Luftreinhaltung kontra Tierwohl

Geplante Regelungen zur Verminderung von Luftschadstoffen

Nach der NEC-Richtlinie muss Deutschland die Ammoniakemissionen bezogen auf das Jahr 2005 ab dem Jahr 2020 um 5 Prozent, und ab dem Jahr 2030 um 29 Prozent senken. Als größter Verursacher in Sachen Ammoniak muss die Landwirtschaft hier die Hauptlast tragen.

Das Maßnahmenpaket sieht auch eine Abluftreinigung in der Tierhaltung vor, was aber einer tiergerechten Offenstall- oder Weidehaltung entgegensteht.

Foto: landpixel

Im Jahr 2001 trat in der EU die Richtlinie 2001/81/EG (NEC-Richtlinie) über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe in Kraft. Diese wurde 2016 durch die Richtlinie (EU) 2016/2284 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe abgelöst. Die Vorgaben sollen ein so hohes Luftqualitätsniveau gewährleisten, dass es zu keinen wesentlichen negativen Auswirkungen und Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt kommen kann.

Dazu legt die NEC-Richtlinie Emissionsreduktionsverpflichtungen für menschen-verursachte atmosphärische Emissionen von Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen (außer Methan), Ammoniak und Feinstaub in den Mitgliedstaaten fest. Im Rahmen der Umsetzung muss jeder Mitgliedsstaat der EU-Kommission bis zum 1. April 2019 ein nationales Luftreinhalteprogramm übermitteln. Dieses wird in Deutschland derzeit federführend vom Bundesumweltministerium erstellt und innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.

Die Landwirtschaft muss Ammoniakemissionen senken

Von größter Relevanz für die Landwirtschaft sind die gesetzlichen Vorgaben zu den Ammoniakemissionen, da diese in Deutschland zu über 90 Prozent von der Landwirtschaft verursacht werden. Andere Emittenten wie Industrie, Verkehr und Energiewirtschaft spielen kaum eine Rolle. In der Landwirtschaft erfolgen Emissionen im Stall, während der Lagerung von Wirtschaftsdüngern und nach der Ausbringung sowohl wirtschaftseigener als auch mineralischer Dünger im Feld. Sie können damit einen erheblichen ökonomischen Verlust für den Landwirt darstellen.

In die Atmosphäre entwichenes Ammoniak kann über weitere Strecken verfrachtet und in Form von Ammonium (NH4+) wieder in den Boden von Wäldern und landwirtschaftlichen Flächen eingetragen werden. Ökologisch trägt diese Ammonium-Redeposition zur Bodenversauerung bei und ebenso zu Nitrat- und Basenauswaschungen, Nährstoffungleichgewichten und Änderungen der Artenzusammensetzung in naturnahen Ökosystemen. Zusätzlich führt die Umsetzung von Ammonium im Boden zu einer erhöhten Emission des Treibhausgases Lachgas.

Kontrovers wird derzeit eine Studie des Max-Planck-Instituts in Mainz diskutiert, die die Rolle von Ammoniak bei der Feinstaubbildung herausstellt, da sich Ammoniak in der Atmosphäre mit anderen Gasen zu sekundärem Feinstaub verbindet.

Reduktionsziele laufen anderen Umweltzielen zuwider

Nach der „neuen“ NEC-Richtlinie aus dem Jahr 2016 muss Deutschland die Ammoniakemissionen bezogen auf das Jahr 2005 (625 000 Tonnen pro Jahr) ab dem Jahr 2020 um 5 Prozent, und ab dem Jahr 2030 um 29 Prozent senken, das heißt die Emissionen dürfen im

Jahr 2030 nur noch 444 000 Tonnen betragen. Ursprünglich hatte die EU-Kommission sogar eine Reduktion um 39 Prozent und der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments eine Reduktion von 46 Prozent gefordert.

Wie groß die Herausforderung für die Landwirtschaft auch mit einem Reduktionsziel von 29 Prozent ist, wird dadurch deutlich, dass die Emissionen in Deutschland seit 2005 nicht zurückgingen, sondern bis 2016 sogar auf 663 000 Tonnen anstiegen. Dieser Anstieg wird mit steigenden Emissionen aus Gärrückständen aus Biogasanlagen erklärt. Im Vergleich zum Jahr 2016 müssen die Ammoniakemissionen also bis 2030 um etwa 220 000 Tonnen gesenkt werden.

Aufgrund des bisherigen Überschreitens der maximal zulässigen Ammoniak­emissionen wurden schon in der neuen Düngeverordnung (2017) verschiedene Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen vorgeschrieben. Diese sind im Kasten zusammengefasst. Nach übereinstimmenden Schätzungen verschiedener Institutionen wie dem Thünen-Institut, werden diese Maßnahmen allerdings nicht einmal ausreichen, um die Hälfte der in der NEC-Richtlinie geforderten Reduktion der Ammoniak­emissionen zu erreichen.

Bei einigen Entwicklungen, vor allem im Hinblick auf die Verbesserung des Tierwohls, ergeben sich sogar Zielkonflikte im Hinblick auf die Minderung der Ammoniakemissionen. So steht zum Beispiel die Schaffung von Auslaufmöglichkeiten in der Rinderhaltung der Minderung der Ammoniakemissionen durch technische Maßnahmen im Stall und im Güllelager entgegen.

Geplante Maßnahmen würden die Tierhaltung gefährden

Im Rahmen des von der Bundesregierung zu erstellenden Luftreinhalteprogramms werden deshalb derzeit verschiedene weiterführende Maßnahmen diskutiert. Zu diesen zählen:

  • die Reduzierung der N-Ausscheidungen der Tiere durch N-reduzierte Fütterung,
  • die Verminderung der Ammoniak­emissionen aus den Ställen durch Abluftreinigung,
  • eine verlustärmere Güllelagerung durch Abdeckung der Lager, Gülle­kühlung,
  • weitere Restriktionen beziehungsweise Anforderungen hinsichtlich der Ausbringungstechnik (beispielsweise ein Verbot des Einsatzes von Breitverteilern auf unbestelltem Ackerland, die verstärkte Anwendung der Injektions- beziehungsweise Schlitztechnik auf bestelltem Acker- und Grünland und die Ansäuerung der Gülle),
  • die Verschärfung des Einarbeitungsgebots, das heißt die sofortige (weniger als eine Stunde nach Ausbringungsbeginn) Einarbeitung von flüssigen und zukünftig auch festen Wirtschaftsdüngern auf unbestelltem Ackerland und
  • die weitergehende Anwendung von Ureaseinhibitoren bei der Ausbringung von harnstoffhaltigen Düngemitteln.

Diese Maßnahmen können über das Düngerecht (Novellierung der Düngeverordnung) und teilweise auch die TA Luft geregelt werden. Sie würden bei konsequenter und vollständiger Umsetzung voraussichtlich zur Zielerreichung der NEC-Richtlinie einen ausreichenden Beitrag leisten, für die Landwirtschaft allerdings auch eine erhebliche organisatorische (zum Beispiel sofortige Einarbeitung) und finanziellen (zum Beispiel Abluftreinigung) Herausforderung darstellen.

Maßnahmen zur Senkung der Ammoniakemissionen

nach der aktuellen Düngeverordnung gilt:

„Unverzügliche“ Einarbeitung (max. 4 h nach Ausbringungsbeginn) von organischen sowie organisch-mineralischen Düngemitteln auf unbestelltem Ackerland (außer Festmist, Kompost, org. und org.- min. Düngemittel mit TS-Geh. < 2 Prozent).

Ausbringung von Harnstoff ab 1. Februar 2020 nur noch bei Zugabe eines Ureasehemmstoffs oder unverzüglicher Einarbeitung (spätestens nach 4 h).

Streifenförmige Aufbringung bzw. Einarbeitung von flüssigen organischen sowie organisch-mineralischen Düngern auf bestelltem Ackerland ab Februar 2020 sowie auf Grünland und mehrschnittigem Feldfutterbau ab Februar 2025. Ausnahmeregelungen der nach Landesrecht zuständigen Stelle möglich, u.a. aufgrund naturräumlicher oder agrarstruktureller Besonderheiten.

Erhöhte Anforderungen an die Gerätetechnik.

So war in einem Entwurf der neuen Düngeverordnung das sehr wirksame, sofortige Einarbeitungsgebot für flüssige Wirtschaftsdünger schon einmal vorgesehen, wurde aufgrund des Widerstandes aus Bundesländern mit eher kleinstrukturierter Landwirtschaft aber wieder aufgegeben.

Aufgrund der Schwierigkeiten das gesamte oben umrissene Maßnahmenpaket umzusetzen, gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass ohne eine Abstockung der deutschen Tierbestände die Reduktion der Ammoniakemissionen nicht erreicht werden kann.

Landwirtschaft nicht in ihrer Existenz gefährden

Neben der Umsetzung der im Jahre 2017 in Kraft getretenen Düngeverordnung wird das von der Bundesregierung zu erstellende Luftreinhalteprogramm eine erhebliche zusätzliche Herausforderung für tierhaltende Betriebe darstellen. Es wird Maßnahmen zur Verminderung der Ammoniakemissionen beinhalten, die deutlich über die Regelungen der geltenden Düngeverordnung hinausgehen.

Aufgrund der beschriebenen schädlichen Auswirkungen von Ammoniak auf die Umwelt und die Gesundheit des Menschen sind die geforderten Reduktionen der Ammoniakemissionen ohne Zweifel begründet. Es wäre zu wünschen, dass sich die Landwirtschaft intern mit der Problematik der regional sehr hohen Tierbestände mit allen ihren ökologischen Folgen auseinandersetzt.

Genauso sollten aber von der Umweltseite bei der Festlegung von Maßnahmen zur Reduktion der Ammoniak­emissionen agrarstrukturelle sowie na­turräumliche Gegebenheiten berücksichtigt werden, so dass die Landwirtschaft gerade in benachteiligten Regionen nicht zusätzlich in ihrer Existenz gefährdet wird.

Prof. Franz Wiesler, Dr. Martin Armbruster, LUFA Speyer – LW 13/2019