Maden sogar in Sauerkirschen

Interview mit dem Obstbauberater Günter Hensel vom DLR RNH in Oppenheim

Es sind keine geeigneten Pflanzenschutzmittel mehr auf dem Markt, um die Die Kirschfruchtfliege zu bekämpfen.

Foto: Dahlbender

LW: Dieses Jahr gab es bundesweit Probleme mit der Kirschfruchtfliege im Kirschenanbau. Was war passiert?
Günter Hensel:
Die Kirschfruchtfliege trat zunächst etwas zögerlich, dann aber sehr stark auf, was die Fänge auf den Gelbtafeln belegen. Zur Bekämpfung wurde das Präparat Mospilan SG nach § 11,2 PflSchG genehmigt mit zwei Anwendungen und einer Wartezeit von 14 Tagen. Die Bekämpfung wurde termingerecht durchgeführt. Dennoch wurde ab der Ernte der Süßkirschensorte „Van“ erster Befall durch die Maden der Kirschfruchtfliege festgestellt.

Mit Beginn der Haupternte mit den Sorten „Haumüller“, „Hedelfinger“, „Kordia“ und „Regina“ nahm das Problem deutlich zu. In vielen Anlagen kam es trotz Behandlungen zu einer Vermadung. Bei sehr geringem Befall (unter 1 Prozent) wurden geschädigte Früchte so gut als möglich heraussortiert. Bei Befall im oberen Kronenbereich wurden die Früchte in der Baumkrone nicht geerntet, in einzelnen Fällen war eine Ernte unmöglich. Auch in Sauerkirschen war das gleiche Bild zu verzeichnen, hier spielt zusätzlich die Amerikanische Kirschfruchtfliege eine bedeutende Rolle.

In Hausgärten und unbehandelten Bäumen waren die Süßkirschen in der Regel bis zu 100 Prozent vermadet.

LW: Wie kommt es zu solch einer gro­ßen Population an Kirschfruchtfliegen nach diesem langen, kalten Winter?
Hensel:
Die Kirschfruchtfliegen überwintern im Boden geschützt in einer Tönnchenpuppe. Diese überstehen die kalten Temperaturen sehr gut. Zusätzlich können die Puppen im Boden auch überliegen, das heißt der Schlupf der adulten Kirschfruchtfliege erfolgt erst im übernächsten Jahr. Seit Jahren beobachten wir, dass die Population an Kirschfruchtfliegen ansteigt.

Einerseits nimmt die Anzahl der Wirtspflanzen in Form von aufgelassenen, nicht mehr bewirtschafteten Obstanlagen und Vogelkirschen als Straßenbäume, die nicht behandelt werden, deutlich zu. Andererseits haben wir inzwischen zwei Arten von Kirschfruchtfliegen im Gebiet, die heimische europäische Kirschfruchtfliege, Rhagoletis cerasi, und die eingeschleppte amerikanische Kirschfruchtfliege, Rhagoletis cingulata. Beide Arten fliegen über einen sehr langen Zeitraum die Süß- und Sauerkirschen an, was die Bekämpfung erschwert.

Mit Mospilan SG von der Firma Stähler aus Stade haben wir keine Wirkung auf die adulten Kirschfruchtfliegen. Diese können ungehindert Eier in die reifenden Früchte ablegen. Das stellt ein großes Problem dar.

LW: Wie viele Obstbauern sind in Rheinhessen und der Pfalz mit welcher Menge betroffen?
Hensel:
In Rheinhessen, im Hauptkirschengebiet von Rheinland-Pfalz, sind viele Obstbauern betroffen. Die genaue Zahl ist sehr schwer abzuschätzen. Mit einem Fragebogen erbitten wir von den Obstbauern Rückmeldungen zur Befallssituation.

Die Bandbreite des Befalls ist recht weit, sie reicht von einzelnen vermadeten Kirschen über einen Befall von 5 bis 10 Prozent bis zu einer Vermadung von 50 Prozent und mehr. Und das trotz Behandlungen mit Mospilan SG. Im Anbaugebiet um Koblenz sieht es ähnlich aus, in der Pfalz gibt es einzelne Schadensmeldungen.

LW: Wie reagieren die Obstbauern?
Hensel:
Bei zunehmendem Befall können die Anlagen nicht mehr beerntet werden, da schon einzelne Maden auf dem Vermarktungsweg und vom Verbraucher nicht akzeptiert werden. Da gerade großkronigere Bäume im oberen Bereich stark betroffen sind, werden ältere Süßkirschenbäume deutlich zurückgeschnitten oder gerodet. Das ist mit Ertragseinbußen verbunden und bringt sicher auch eine Veränderung des Landschaftsbildes mit sich.

Die Zukunft des Kirschenanbaus liegt also zwangsweise in intensiven, kleinkronigen Anlagen. Da aber auch hier vermadete Kirschen zu finden sind – trotz gezielter Applikationstechnik und Terminierung der Behandlungen – ist der Unmut der Obstbauern deutlich zu spüren.

LW: Was wird unternommen?
Hensel:
In Zusammenarbeit mit der Bundesfachgruppe Obstbau haben wir bundesweit eine Umfrageaktion gestartet, um einen Überblick zur Befallssituation Kirschfruchtfliege in den einzelnen Regionen zu erhalten. Diese Daten fließen in die Beurteilung und Planung der zukünftigen Bekämpfungsstrategie ein. Hierzu findet auch ein Fachgespräch mit der Pflanzenschutzindustrie, hier mit der Firma Stähler, statt.

Um den Einsatz von Mospilan SG besser terminieren zu können, wurden in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Lückenindikation Obst Rückstandsdaten erarbeitet, die voraussichtlich eine kürzere Wartezeit von nur sieben Tagen ermöglichen. Da die Wirkung von Mospilan SG alleine zur Bekämpfung nicht ausreicht, sind wir weiter auf der Suche nach Alternativen. Einzige Alternative stellt derzeit der Wirkstoff Dimethoat dar.

Daher haben wir in Zusammenarbeit mit der Firma BASF und anderen Versuchsanstellern Rückstandsversuche zu dem Wirkstoff Dimethoat angelegt.

Möglicherweise kann mit einer längeren Wartezeit und einer verminderten Aufwandmenge der auf 0,2 mg/kg abgesenkte EU-Rückstandshöchstgehalt eingehalten werden. Der Hauptvorteil von Dimethoat-Präparaten liegt auf der Hand: die adulte Kirschfruchtfliege wird bekämpft, sie kann keine Eier in die Früchte ablegen. Zudem waren Dimethoat-Präparate in einigen EU-Staaten und der Schweiz in 2010 zugelassen und wurden auch eingesetzt. Weiterhin werden Wirkungsversuche durchgeführt, nur sind derzeit andere Präparate für eine wirkungsvolle Bekämpfung nicht zu erkennen.

Wirtspflanzen wie die Vogelkirsche (Baum des Jahres 2010) sollten nicht im Obstbaugebiet gepflanzt werden, da diese Bäume als Brutstätte und Reservoir für die Kirschfruchtfliege dienen.

Gleichzeitig sollten aufgelassene Kir­schenbestände,besonders Sauerkirschen, unbedingt gerodet werden. Für die boomende Kultur Süßkirsche, die beim Verbraucher so beliebt ist, bedarf es einer Lösung zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege, ansonsten wird es eine Reduktion der heimischen Produktion geben. Mit Günter Hensel vom DLR RNH sprach Elke Setzepfand