenmäster vor allem mit großen Beständen kontinuierlich produzieren, müssen sie auch kontinuierlich Kälber oder Fresser zukaufen – auch dann, wenn die Preise eigentlich zu teuer sind. Nur in den Wintermonaten, bis Ostern, sind die Fleckviehkälber preiswerter und meist auch etwas schwerer, weil sie bei den Milchbauern etwas länger gehalten werden. Jedoch ist auch bei der Rasse Fleckvieh die Masteignung im Laufe der Jahre etwas schlechter geworden – aber auch in weniger guten Tieren sitzt „Potenzial“.

Durch gekonnte Fütterung kann man bei der Kälber- und Fresseraufzucht viel erreichen. Die Fleckviehkälber haben heute mehr Rahmen und können deshalb als Bullen schwerer gemästet werden. Vor etwa 25 Jahren waren die Kälber kleiner und „rund“, so dass die Schlachtge-wichte in der Bullenmast damals bei nur etwa 400 kg lagen. Bei den heute längeren und rahmige­ren Tieren sind auch 460 kg Schlachtgewicht möglich, weil „die Futterkurve nicht mehr so schnell nach unten geht“. Um solche Schlachtbullen zu mästen, müssen heute gute, gleichmäßig aufgezogen, möglichst schwere Fresser eingestallt werden.

Fresseraufzucht nach Bedarf der Bullenmäster

Auf dem Markt für Fresser ist in aller Regel der Einkäufer/Bullenmäster „König“ und bestimmt das Geschäft. Die meisten Mäster wollen nach Möglichkeit keine leichten Tiere einstallen (das Mindestgewicht sollte über 150 kg liegen) – auch weil die Masttiere in der Bullenmast auf Spalten stehen. Ein Einstalltier mit nur 150 kg ist lediglich „ein großes Kalb“ und zu empfindlich. Bei der Umstellung in die Bullenmast müssen die Einstalltiere auf jeden Fall zu 100 Prozent fressen und dürfen bei den Tageszunahmen nicht „einbrechen“. Der Trend geht sogar zu noch schwereren Tieren, um 200 kg – deren Einstallung ist sicherer und stabiler.

Mit welchem Gewicht die Fresser verkauft werden, richtet sich nach dem Bedarf des Bullen-mästers. „Zielgewicht“ sind etwa 200 kg – das schwankt allerdings; dem Markt angepasst von 160 bis 230 kg – dabei zählt nicht das Einzeltier, sondern der Durchschnitt der Gruppe (von 50 bis 100 Tieren). Wenn bei einem Fresser-Aufzuchtbetrieb ein Durchgang „schlecht gelaufen ist“, zum Beispiel durch zu teuren Einkauf und zu billigem Verkauf, dann ist vielfach das ganze Jahr für den Fresseraufzieher gelaufen, denn beim Verkauf und möglichen Gewinn des nächsten Durchgangs kann man den Verlust vom ersten Durchgang kaum wieder ausgleichen. Es ist schwierig, den Verkauf der Fresser „zu schieben“ und auf bessere Preise zu warten. Der Fresseraufzieher muss dann verkaufen, wenn der Bullenmäster die Tiere einstallen will und kann nicht auf das „optimale“ Gewicht und den optimalen Preis warten. Die Erfahrung lehrt: Das bringt nichts. Wenn der Markt einige Wochen schwach ist, ist es besser, die „fertigen“ Fresser zu einem billigeren Preis zu verkaufen, als auf bessere Preise zu warten. Wenn der Preis für Fresser zum Beispiel bei 750 Euro liegt, kann man sich für 20 Euro mehr „tot telefonieren“, ohne Erfolg zu haben. Dann ist es besser, ein Kaufangebot zu akzeptieren und zu verkaufen und mit einem neuen Durchgang starten.

Sowohl die Bullenmäster als auch die Händler sind heute gut informiert und reagieren auf Preisänderungen schnell, denn der Markt für Fresser ist überschaubar, die „Ware“ ziemlich einheitlich und damit gut vergleichbar (anders als das Angebot bei normalen schwarzbunten Nutzkälbern). Männliche Fleckviehkälber sind eigentlich immer teuer (und werden laufend teurer) – allerdings schwanken die Preise im Jahr zwischen Sommer und Winter um bis zu plus/minus 150 Euro je Kalb. Dagegen werden die Preise für schwarzbunte Nutzkälber von HF-Kühe aus spezialisierten Milchviehbetrieben sehr schnell von der Nachfrage und dem Kälberangebot sowie den aktuellen Aussichten bei den Schlachtkälberpreisen beeinflusst. Im Wesentlichen bestimmen hier die Kälbermäster in den Niederlanden den Markt und die Preise. Diese lagen in den letzten Jahren je Kalb zwischen 60 Euro bis hin zu 180 Euro. Besonders gute sowie schwere Nutzkälber werden meist mit etwa 30 Euro Aufpreis gehandelt.

Fresseraufzieher brauchen Beratung mit Erfahrung

Viele spezialisierte Fresseraufzuchtbetriebe sind ins Geschäft hinein gewachsen und haben mitunter auch viel Lehrgeld bezahlt, bevor sie alle Feinheiten bei der Gesundheit und Fütterung ihrer Kälber beherrschen. Allerdings lohnt sich die spezialisierte Aufzucht von Fressern nur bei einer „kritischen Bestandsgröße“ von 200 bis 400 Tieren. Um Krankheiten zu vermeiden, sollte die Ausstallung und neue Einstallung am besten im Rein-Raus-Verfahren erfolgen. Auch die Spezialisten haben immer noch Fragen und Probleme und sind froh über eine Beratung, die viel Know how bei Gesundheitsfragen und Detail­fra­gen der Fütterung mitbringt.

Einkauf der Kälber und der rechtzeitige Fresserverkauf

Ein spezielles Problem ist der Einkauf der passenden Kälber, aber auch der rechtzeitige Verkauf der fertigen Fresser. Hier schlagen die stetig wechselnden Preise beim Einkauf der neuen Aufzuchtkälber und beim Verkauf der fertigen Fresser stark auf die Kassenlage beziehungsweise Liquidität durch. Um dieses Auf und Ab ein wenig zu glätten und für eine möglichst schnelle Lieferung neuer Ein­stallkälber zu sorgen, müssen die fertigen Fresser zügig verkauft werden. Bei diesen „Knackpunkten“ der Fresseraufzucht bietet zum Beispiel die RVG (Raiffeisen Viehvermarktung GmbH) aus Ennigerloh eine „Rundum-Beratung“ sowohl für spezialisierte Fresseraufzuchtbetriebe als auch Bullenmäster.

In aller Regel soll der Fresseraufzuchtbetrieb in einer Woche die neuen Kälber bekommen, so dass er nach dem Verkauf der Fresser eine Woche Leerstand hat, Zeit, um den Stall zu desinfizieren. Die Beratung hilft bei der Einstallung, der Fütterung und bei Fragen zur Tiergesundheit. Alle paar Wochen erfolgt eine „Bestandsbetreuung“. Dabei werden die Tiere einzeln in Augenschein ge­­nommen und die Futterration neu eingestellt. Der Verkaufspreis für Fresser (siehe Ãœbersicht) korreliert mit dem Einkaufspreis für neue Kälber.

Kälberhandel lebt vom Vertrauen

Der Kälberhandel lebt vom Vertrauen und der guten Qualität. Auch beim Handel mit Fleckviehkälbern kann man schnell „einige billige Tiere untermischen“, zum Beispiel ältere oder leichtere oder Kreuzungs­tiere, so kann man den Gesamtpreis einer Gruppe „optisch“ um 10 Prozent nach unten drücken. Da die Kälber in aller Regel nachts gefahren werden und bei Tagesbeginn noch im Dunkeln bei den Bullenmästern ausgeladen werden, können in einer großen Gruppe (100 bis 200 Kälber) schon mal ein oder zwei qualitativ schwächere Tiere (Kreu­zungstiere oder untergewichtige Tiere) „untergeschoben“ werden. Diese müssen dann nachträglich reklamiert und deren Preise korrigiert werden. Eine Preisdifferenz von etwa 40 Cent je kg macht bei zwei Kälbern einen Unterschied von 160 Euro. Wer regelmäßig mit Tieren umgeht, bekommt sehr schnell ein Auge für die Tiere und deren Qualität – trotz großer Gruppen, sogar für einzelne Tiere.

Der Aufzuchtbetrieb sortiert auf Gruppen vor

Im Fresser-Aufzuchtbetrieb wird die neue Gruppe von beispielsweise 200 Fleckviehkälbern vorsortiert und auf mindestens zwei oder auch vier gleichmäßige Gruppen verteilt, die dann unterschiedlich „behandelt“ und angefüttert werden. Dazu gehört auch ein Impfprogramm. Das Auge des Herrn mästet das Vieh: Das bedeutet, die Einstallung und Fütterung der Kälber erfolgt zwar nach einem Fütterungsprogramm. Aber zum Beispiel alle zwei Wochen wird die Fütterung gegebenenfalls nachjustiert. Die Futterration erfolgt streng nach Plan und wird zum Beispiel alle 10 kg angepasst. In der ersten Woche sollte die Stroh- und Kraftfutteraufnahme pro Tag und Kalb etwa 1 kg betragen. Die Zufütterung von „Kraftfutter“ (Mais, Soja, Getreide-Gemisch) sollte ab der vierten Woche je Tier und Tag etwa bei 3 kg liegen. Danach wird sie im Verlauf von vier Wochen langsam reduziert und sukzessive mehr Maissilage und Soja gefüttert.

Nach sechs Wochen mit etwa 135 kg Lebendgewicht werden alle Kälber von der Milch ab-gesetzt, dann sollten pro Kalb und Tag etwa 3 kg Maissilage aufgenommen werden. Nach der Milch erhalten die Kälber noch sechs bis sieben Wochen Grundfutter, zum Schluss 10 bis 15 kg pro Tag – so wird der Pansen optimal für die Bullenmast ausgebildet. Gegen Ende der Auf-zucht (also mit vier bis fünf Monaten Lebensalter) sollten die Fresser mindestens 160 bis 200 kg wiegen. Speziell in den ersten vier Wochen kommt es auf jedes Detail an. Gerade in diesen risikoreichen Wochen „mästet das Auge des Herrn“.

Nach drei Wochen sollte man zum Beispiel gut und schnell wachsende Kälber nicht mehr so konzentriert füttern, während kleinere, zurück-gebliebenen Tiere weiter konzentriert gefüttert werden müs­sen, das heißt mehr Kraftfutter (Energie). Eine der wichtigsten Kennziffern sind die netto Tageszunahmen. Gemessen wird dieser Wert vom Kälbereinkauf (auf der Auktion „Südgewicht“), zum Beispiel 85 kg, bis zur Ausstallung der Fresser mit beispielsweise 200 kg (mit vollem Pansen). Das ergibt einen Zuwachs von 115 kg. Bei 110 Stalltagen errechnet sich so eine Tageszunahme (TZN) von 1 045 g. Angestrebt und möglich sind Tageszunahmen von 1 150 bis 1 200 g, und zwar im Durchschnitt der Gruppe (das heißt bei einzelnen Tieren zwischen 1 100 und 1 300 g).

Im Laufe der Zeit hat sich zwischen Fresseraufzuchtbetrieben und Bullenmästern teilweise eine feste Geschäftsbeziehung entwickelt. Gut, wenn man die „Part­ner“-Betriebe“ kennt und weiß, wo die Tiere herkommen und wie sie sich im Stall machen. Auch bei der Bullenmast gibt es Fragen im Detail bei der Fütterung und der Krankheitsvorsorge. Deshalb sind auch Bullenmäster froh, wenn sie gezielt be­raten werden (Einkauf der Fresser, Fütterung und späterer Verkauf).

Das Verfahren kostet etwa 200 Euro

Wie Fresser-Aufzuchtbetriebe von 85 bis 200 kg (bei 1 100 g TZN und etwa vier Monaten) kalkulieren, zeigt das Beispiel:

Einkaufspreis Fleckviehkalb 85 kg (April/2015) inkl. 7 Prozent MwSt. frei Stall: 580 Euro (85 kg mal 6,20 Euro, plus 15 Euro Transport). Zusammen mit dem Zukaufspreis für das Fleckviehkalb in Höhe von 550 bis 650 Euro addieren sich die Produktionskosten für den Fresser mit 200 kg etwa 800 Euro. Hinzurechnen muss man die Entlohnung der Arbeit. Der tägliche Arbeitsaufwand liegt bei etwa morgens und abends je zwei Stunden Arbeit. Laut einer Arbeitskreis-Auswertung werden bei durchschnittlich 250 Plätzen 1 200 Stunden am Arbeitsplatz aufgewendet. Demnach sind als Kosten der Arbeit pro Fresser etwa 2 Stunden x 20 Euro = 40 Euro anzusetzen. Als Zinsanspruch müssen je Fresser etwa 8 Euro (im Mittel 650 Euro x 5 Prozent x 3 Monate) gerechnet werden. Bei den Kosten für den Stallplatz wird es ebenfalls eng, sofern nicht alte/abgeschriebene Ställe genutzt werden. Der Neubau kostet mindestens 1 500 Euro/Platz und damit etwa 150 Euro Festkosten pro Jahr oder 40 Euro/Fresser. Bei Altbauten kommt man mit etwa 10 Euro/Tier „Unterhaltskosten für Gebäude“ aus.

Gute Betriebe erzielen circa 20 Euro pro Stunde

Alles in allem betragen die „Vollkosten“ der Fresseraufzucht stolze 850 Euro. Da es jedoch schwierig ist, die Fresser für diese Preise zu verkaufen, kommt es im Betrieb darauf an, an möglichst vielen Kostenschrauben zu drehen, um die Tiere zu den am Markt bezahlten Preisen ohne Verluste verkaufen zu können.

Der kostendeckende Verkauf der Fresser ist genauso schwierig wie die Aufzucht selbst. Nicht immer ist die Nachfrage groß genug und die Preise sind nur selten zum Frohlocken. Der Markt wird auch durch den Gesundheitsstatus, zum Beispiel BHV1-Status, beeinflusst und je mehr Bundesländer BHV1-frei werden, umso offener wird der Markt. Gesucht sind vor allem große Gruppen von mindestens 50 bis zu 200 Tieren. Entscheidend für das Gewicht und die Preise ist nicht das einzelne Tier, sondern die gesamte Gruppe.

Nach Auswertungen haben ergeben, dass der Gewinn bei den Fresseraufzuchtbetrieben in den letzten Jahren je Fresser bei 36 Euro lag, das sind bei drei Umtrieben je Platz etwa 110 Eu­ro. Das zeigt, dass in der Praxis etwas „anders gerechnet“ wird und die Könner mit den Rahmenbedingungen klarkommen. Bezogen auf Arbeitsaufwand von 1,5 bis 2 Stunden je Fresser (also 5 Stunden je Platz) errechnet sich eine Verwertung der Arbeitszeit von 22 Euro je Stunde.

Dr. Theo Göbbel – LW 39/2015