Mehrjährige Dauerkultur liefert alternative Energie

Ungarisches Energiegras im Landkreis Marburg-Biedenkopf

In Erksdorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf testet der Wasser-und Bodenverband (WBV) „Marburger Land“ zusammen mit der ErWo Agrar GbR das ungarische Szarvasi-Gras als alternative Kultur zum Energiemais. Susanne Fischer und Markus Rhiel vom WBV stellen erste Ergebnisse der Versuche vor.

Projektberaterin Susanne Fischer am 4. Juli im Szarvasi-Bestand vor dem ersten Schnitt.

Foto: WBV

Energiemais ist für die Fütterung der Biogasanlagen die dominierende Ackerbaukultur. Während der Maisanbau in Ackerbauregionen mit Raps und Getreide die Fruchtfolgegestaltung eher auflockert, kann der Maisanteil regional durch den Biogasboom auf einen sehr hohen Wert steigen, der den Anbau von Alternativkulturen in vielerlei Hinsicht erforderlich macht.

Hohe Erträge und geringe Produktionskosten

Stabil hohe Erträge in Verbindung mit einer kostengünstigen Produktion durch einen relativ niedrigen Pflanzenschutzmitteleinsatz sowie der Einsatz bewährter Technik bei der Aussaat, Ernte und Silierung machen den Mais derzeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht zur effizientesten Energiepflanze. Allerdings birgt eine einseitige Ausrichtung auf den Maisanbau in der Biogasproduktion eine Reihe von Problemen.

Mais in Monokultur findet häufig wenig Akzeptanz in der Bevölkerung. Zudem sprechen Cross-Compliance Richtlinen bezüglich der Fruchtfolge sowie die Begrenzung des Maiseinsatzes auf 60 Masse Prozent im EEG vom Januar 2012 deutlich gegen den alleinigen Maisanbau in der Biogasproduktion. Letztlich ist ein zu hoher Maisanteil auch aus ökologischer Sicht wenig sinnvoll. Daher gilt es, entsprechende Anbaualternativen zu finden, und diese auf ihre Praxistauglichkeit zu testen.

Eine vielversprechende Anbaualternative stellt das ungarische Szarvasi-Gras (sprich Sawaschi) dar. Es handelt sich hierbei um ein ausdauerndes, horstbildendes Riesen-Weizengras. Szarvasi wächst bis zu 2,5 m hoch, bildet ein tiefreichendes Wurzelsystem und ist nach der Etablierung sehr frosthart. Die geringen Bodenansprüche sowie die gute Trockentoleranz machen die Pflanze gerade für schwächere Standorte interessant.

Szarvasi ist ein ausdauerndes, horstbildendes Riesen-Weizengras

Im Gegensatz zu vielen anderen Bio­energiepflanzen, wie etwa die Durchwachsenden Silphie, kann das Energiegras mit herkömmlicher Technik gedrillt werden, was die Verfahrenskos­ten erheblich reduziert. Der optimale Aussaatzeitpunkt liegt zwischen Mitte August und Mitte September. Eine spätere Aussaat wird nicht empfohlen, da Szarvasi eine langsame Jugendentwicklung hat und bis zum 3-Blatt-Stadium sehr frostempfindlich ist.

Eine Aussaat im Frühjahr ist auch möglich, jedoch benötigt Szarvasi ebenso wie Wintergetreide einen Kältereiz, um die Schossphase zu erreichen. Bei der Frühjahrsaussaat lassen sich daher im ersten Jahr nur Schröpfschnitte ernten. Schröpfschnitte fördern die Bestockung und dienen zusätzlich als mechanische Unkrautbekämpfung.

Ist eine zusätzliche Pflanzenschutzmaßnahme erforderlich, wurden erste gute Erfahrungen mit im Grünland zugelassenen Mitteln gemacht. Zu beachten ist hierbei die Genehmigung im Einzelfall nach § 22 Absatz 2 PflSchG. Mit rund 150 kg N/ha liegt das Düngungsniveau unter dem von Mais und Ackergras. Die Nutzung erfolgt in zwei Schnitten Ende Juni und im September bei TS-Gehalten von etwa 28 bis 32 Prozent.

Anbautelegramm Szarvasi

Merkmale
  • ausdauernd
  • hoch wachsend
  • horstbildend mit tiefreichendem Wurzelsystem
  • trockentolerant
  • sehr frosthart ab 3-Blatt-Stadium
Aussaat
  • Saatstärke: 20-25 kg/ha
  • Saattiefe 1 cm, anwalzen nach der Saat
  • Saatzeit: optimal à Mitte August bis Mitte September
  • Saatbett: abgesetztes, feinkrümeliges Saatbett
Düngung
  • 1. Schnitt ca. 90 kg N/ha
  • 2. Schnitt ca. 60 kg/ha
Pflege
  • Einsatz von Herbiziden erst ab 3-Blatt-Stadium
  • mechanische Unkrautbekämpfung durch Schröpfschnitte
Ernte
  • 2 Schnitte Ende Juni und im September
  • Schnitthöhe: 15 cm
  • Technik: Maishäcksler mit GPS-Mähvorsatz
Forscher der Landwirtschaftlichen Lehranstalten in Triesdorf prüfen Szarvasi neben vielen anderen Pflanzen bereits seit 2009 in Kleinparzellen. In den ersten Ergebnissen weist das ungarische Energiegras einen um 20 Prozent höheren Methanertrag je ha auf als der Mais. In ganz Deutschland testen Landwirte derzeit das ungarische Energiegras auf seine Praxistauglichkeit.

Auch der Wasser- und Bodenverband „Marburger Land“ (WBV) hat diese mögliche Alternative zum Mais in Zusammenarbeit mit der ErWo GbR auf 5,2 ha in Erksdorf unter Praxisbedingungen angebaut.

Gewässerschutzorientierte Alternative zum Energiemais

Neben dem Ziel, eine Anbaualternative zum Energiemais zu testen, stehen in Erksdorf noch weitere Aspekte im Vordergrund. Als Maßnahmenträger zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Maßnahmenraum Marburger Land ist der WBV besonders an gewässerschutzorientierten Alternativen zum Energiemaisanbau interessiert.

In Mittelhessen sind zurzeit 36 Biogasanlagen (Stand August 2011) mit einer elektrischen Nennleistung von 13,4 MW in Betrieb oder im Bau, sieben weitere Anlagen befinden sich in Vorbereitung beziehungsweise im Genehmigungsverfahren. Mit fast 50 Prozent der mittelhessischen Anlagenleistung entfällt der Hauptteil der Biogaserzeugung auf den östlichen Bereich des Landkreises Marburg-Biedenkopf.

Interessant auch auf Grenzstandorten

Das ungarische Szarvasi-Gras könnte gerade auf Grenzstandorten und in Wasserschutzgebieten eine ökologisch sinnvolle und ökonomisch verträgliche Alternative darstellen: Mit einem relativ geringem Stickstoffeinsatz wächst relativ viel Biomasse heran, was besonders für Wasserschutzgebiete von großem Vorteil ist. Zudem bietet das Gras als mehrjährige Dauerkultur einen deutlich verbesserten Erosionsschutz gegenüber dem Maisanbau. Auch die Gefahr einer Nitratverlagerung ist unter der Dauerkultur weit geringer als beim Mais.

Nach Einschätzung und ersten Erfahrungswerten des WBV lohnt sich der Anbau auch für Landwirte. Denn: Beim Szarvasi-Gras liegen die Kosten für Saatgut und Aussaat bei etwa 450 Euro je Hektar, was sich aber auf die gesamte Nutzungsdauer verteilt. Für Saat und Ernte muss keine spezielle Technik angeschafft werden.

Ein Mehraufwand ergibt sich durch die zweifache Beerntung der Flächen, was jedoch gerade während der Maisernte auch Arbeitsspitzen für Lohnunternehmer und Anlagenbetreiber brechen könnte.

Aussaat und Ernte mit Standardtechnik

Die erste Nutzung erfolgte am 6. Juli. Vor allem interessierte Landwirte aus der Region, die selbst Biogasanlagen betreiben, waren bei diesem ersten Erntetermin zugegen, um sich selbst ein Bild von der „neuen“ Kulturpflanze zu machen. Nach einer eigentlich zu späten Aussaat Anfang Oktober 2011 und einem Frühjahr 2012 mit sehr starken Auswinterungsschäden präsentierte sich die Fläche sehr gut und ließ sich problemlos mit einem GPS-Mähwerkvorsatz am Häcksler beernten.

Die erste Ernte des Szarvasi-Energiegrases wurde im Rahmen des WBV-Feldtages am 6. Juli durchgeführt. Gehäckselt wurde mit dem Direct-Disc-Vorsatz für Getreide-GPS.

Foto: WBV

Der Ertrag war für den ersten Schnitt im ersten Nutzungsjahr und trotz der widrigen Aufwuchsbedingungen sehr gut. Durchschnittlich wurden 25 t FM/ha mit 28 Prozent TS geerntet. Dabei wurde eine hoher Schnitt von zirka 20 cm gewählt, um die Regenerationsfähigkeit des Grases zu unterstützen.

Das Häckselgut wurde separat einsiliert und soll im Laufe weiterer Untersuchungen unter anderem auf den Methanertrag getestet werden. Insgesamt zeigten sich die Landwirte in Erksdorf von der Praxistauglichkeit des Grases überzeugt und planen einen großflächigen Probeanbau.

Im Landkreis Marburg-Biedenkopf sind 2012 etwa 30 ha Szarvasi-Gras in Planung. Dabei sollen besonders erosions- und auswaschungsgefährdete Standorte berücksichtigt werden. Um den Vorteil des Szarvasi-Anbaus belegen zu können, wird vom WBV ein Nmin-Monitoring in Verbindung mit Ertragserfassungen und Qualitätsprüfungen durchgeführt. Im Hinblick auf den Grundwasserschutz und den Erosionsschutz verspricht sich der WBV erste wertvolle Erkenntnisse. Der Anbau von Szarvasi ist ein wichtiger Baustein, um Alternativen zum Mais zu etablieren.