Mut zum Weglassen unrentabler Kulturen

Pfälzer Gemüsebautag sucht Lösungen für die Zukunft

Der Druck auf die Gemüsebaubetriebe wächst von allen Seiten – vom Markt ebenso wie von der Politik. In der Wertschöpfungskette bleibt beim Erzeuger immer weniger Geld, die Gewinne machen andere. Einen Ausweg aus dieser Schieflage versuchte der Pfälzer Gemüsebautag aufzuzeigen.

Manche Kulturen benötigen sehr viele Arbeitskräfte. Da stellt sich zukünftig schon die Frage, ob sich der Anbau in Deutschland noch lohnt.

Foto: Brammert-Schröder

Die Pfälzer Gemüseerzeuger spüren den Druck von allen Seiten. Der Markt hat den in diesem Jahr sehr frühen Saisonstart in keiner Weise honoriert, das deutsche Gemüse konkurrierte mit der Importware um die Regalplätze im LEH, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preise. Und auch die Politik erzeugt Druck, jetzt müssen die Betriebe die neue Düngeverordnung umsetzen und mit einer Erhöhung des Mindestlohns auf 8,84 Euro klarkommen. „Immer häufiger reagieren die Betriebsleiter in dieser Situation mit einem Ausstieg“, sagte Dr. Günter Hoos, Leiter des DLR in Neustadt, bei der Begrüßung auf dem 36. Pfälzer Gemüsebautag vergangenen Freitag in Mutterstadt. Der Freilandgemüsebau sei in den Jahren von 2010 bis 2016 um 6,6 Prozent gewachsen, im selben Zeitraum sei die Zahl der Betriebe aber um 17,3 Prozent zurückgegangen. „Viele junge Leute entscheiden sich heute gegen die Ãœbernahme des Gemüsebaubetriebes, auch wegen des großen Drucks von außen“, fasste Hoos die Entwicklung zusammen. Hoos setzt dennoch auf den Nachwuchs, wenn es um die Bewältigung der Probleme auf dem Markt geht. „Die jungen Leute, die heute ihre Ausbildung machen, sind innovativ und lebendig und werden sich auch so in den Markt einbringen. Sie haben ein dynamisches Netzwerk untereinander und werden es nutzen, statt nur im Wettbewerb gegeneinander zu arbeiten.“

Gemüseerzeuger unter Druck

„Die Landwirtschaft hat eine schwierige Position in der Wertschöpfungskette“, sagte BWV-Präsident Eberhard Hartelt in seinen Grußworten. Die Landwirtschaft sei den Witterungsbedingungen, beim Pflanzenschutz auch den gesellschaftlichen Diskussionen und den Grenzwerten des Handels ausgesetzt. „Wir müssen uns mit dem begnügen, was übrigbleibt. Aber dieses Jahr geht die Rechnung nicht mehr auf.“ Er sieht Politik und Handel gefordert, Veränderungen herbeizuführen, etwa kartellrechtlich die Vermarktungsrechte der Landwirte zu prüfen. Es müssten aber auch flexiblere Lösungen bei den Arbeitszeiten her, damit die Betriebe, die ohnehin schon durch den Mindestlohn belastet sind, reagieren könnten.

„Mehr Mut und Effizienz für Veränderungen“, damit war das Vormittagsprogramm des Pfälzer Gemüsebautages überschrieben. Dr. Hubert Renz, betriebswirtschaftlicher Berater für Gartenbaubetriebe bei der Steuerkanzlei Völlinger&Partner in Karlsruhe, befasste sich mit dem Mindestlohn und den Veränderungen, die seit der Einführung bei den Gemüsebaubetrieben zu spüren sind. Auch Renz machte deutlich, dass sich der Druck auf die Gemüseerzeuger deutlich erhöht hat. Und er sagt: „Der 10. Mai 2017 hat den Gemüsebau verändert.“ Er meinte den Tag, an dem 500 Zollbeamte in der Pfalz Gemüseerzeuger überprüft und letztlich an den Pranger gestellt haben. „Es macht sich Angst, Frustration und Niedergeschlagenheit unter den Erzeugern breit“, sagte er. Die Betriebsleiter würden in der Öffentlichkeit als Verbrecher oder Betrüger dargestellt. Hinzu komme, dass der LEH immer mehr Aktionen fahre, bei denen der Erzeuger nur die Zeche zahle und der Handel profitiere. Auch die Finanzämter und die Rentenversicherung erhöhen den Druck, weil Neuerungen sofort umgesetzt werden müssen.

Hohe Lohnkosten reduzieren Gewinne

Renz warf einen Blick auf die Preise für die wichtigsten 25 Produkte, die in der Region angebaut werden und stellte fest, dass es in den letzten Jahren kaum Preisveränderungen gegeben hat. „Nur, wenn Menge am Markt fehlt, bewegen sich die Preise“, so der Berater. „In der Tendenz sind die Preise eher rückläufig.“ Steige der Preis nicht, würde versucht, mehr Menge zu machen, was wiederum den Preisdruck verstärke. Demgegenüber steht die Erhöhung der Lohnkosten durch den Mindestlohn. Machten die Lohnkosten 2013 noch 38 Prozent des Ertrages aus, sind es 2016 schon 50 Prozent. Der Gewinn der Betriebe sank von 15 Prozent in 2013 auf 3 Prozent in 2016.

„Wir haben seit 2013 eine Lohnsteigerung von 2,44 Euro pro Stunde. Es gilt zwar für alle der gleiche Mindestlohn, aber er wirkt sich für die einzelnen Beschäftigten je nach Angestelltenverhältnis und Aufenthaltsdauer unterschiedlich aus“, erklärte Renz. Das Lohngefüge in den Betrieben gerate durcheinander, der Mindestlohn sorge für Unruhe, weil für die gleiche Arbeit unterm Strich ein unterschiedlicher Lohn gezahlt werde.

„Sinkende Erlöse pro Einheit und steigende Löhne – die Gewinnspanne verpufft, die Betriebe geraten in die Krise, auch im persönlichen Bereich“, so Renz. Für ihn gibt es nur einen Ausweg: „Die Kulturen rauslassen, die keinen Deckungsbeitrag bringen.“ Er wisse aber auch, dass viele Betriebsleiter davor zurückschrecken, weil sie Angst haben, dann auch andere Produkte nicht mehr liefern zu dürfen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Erzeugern und Vermarkter sei wichtig, um Preisuntergrenzen durchzusetzen. Um den Lohnaufwand zu reduzieren, müssten die Arbeitsabläufe überprüft und die Arbeiter noch besser geschult werden. Langfristig sieht Renz eine Abwanderung der arbeitsintensiven Kulturen. „Haben Sie Mut zum Weglassen“, gab der Berater den Erzeugern mit auf den Weg.

Einen Blick auf das Marktgeschehen warf Dr. Hans-Christoph Behr von der AMI in Bonn. Er beleuchtete noch einmal den frühen Saisoneinstieg für Pfälzer Ware im LEH. Beispielsweise seien Radieschen sehr früh und in großen Mengen auf den Markt gekommen und auf Importware gestoßen. „Man hat die deutsche Ware im LEH zwar wiedergefunden, aber zu einem niedrigen Preis“, so Behr. Das habe sich durch alle Produkte gezogen. Dennoch liege Frischgemüse im Trend, obwohl der Außer-Haus-Verzehr an den Ernährungsausgaben der Deutschen einen immer größeren Anteil einnehme. Besonders beliebt sind Süßkartoffeln, Minimöhren, aber auch vorgekochter Mais und Rote Bete sowie Spinat, in Tüten verpackt. „Auch der Anteil an küchenfertigem Gemüse steigt“, sagte Behr.

Beim Handel spielt das Thema Regionalität immer noch eine große Rolle. „Regionalität liegt nach wie vor im Trend, die Ketten halten das Thema“, sagte Behr. Der Verbraucher honoriere regionale Ware und sei bereit, höhere Preise zu zahlen. Entsprechend häufig bewerbe der LEH regionale Produkte wie Tomaten, Radieschen oder Bundzwiebeln. Die Regionalität hat nach den Worten Behrs aber auch eine Kehrseite, denn auf der Erzeugerseite nähern sich die Produktionsschwerpunkte an. In Norddeutschland wird immer mehr Feldsalat angebaut, dafür holt der Eissalat im Süden auf. Behr stellte aber auch heraus, dass der deutsche Verbraucher nach wie vor preissensibel ist und gern zu Angeboten greift und dann auch größere Mengen kauft.

ibs – LW 48/2017