Mäuse bekämpfen und Hamster schonen
Feldmaus-Bekämpfung unter Naturschutzaspekten
Feldmäuse führen unter anderem in Wintergetreide, Winterraps und auch Zwischenfrüchten immer wieder zu wirtschaftlichen Schäden. Dennoch existieren nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zu deren Bekämpfung, und diese stehen im Zielkonflikt mit Naturschutzbelangen beispielsweise wie der Schonung von Feldhamstern. Eine Tagung in Alzey suchte nach Lösungen.
Vor zwei Wochen fand eine Info-Veranstaltung zur Feldmausproblematik in Alzey statt. Hierzu sollten Informationen zur Mäuse-Bekämpfung bei gleichzeitiger Schonung anderer Feldbewohner, insbesondere des Hamsters auszutauschen. Aus Sicht der Landwirtschaft referierten Klaus Schackmann und Martin Nanz vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum, aus Sicht des Naturschutzes der Hamster-Experte Diplom-Biologe Holger Hellwig von der Firma plan b GbR in Bingen.
Feldmausüberwachung in Rheinland-Pfalz
Giftlinsen auf Nichtkulturland in Rheinland-Pfalz zugelassen
Die Genehmigung eines Einsatzes von Ratron-Giftlinsen als Voraussetzung für die Anwendung in Rückzugsgebieten (Böschungen, Feldwege, Ackerrandstreifen) kann bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) beantragt werden. Nach der Genehmigung ist die Anwendung bis 29. Dezember 2015 zulässig. Die Rückzugsgebiete müssen sich entweder innerhalb oder direkt an Kulturflächen befinden. Nicht möglich ist eine Anwendung, sofern Pflanzenschutzmittel durch Vertrag (EULLa) oder durch Greening (Bracheflächen, Zwischenfruchtflächen, Pufferstreifen) auf den jeweiligen Flächen ausgeschlossen sind.
Die Anträge sind kostenlos und bei den DLR-Dienststellen erhältlich; sie können auf der Internet-Seite der ADD können sie heruntergeladen werden: www.add.rlp.de / Landwirtschaft / Agraraufsicht / Pflanzenschutzdienst / pflanzenschutzrechtliche Genehmigungen.
Anträge können direkt zur ADD gesandt oder über das DLR eingereicht werden. Das DLR nimmt dann fachlich Stellung. Der Landwirt muss die Notwendigkeit mit der Lochtret-Methode nachweisen (16x16 m, mindestens acht wiedergeöffneten Löcher am Folgetag). Zur Ausbringung ist die Sachkunde im Pflanzenschutz notwendig. Nach der Anwendung muss diese dokumentiert, auf mögliche Schäden an anderen Wirbeltieren kontrolliert und gemeldet werden.
Die Giftlinsen haben ein geringeres Volumen als Giftweizen. Dafür hat der Vertreiber ein spezielles Gerät („Appli-Gun“) entwickelt. Die Giftlinsen sind auf jeden Fall tief und unzugänglich für Vögel in die Gänge einzubringen.
NanzSeit 2007 führt Klaus Schackmann regelmäßige Feldmausüberwachungen mittels Kleinflugzeug durch. Die Flüge sind Bestandteil der Überwachung im Pflanzenschutz und finden jeweils im Frühjahr und im Herbst statt. Hier findet sich die günstigste Zeit zur Abschätzung der Schädigung im Wintergetreide, im Winterraps und in der Zwischenfrucht. Die Saaten müssen im Herbst bereits deutlich Blattmasse gebildet haben. Die letzte Befliegung über Rheinhessen fand am 12. November 2015 statt. Mittels GPS-Funktion in der Kamera können die Luftbilder später den betroffenen Feldern auf der Flugroute zugeordnet werden. Die Schäden werden subjektiv in drei Schadklassen eingeteilt (5 bis 10 , 10 bis 15 und 15 bis 20 Prozent), je nach Anteil der befressenen Teilflächen an der Gesamtfläche.
Die Mäusebekämpfung muss effektiver werden
2009 und 2010 waren noch Jahre mit schwachem Befall. Seit 2011 bis 2015 wurde starker Befall beobachtet. Die Besonderheit des Jahres 2013 war, dass der Befall in Rheinland-Pfalz im Gesamten zwar gering war, aber in Rheinhessen stark. Somit waren die letzten fünf Jahre (2011 bis 2015) auf den Lössböden Rheinhessens durchweg Starkbefallsjahre. So wurde auch das Ackerbau-Versuchsfeld des DLR in Wörrstadt beziehungsweise Ober-Flörsheim in den vergangenen Jahren regelmäßig von den Feldmäusen geschädigt. Leider existieren nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zur Feldmausbekämpfung. In Rheinland-Pfalz ist mit dem Zinkphosphosphid nur noch ein Wirkstoff zur Feldmausbekämpfung auf Landwirtschaftsflächen zugelassen. Feldmausköder müssen laut Zulassung verdeckt und unzugänglich für andere Tiere wie beispielsweise Vögel ausgebracht werden.
In Versuchen des DLR Eifel war die Wirkung der Zinkphosphid-Präparate enttäuschend. Die Ursache ist nicht geklärt. Möglicherweise spielen Faktoren wie eine verspätete Anwendung bei bereits hohen Mäusepopulationen oder die Anwendung bei nachfolgend feuchter Witterung eine Rolle. Versuche mit Zusatz verschiedener Stoffe zur Steigerung der Attraktivität der Feldmausköder für die Mäuse konnten den Wirkungsgrad deutlich steigern. Es bleibt abzuwarten, ob sich hier zukünftig ein Fortschritt für die landwirtschaftliche Praxis ergibt (s. Tipp der Woche). Gute Erfahrungen wurden in Ostdeutschland mit einem traktorgezogenen Giftweizenlegegerät gemacht, das eine künstliche unterirdische Röhre zieht, in die die Feldmausköder verdeckt abgelegt werden. Es existieren bisher jedoch nur vereinzelte Geräte in Deutschland.
Maßnahmen gegen Mäuse schaden auch dem Hamster
Da die Wirkungsgrade der chemischen Bekämpfung zu wünschen übrig lassen, kommt den indirekten oder vorbeugenden Maßnahmen die Aufgabe zu, der Zunahme der Mäusepopulation stetig entgegen zu wirken. Ein schnelles Räumen der Getreidefelder nach der Ernte und rascher Stoppelsturz entzieht den Mäusen Nahrung und Lebensraum. Bei Starkbefall sollte man Direktsaat vermeiden. Eventuell sollte man eine zusätzliche Bearbeitung zwischen Ernte und Aussaat durchführen. Die Grund-Bodenbearbeitung sollte mindestens 20 cm tief erfolgen, am besten wird gepflügt. Bei der frühen Stoppelbearbeitung, einem zusätzlichen Bodenbearbeitungsgang und einer intensiveren Grund-Bodenbearbeitung bestehen allerdings Zielkonflikte zum Hamsterschutz. Dem Hamster wird die Nahrungsgrundlage und der Lebensraum entzogen. Sitzkrücken für Greifvögel sollten im Rückzugsraum oder entlang des Schlagrandes aufgestellt werden und bei Befall auch auf dem Schlag (0,5 bis 1 Sitzstange/ha).
Mäusebekämpfung aus Sicht des Naturschutzes
Dipl.-Biol. Holger Hellwig vertrat die Seite des Naturschutzes und gilt in der Region als ausgewiesener Hamsterexperte. Er zeigte, dass die natürlichen Feinde der Mäuse wie die Greifvögel indirekt geschädigt werden können, wenn die Mäusebekämpfung zu wenig Futtertiere hinterlässt, da dann die Greifvögel unter Nahrungsmangel leiden. Hieraus leitete er die Forderung ab, einen Mindestbesatz an Feldmäusen überleben zu lassen. Dem Schutz von Nützlingen muss aus seiner Sicht künftig bei der Schädlingsbekämpfung ein deutlich höherer Stellenwert beigemessen werden.Wie Hellwig weiter ausführte, unterscheidet das Bundesnaturschutzgesetz zwischen streng und besonders geschützten Arten. Den aktuellen Schutzstatus für eine bestimmte Tierart lege die Bundesartenschutzverordnung fest. Beispielsweise zählten die Eulen-Arten, Greifvögel und der Feldhamster zu den streng geschützten Arten. Während besonders geschützte Arten im Wesentlichen vor Tötung oder Zerstörung der Reproduktionsstätten bewahrt werden müssen, wird bei streng geschützten Arten zusätzlich gefordert, dass sie während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten nicht gestört werden dürfen. Eine erhebliche Störung liegt dann vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Aus Sicht des Naturschutzes sei die Feldmäusebekämpfung möglich, wenn andere Tiere die Köder nicht frei aufnehmen können, wenn die Zugvögel abgewandert und die Hamster im Winterschlaf sind (November bis März). Ferner müsse weitestgehend sichergestellt sein, dass vergiftete Tiere nicht in die Nahrungskette kommen.
Mäuse bekämpfen, wenn die Hamster schlafen
Die Bekämpfung muss maßvoll genug sein, um Greifvögeln und Eulen ausreichend gesundes Futter übrig zu lassen. Die Mäusepopulation dürfe aus Sicht des Naturschutzes daher nur bis zur Schadschwelle dezimiert werden. Ein Einsatz von Rodentiziden auf öffentlichen und Ausgleichsflächen wird von der Naturschutzseite sehr kritisch gesehen, so der der Biologe. Die landesweit noch „dichtesten“ Bestände finden sich um Mainz und südlich von Alzey, wie Hellwig anhand einer Karte zur Feldhamsterdichte zeigte. Der aktuelle Zustand der Population wird als eher schlecht eingestuft, mit einer insgesamt rückläufigen Tendenz. Als Grenze zu einem guten Populationszustand werden zwei Bauten pro Hektar im Frühjahr angesehen. Mit derzeit durchschnittlich 0,3 Bauten/Hektar ist das Minimum der Population auf Landwirtschaftsflächen erreicht, darunter verschwindet die Population in einem Gebiet. Arealverluste für den Feldhamster sind offensichtlich.
Zur Schonung der Hamsterpopulation sei es unbedingt zu vermeiden, dass die Feldmausköder in die Baue der Feldhamster abgelegt werden. Der Landwirt erkennt den Hamsterbauten an der im Vergleich zum Mäusegang größeren Öffnung, dem größeren Volumen des Erdauswurfes und der steileren Anlage der Gangröhre, die tiefer in den Boden führt. Der Hamster-Experte beschrieb Zielkonflikte zwischen der Mäusebekämpfung und dem Schutz des Hamsters: Die Getreideernte erfolgt heute durch die leistungsfähigen Maschinen im Vergleich zu früheren Zeiten innerhalb einer kurzen Zeitspanne, zu einem früheren Zeitpunkt und ist sehr effizient. Anschließend folgt ein früher Stoppelumbruch.
Raps, Mais, Sonderkulturen und der Pflug schaden dem Hamster
Aus Sicht des Naturschutzes seien heute sehr große, monotone Flächen entstanden, ohne das erforderliche Spektrum an Nahrung und Deckung, vor allem im zweiten Halbjahr. Je nach Region nehmen nicht-feldhamsterfreundliche Kulturen wie die Sonderkulturen, Raps oder Mais einen hohen Anteil ein. Auch intensive Bodenbearbeitung wie Tiefenlockerung oder tiefes Pflügen schädige den Feldhamster. Durch den Verlust von Ackerflächen infolge von Nutzungsänderungen (z.B. Bebauung) und deren Ausgleichsflächen in Form von Hecken, Streuobst, Grünland verringere sich der Lebensraum des Feldhamsters weiter. Zum Schutz der Hamster hätten sich in den letzten Jahren im Vertragsnaturschutz realisierbare Maßnahmen im Dialog mit den Ackerbauern herauskristallisiert. Das Land Rheinland-Pfalz biete diese Maßnahmen im Rahmen des Artenhilfsprogramm Feldhamster außerhalb der EULLa-Verträge an.
„Hochwertige Maßnahmen“ stellen Flächen dar, die ausreichend Nahrung und Deckung zur Verfügung stellen, beispielsweise Blüh- oder Luzernestreifen mit bis zu 3000 Quadratmetern Grundfläche. Der Schutzstreifen muss ab der Getreideernte, also zum Zeitpunkt des Ernteschocks, Deckung und Nahrung anbieten, erläuterte Hellwig. Die Blüh- oder Luzernestreifen könnten so rechtzeitig vor der Getreideernte gemäht werden, dass sie zur Getreideernte wieder einen schützenden Bestand bilden. Die Greifvögel können im Blüh- oder Luzernestreifen zu Zeiten Nahrung finden, wenn der Getreidebestand hoch steht. Als Zielkonflikt kann es vereinzelt zu Schäden an Niederwild und Rehwild kommen.
Vertragsnaturschutz im Dialog mit den Ackerbaubetrieben
„Einfache Maßnahmen“ unterstützen die „hochwertigen Maßnahmen“: Streifen mit Stoppeln und Getreideresten nach der Getreideernte bieten dem Feldhamster Nahrung. Wirksame Maßnahmen können auch Zwischenbegrünungen und Schlagverkleinerungen darstellen. Interessenten an Feldhamsterschutzmaßnahmen (Artenhilfsprogramm Feldhamster) können sich direkt mit dem Referenten in Verbindung setzen (holgerhellwig@gmx.de). In der Diskussion wurde von Seite der Jägerschaft eine zu nachlässige Ausbringung der Zinkphosphid-Präparate auf den Äckern beklagt. Durch offen liegende Feldmausköder würden auch Rebhühner empfindlich geschädigt. Leider war die Beteiligung der Landwirte an der Veranstaltung trotz der starken Feldmausschäden während der letzten Jahre sehr überschaubar. Fazit: Ein Patentrezept zur Bekämpfung der Feldmäuse bei gleichzeitiger Schonung der Hamster und weitere streng geschützter Arten gibt es bisher nicht. Jedoch konnten einzelne Bausteine herausgearbeitet werden. Es deutete sich an, dass sich hier möglicherweise ein Tätigkeits- beziehungsweise Forschungsfeld an der Schnittstelle zwischen Pflanzenschutz und Naturschutz für die Zukunft öffnet.
Martin Nanz, Dienstleistungszentrum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 50/2015