Moderne Betriebe brauchen Akzeptanz der Verbraucher
Zentrale Veranstaltung zur Landwirtschaftlichen Fachtagung
Zum achtzehnten Mal hatten die landwirtschaftlichen Verbände im NassauÂer Land zur landwirtschaftlichen Fachtagung nach Idstein geladen. vlf- Landesvorsitzender, Karl-Peter Mütze, eröffnete die Tagung und erläuterte das Thema dieser zentralen Tagung, welche sich als Hauptveranstaltung einer Informationsreihe für die Landwirte und VLF-Mitglieder aus der Region (wir berichteten im Wochenblatt LW Hessen) diesmal mit der Bedeutung erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit moderner Landwirtschaft befasste.
Nicht nur im Erzeugen hochwertiger Nahrungsmittel und in einer für das Land unschlagbar effizienten Pflege von Kulturräumen stehen die landwirtÂschaftÂliÂchen Betriebe ihren Mann, auch im gesellschaftlichen Leben in den Städten und Dörfern ist die moderne Landwirtschaft nicht weg zu denken. Kein Volksfest, kein Jubiläum eines Dorfvereines und kein Festumzug muss und kann auf den Beitrag der Landwirte verzichten. Hier sind wir „mittendrin“. Die Veranstalter hatten mit unterschiedlichen Referaten die besondere Problematik des Themas veranschaulicht.Werner Müller vom HessiÂschen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung ging auf die Dimension ein. Ländliche Räume sollten als attraktive und zukunftsfähige Lebens-, Arbeits- Wirtschafts-, NaÂtur- und Erholungsräume erhalten und weiterentwickelt werden, so Müller. Der Vielfalt und Eigenart der ländlichen Räume müssten durch Konzepte, Rechnung getragen werden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ländlichen Räume ist weiter zu entwickeln und zu unterstützen. Dazu seien die land- und forstÂwirtschaftliche Nutzung in ihrer ökonomischen Funktion und in Hinblick auf die Pflege der ländlichen Kulturlandschaft zu erhalten, so laute die Definition im Landesentwicklungsplan des Landes Hessen.
Wahrgenommen werde die Landwirtschaft in der ÖffentlichÂkeit aber differenziert, neben Schlagworten wie Erhaltung der Kulturlandschaft, gesunde Lebensmittel, Regionalität oder bäuerliche Kultur seien es leider allzu oft Negationen wie „Subventionsempfänger, Lebensmittelskandale, Umweltproblem und geringe wirtschaftliche Bedeutung.“ Die Landesregierung habe sich zur Weiterentwicklung des ländlichen Raumes und somit der Landwirtschaft wichtige Ziele gesetzt, so Müller: Die Landwirtschaft sei als Wirtschaftszweig zu erhalten und weiterzuentwickeln. Eine gleichrangige Teilnahme der in der Landwirtschaft Tätigen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung soll ermöglicht und angestrebt werden. Die Durchführung agrarstruktureller Maßnahmen wie Flurneuordnungsverfahren, freiwillige Land- und Nutzungstausche, einzelbetriebliche Förderung oder Dorferneuerung sollen dazu beitragen. Die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen für andere Nutzungen ist auf das notwendige Maß zu begrenzen.
Mehr Kommunikation nötig
Dr. Reinhard Grandke, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, sagte, die Landwirtschaft sei eine Schlüsselbranche, welche mit ihren Leistungen und Rohstoffen entscheidend für die Bewältigung der Zukunftsherausforderungen der Gesellschaft sei. Doch über die richtige Ausrichtung und den richtigen Weg in die Zukunft gebe es zwischen der Landwirtschaft und Teilen der Gesellschaft Divergenzen.
Die heutige Tier- und Pflanzenproduktion werde bei den Verbrauchern oft kritisch betrachtet. Die Grundeinstellung der Verbraucher zur Landwirtschaft sei aber positiv. Das müsse der Grundstein sein, auf dem sich eine gesellschaftlich akzeptierte Strategie für die Landwirtschaft aufbauen lasse. Bisherige Ansätze, über Branchenkommunikation oder Verlagerung der Kommunikation an Verbände, Organisationen oder Unternehmen, können Teil einer neuen strategischen Ausrichtung sein. Es gelte, genauso wie in Innovationen der Technik investiert werde, müsse in die Instrumente und Werkzeuge von Marketing und Kommunikation investiert werden, um ein gesellschaftliches Umfeld zu schaffen, das eine akzeptierte, wertgeschätzte, innovative und moderne Landwirtschaft möglich mache.
Aus Sicht der Landwirte
Kreislandwirt Thomas Kunz ging besonders auf das Erscheinungsbild der Landwirtschaft in den Medien und auf Vorurteile in der Gesellschaft ein. Bereits im Dorf werde die Landwirtschaft vielschichtig wahrgenommen, stellte Kunz fest. Das Verständnis in der Bevölkerung für landwirtschaftliches Tun werde eher geringer. Der Landwirt ziehe sich dann oft zurück und habe keine Lust auf „ErklärunÂgen.“ Kunz sprach vielen Anwesenden aus dem Herzen stellte aber auch selbstkritische Fragen an die Landwirte im Saal. Der Landwirt sollte in seiner Arbeitsweise so wenig wie möglich Angriffspunkte bieten, hingegen Möglichkeiten nutzen, sich in der Öffentlichkeit darzustellen. Denn die Landwirtschaft sei für ihr Bild vor Ort auch selbst verantwortlich. Man sollte jede Gelegenheit nutzen dem Verbraucher die Vorteile einer modernen Landwirtschaft zu erklären oder auch zeigen, so Kunz.
Problem der Entfremdung
Landesbauernpfarrer WürtÂtemÂberg, Dr. Jörg Dinger, sprach über eine Stellungnahme des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg im Umweltrat seiner Landeskirche, bei der ein Teilnehmer die einseitig landwirtschaftliche Ausrichtung des Papiers kritsierte und sagte „Sprach hier einer aus, was viele denken: Die paar Bauern – was spielen die noch für eine Rolle in unserer Gesellschaft?“ Weitere Beobachtungen folgten, so gehe es beim Wetterbericht fast ausschließlich um den Freizeitwert, Regen störe meist Eine deutliche Entfremdung von dem, was die Natur und die immer noch davon abhängige Landwirtschaft braucht.
Ohne Zweifel sei die LandwirtÂschaft mit zentralen ethischen Fragen unserer Zeit konfrontiert: mit der Frage nach Gerechtigkeit und dem Recht auf Nahrung zum Beispiel; mit Fragen des Tierschutzes, des Bodenschutzes und der Ökologie. Themen, die auch die Kirche in den letzten Jahrzehnten als wichtige Herausforderungen angenommen haben. Die gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft seien vielfältig und widersprächen sich teils. Sie solle verlässlich qualitativ gute Lebensmittel zur Verfügung stellen, doch viel kosten dürften diese nicht. Zur Energiewende und zum Klimaschutz solle die Landwirtschaft auch ihren Beitrag.
Aufruf an die jungen Landwirte
Der Landrat des Odenwaldkreises Dietrich Kübler kennt die Probleme aus eigener Erfahrung, bewirtschaftete er einen landwirtschaftlichen Betrieb im Mossautal im Odenwald. Kübler betonte den hohen Stellenwert des ehrenamtlichen und politischen Engagements. Wenn auch Landwirte bei wichtigen Entscheidungen in den Gremien vor Ort, sei es in Vereinen und Verbänden, sei es in der Kommunalpolitik dabei seien, könnten sie in ihren Regionen selbst Vieles gerade rücken, ist Kübler überzeugt. Bei der Bewältigung der künftigen Herausforderungen der ländlichen Regionen wie die demographische Entwicklung und die Landflucht, sei ebenso die Rolle der Landwirte wichtig. Den landwirtschaftlichen Nachwuchs forderte Kübler daher zu frühem ehrenamtlichen Mittun auf.
Medien prägen das Bild
Dr. Ingrid-Ute Leonhäuser vom Institut für Ernährungswissenschaften der Justus-Liebig-Universität, Gießen schilderte die Perspektive der Verbraucher. Es gebe es eine Reihe von UnterÂsuchungen zum Thema. Konsens über alle Befragungen: Die Medien prägen das Bild der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Während bei einem Großteil derer, die einen Landwirt kennen, das Image und das Ansehen der Landwirtschaft recht hoch sei, falle der Anteil mit sinkendem Bezug zur Landwirtschaft. Brisant sei, dass ideologisch geprägte Ansichten weit verbreitet seien, kaum ein Verbraucher befasse sich aber mit der „Erfolgsgeschichte Landwirtschaft“, beispielsweise, dass ein Landwirt heute etwa 148 Menschen mit Nahrungsmitteln versorge.
Nicht nur Fernsehsendungen wie „Bauer sucht Frau“, über „Land und Lecker“ oder Printmedien wie „Landlust“ seien für das Erscheinungsbild der Landwirtschaft verantwortlich, auch das soziale Netzwerk im Interet spiele mittlerweile eine große Rolle. So haÂbe sich die Kommunikation über diese Medien in den letzten beiden Jahren fast verdoppelt. Die Landwirtschaft sei gefordert, den Verbraucher „dort abzuholen, wo er steht.“ Dies könne durch breit gefächerte Initiativen der Verbände geschehen, sehr sinnvoll erscheinen ihr auch Maßnahmen wie „Offene Hoftore“.
Es müssten moderne Produktionsformen offensiv vertreten werden, Agrarromantik sollte vermieden werden. Die Verbraucher müssten auch in Sachen moderner Tier-, Natur und Klimaschutz aufgeklärt werden und es gelte, kritische Anspruchsgruppen zu Kunden zu machen.
Gesellschaft „früh abholen“
Ãœber das frühe „Abholen“ der Gesellschaft sprach Reiner MatÂhar von der Bildungsstelle für nachhaltige Entwicklung beim Hessischen Kultusministerium. Er betreut verschiedene Projekte wie „Bauernhof als Klassenzimmer“, „Lernort Bauernhof“ oder auch die Lehrerfortbildung in Sachen Landwirtschaft. Er berichtete von Schülern, die noch nie auf einem Bauernhof waren, jedoch voller Vorurteile hinsichtlich der modernen Landwirtschaft sind. Aber Projekte wie die von ihm Betreuten böten hervorragende Möglichkeiten hier auf zu klären. Egal in welcher Altersgruppe die jugendlichen Teilnehmer seien, es gelinge fast immer, ihnen die Landwirtschaft näher zu bringen.
Die in Hessen verteilten Lernbauernhöfe seien zwar nicht immer die hochprofessionellen Betriebe, jedoch moderne und gut eingerichtete Stätten, in denen neuzeitliche Landwirtschaft gezeigt und gelebt wird. Er berichtete von einem Hof, auf dem die Teilnehmer jeden Tag die Kaninchen füttern und betreuen und am Freitag dann Kaninchenbraten auf dem Speiseplan stehe. Auch das gehöre nun zum Lerninhalt
Hoffeste beste Form
Anett-Cristin Hochheim vom Bezirkslandfrauenverband Oberlahn ermunterte die anwesenden Landwirte, einfach ihre Hoftore zu öffnen, den Dialog zu suchen und jede Möglichkeit zu nutzen ihre Leistungen zu präsentieren. Denn nur wenn die Gesellschaft versteht, was die Landwirtschaft leistet, werden sich Konflikte lösen. Sie bedauerte, dass eine „Bauernhofromantik“ zeigende Welt in den Medien das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit präge. Hoffeste zeigten, dass es wichtig sei, die Bevölkerung auf die Höfe zu holen. Auch wenn es hohen Aufwand bedeute und viele Betriebe dies nicht allein leisten könnten, bringe es aber die höchste Akzeptanz für das Wirken einer Bauernfamilie.
Nachdem die Teilnehmer im Podium ihre Ansichten erläutert hatten, entwickelte sich unter Leitung von Werner Born, Stiftung Hof Geisberg, eine lebhafte Diskussion, die im Anschluss an das Schlusswort von Christian Staehr, Vorsitzender des VLF Usingen, in der Stadthalle fortgeführt wurde.
Dexheimer, vlf – LW 1/2013