Manche Biene hat nur einen 50 m-Radius
Pfälzer Obstbau- und Pflanzenschutztag zum 49. Mal
Dr. Norbert Laun als Abteilungsleiter Gartenbau am DLR Rheinpfalz, begrüßte zum spannenden Programm des diesjährigen Obstbautages, der gleichzeitig auch als Fortbildungsveranstaltung zum Sachkundenachweis anerkannt war. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem Part Obstbau und Biene.
Aufklärung über die Grundsätze des Zulassungsverfahrens in Europa und Deutschland gab Uwe Harzer vom DLR Rheinpfalz im ersten Fachbeitrag des Tages. Er ging auf die besondere Situation bei im Obstbau wichtigen Präparaten wie Acetamiprid (Mospilan), Fenoxycarb (Insegar) und Spirotetramat (Movento 100 SC) ein. Auch für Kupferpräparate wird eine Entscheidung auf EU-Ebene Anfang 2019 erwartet, da es im Prüfbericht Naturhaushalt erhebliche Probleme gibt.Verfügbarkeit von Insektiziden ist kritisch
Uwe Harzer warnte vor Fehleinschätzungen zur aktuellen Zulassungssituation seitens der Obstbauern. Viele Präparate laufen über Notfallzulassungen oder es kommt durch den Abarbeitungsstau in den Behörden zu Zulassungsverlängerungen, die Verfügbarkeit von Insektiziden wird aber kritisch gesehen. Uwe Harzer wies noch auf die Umstellung des Verfahrens bezüglich § 22 (Einzelfallgenehmigung) hin, welche nicht mehr als Sammelantrag über die Arbeitskreise oder Märkte laufen kann.
Jörg Disselborg, Bundesfachgruppe Obstbau, berichtete über die Aktivitäten in Sachen Pressearbeit und Pflanzenschutz. Er bedankte sich beim DLR für den Freiraum, der Uwe Harzer gewährt wird, um wichtige Anträge nach § 53 Pflanzenschutzgesetz stellen zu können. Bis jetzt sind dies schon 21 Einzelanträge für Notfallsituationen. Diese werden natürlich nicht kostenlos erteilt. Seit 2010 wurden für diese Anträge rund 58 000 Euro ausgegeben, was nicht alles aus Mitgliedsbeiträgen seitens der regionalen Fachgruppen oder Trägerverbände geleistet werden kann.
Positions- und Strategiepapiere gehören zur Situationsbeschreibung für politisch Verantwortliche. „Wenn man etwas fordert, muss man auch etwas geben“, so Disselborg. Hierbei denkt er an abdriftmindernde Düsen als verpflichtende Maßnahme oder breite Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen. Auch gilt es mehr Selbstbewusstsein zu zeigen, denn wie komme sonst die Wertschätzung für das Geleistete zum Ausdruck.
Wenn wir nicht über uns reden, tun es andere
Die gestartete Pressearbeit über das Grüne Medienhaus wurde anfangs aus freiwilligen Spenden der Obstbauern bundesweit getragen, soll nun aber auf verlässliche Füße gestellt werden. In Rheinland-Pfalz Süd geschieht dies dankenswerterweise über die Arbeitskreise Erwerbsobstbau Rheinhessen und Pfalz. Deutschlandweit ist ein „Kleinerwerden“ von Redaktionen zu verzeichnen, daher wird hochwertiges redaktionell aufgearbeitetes Material gerne genutzt. Besonders Gesundheitsthemen werden hervorragend aufgegriffen, zukünftig soll aber auch der Pflanzenschutz eine Rolle spielen. Anhand von vielen Beispielen zeigte Disselborg die Reichweite der Pressearbeit.
In seinem Abschlussstatement animiert er die Zuhörer, die Trumpfkarte Obst als charismatisches, sexy Produkt stärker zu ziehen.
Mit Dr. Klaus Wallner von der Universität Hohenheim, tauchten die Zuhörer ab in die Welt der Bienen und Imker. Das Thema Bienen ist auf der politischen Ebene weit oben angesiedelt. Aber es gebe noch 540 andere Bienenarten außer der Honigbiene und nur wenige Spezialisten, die diese Bienen kennen. Beispielsweise ist die Mauerbiene eng gebunden an Schnörkelschneckenhäuser – ein Generalist aber auch Nistplatzspezialist. Die Scherenbiene wiederum ist bei der Nahrung auf die Glockenblume fixiert, braucht aber als Nistplatz Röhren mit 2 bis 3 mm Innendurchmesser, die sie in Käferfraßgängen findet.
Es braucht allgemein eine hohe Vielfalt an blühenden Pflanzen als Basis für die Artenvielfalt bei Bienen. Mittlerweile gelten 52 Prozent der Wildbienen als bedroht.
Was bietet die heutige Landwirtschaft den Bienen?
Monokulturen ohne Bienenpflanzen, im Grünland verdrängt die Silierung die Blüten. Eine Umstellung von Heu auf Silage zeigt schon nach zwei Jahren eine optische Veränderung mit dem Entzug der Samen auf dieser Fläche.
Honigbienen mit einem Flugradius von 6 km können schon mal „Agrarwüsten“ überfliegen, doch eine Solitärbiene schafft nur 50 bis 100 m. Alle Obstbäume und Beerensträucher sind hervorragende Nektar- und Pollenspender, hier ist die Honigbiene dominierend; ein Großteil der 540 Wild- und Solitärbienen tritt erst nach der Obstblüte auf.
Dr. Wallner verwies auf die Bedeutung von Blüten nach der Obstblüte. Nektar für Honig und Pollen als Eiweiß- und Vitaminquelle für die Brut. Honigtau, Exudate und extraflorale Nektarien (Kirschbäume) aber auch der Saft von verletzten Früchten spielen eine oftmals unbekannte Rolle, auch im Hinblick auf den Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln. Ab 12° C ist Bienenflug zu beobachten, bei Wolken reduziert und bei Regen kaum.
Honigbienen brauchen Artenvielfalt beim Pollen. Es findet keine Mischung im Bienenbrot statt, sondern eine Schichtung, somit treten also keine Verdünnungseffekte und keine Homogenisierung ein. Dr. Wallner merkte an, dass es schwierig ist Erfahrungen von Honigbienen auf andere Bienen zu übertragen, alles worüber man zu wenig weiß gibt bekanntlich Anlass für Spekulationen. Auch die Problematik der Kirschessigfliege und deren Bekämpfung muss im Hinblick auf Bienen beachtet werden, da verletzte Früchte durch den Saftaustritt hochattraktiv sind. Dr. Wallner plädierte abschließend für eine Versachlichung der Thematik.
Wie die Biodiversität der Wildbienen erhöht werden kann, zeigte Referent Dr. Matthias Trapp von AgroScience. Zunächst muss man sich nach Festlegung eines Schutzzieles fragen, wo der Geltungsbereich liegen soll, für einen Schlag, für bestimmte Individuen oder übergeordnete Ökosystemfunktionen. Im konkreten Fall sind das Schutzziel die Bestäuber mit ihren unterschiedlichen Nahrungs- und Nisthabitaten. Um das Schutzziel zu erreichen braucht man vernetzte kombinierte Lebensräume im Konfliktfeld Fläche als knappe Ressource und rückläufige biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft. Also sind Maßnahmen außerhalb der Applikationsfläche im Fokus wie Gehölze, Böschungen, Rohbodenhabitate.
Dr. Trapp verwies auf das „Eh-da-Konzept“ und Jürgen Hass, Arbeitskreis Erwerbsobstbau Pfalz, berichtet kurz von einem geplanten Projekt mit der TH Bingen, um die Biodiversität in Obstanlagen zu fördern.
Mit der Ausdünnungsstrategie im Apfel durch Gehard Baab vom DLR Rheinpfalz und Bekämpfungsstrategien im Kern- und Steinobst durch Uwe Harzer auch vom DLR Rheinpfalz endete der diesjährige Pfälzer Obstbautag.
Andrea Schneider – LW 12/2018