Nach der Krise ist vor der Krise
Finanzierungsfehler werden oft in guten Zeiten gemacht
An welchen „Optimierungsschrauben“ im Betrieb können Landwirte in Zeiten teils extrem niedriger Agrarpreise wie diesen überhaupt noch drehen und ihren Betrieb auf der Erfolgsspur halten? Auf jeden Fall sollten sie ihre betriebliche Finanzierung prüfen, um auf mögliche Liquiditätsengpässe weiterer Krisen auf den Agrarmärkten besser vorbereitet zu sein. Dr. Tim Obermowe von der NORD/LB in Hannover erläutert im Beitrag finanzielle Strategien für den Betriebsleiter.

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Oftmals wurde der Fehler im Management schon vor der Krise gelegt, in dem Versäumnisse in der betrieblichen Finanzierung gemacht wurden. Solche Schwachstellen werden erst in einem schwierigen Marktumfeld besonders deutlich. Liquiditätsengpässe machen es den Unternehmen schwer, allen Zahlungsverpflichtungen jederzeit gerecht zu werden. Da es in der Krise meist zu spät ist gegenzusteuern und dann häufig nicht mehr als Schadensbegrenzung möglich ist, sollten sich Landwirte für finanziell schwierige Zeiten bereits dann rüsten, wenn es dem Betrieb (noch) gut geht.
Laufzeit der Finanzierung passend zur Nutzungsdauer
Zu den Finanzierungsfehlern gehört insbesondere eine unpassende Struktur des betrieblichen Fremdkapitals. Langfristige Darlehen im Zuge von Investitionsfinanzierungen werden oft mit einer zu kurzen Laufzeit versehen, was vor allem in guten Marktphasen häufig falsch eingeschätzt wird, weil der ZinsÂaufwand gering gehalten werden soll. Dies kommt häufig bei der Aufnahme von Darlehen für Baumaßnahmen vor.
Vor allem dann, wenn es sich um kleinere Investitionen oder Nachfinanzierungen im Rahmen größerer Bauprojekte handelt, muten sich die Betriebe mitunter einen Abtrag der Kredite innerhalb von zum Beispiel nur zehn Jahren zu, obwohl die Nutzungsdauer der Investitionsobjekte unÂter Umständen mindestens doppelt so lange ist.
Auch bei Technikfinanzierungen kommt es regelmäßig vor, dass die Darlehenslaufzeiten kurz gewählt werden und beispielsweise ein Schlepper schon fast bezahlt ist, ehe er richtig einÂgefahren ist.
Aber nicht nur Fehler in der Fremdfinanzierung können das Finanzpolster landwirtschaftlicher Betriebe negativ beeinflussen. Häufig neigen Landwirte gerade in Zeiten, in denen es dem Unternehmen gut geht dazu, Investitionen aus den vorhandenen liquiden Mitteln zu bestreiten, statt einen Kredit in Anspruch zu nehmen und die Überschüsse des Betriebes für den Aufbau eines Finanzpolsters zu nutzen. Schnell häufen sich dadurch nicht unerhebliche Investitionssummen an, welche die Finanzkraft der Unternehmen spätestens dann einholen, wenn der Wind sich dreht und die betriebliche Entwicklung in schweres Fahrwasser gerät.
Fristenkongruente Struktur im Fremdkapitalbestand
Um Fehler im Finanzmanagement zu vermeiden und die betriebliche Finanzierung für Krisenzeiten fit zu machen, ist zunächst eine Bestandsaufnahme notwendig. Dabei sollte – wie für alle anderen betrieblichen Zahlungsströme – eine Übersicht über die Fremdfinanzierungen und die daraus resultierenden Belastungen in Form von Zins- und Tilgungszahlungen erarbeitet werden. Auf dieser Basis kann dann der Fremdkapitalbestand im Hinblick auf die fristenkongruente Struktur überprüft werden. Unter Umständen ist dann über eine Umfinanzierung der Darlehen mit dem Ziel der Laufzeitstreckung nachzudenken. In diesem Zusammenhang macht es oftmals Sinn, im gleichen Atemzug eine Zusammenfassung von mehreren Darlehensabschnitten in Betracht zu ziehen, besonders wenn das Unternehmen über viele kleine Darlehensabschnitte verfügt. Hierbei ist darauf zu achten, welche ZinsbindungszeitÂräume gegebenenfalls noch bestehen.
Wird ein Darlehen vor Ablauf der Zinsbindungsdauer zurückgeführt, können in Abhängigkeit von der jeweiligen Konstellation erhebliche Kosten anfallen.
Was tun, wenn kurzfristige Verbindlichkeiten steigen?
Eine zu hohe Belastung durch das betriebliche Fremdkapital, aber auch ein schlecht dosierter Eigenmittelsatz führen in den meisten Fällen unweigerlich dazu, dass sich gerade in schwierigen betrieblichen Phasen die kurzfristigen Verbindlichkeiten anhäufen. Neben der stärkeren Ausnutzung der Kreditlinien bei der Bank, werden dann vor allem Lieferantenverbindlichkeiten in Anspruch genommen, um den Fortgang des laufenden Geschäftsbetriebs sicherzustellen.
Neben dem Umstand, dass besonders Händler- und Lieferantenkredite oft eine recht teure Finanzierungsvariante darstellen, schmälert diese Form der UmÂlaufmittelfinanzierung tendenziell auch den VerÂhandÂlungsÂspielraum der LandwirÂte gegenüber ihren Geschäftspartnern, wenn diese gleichzeitig Geldgeber der Unternehmen sind. Zudem kann die Finanzierung über Lieferanten schnell dazu führen, dass der Überblick über die kurzfristigen Verbindlichkeiten verloren geht – insbesondere, wenn Kredite bei mehreren verschiedenen Geschäftspartnern in Anspruch genommen werden. Aus den genannten Gründen ist es ratsam, dass von der finanzierenden Bank neben einer angemessenen langfristigen Finanzierung auch immer eine Lösung für die Betriebs- und Umlaufmittelfinanzierung angeboten wird.
Üblicherweise sollte ein RahÂmenÂkredit zur Betriebsmittelfinanzierung zum einen in Form des Betriebsmittelkredites in Anspruch genommen werden. Bei dieser auch als Saisonkredit bekannten Variante wird ein Darlehensbetrag in einer vorher festgelegten Mindesthöhe in Anspruch genommen, um den entsprechenden Liquiditätsbedarf über einen bestimmten Zeitraum zu decken, und nach Ende der vereinbarten Laufzeit zurückgeführt. Diese in der Regel recht zinsgünstige Variante ist sinnvoll, um einen Zeitraum mit erhöhtem LiÂquiditätsbedarf (zum Beispiel durch Vorfinanzierung der Ernte) zu überbrücken. Zum anderen sollte der Betriebsmittelrahmen als Kontokorrentkredit beansprucht werden können. Diese mit Blick auf den Zinssatz teurere Variante hat den Vorteil kurzfristige Liquiditätsschwankungen abzupuffern, in dem beispielsweise der in Anspruch genommene Betrag innerhalb eines kurzen Zeitraums wieder ausgeglichen wird.
Kreditrahmen muss Schwankungen auffangen
Der zur Verfügung gestellte Kreditrahmen sollte so bemessen sein, dass einerseits kurzfristige Schwankungen des Marktumfeldes dadurch aufgefangen werden können. Andererseits sollte der Betrieb dadurch in der Lage sein, in gewissem Umfang auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können ohne sofort bei der Bank wegen eines weiteren Kredites anklopfen zu müssen. Auch für die aufgelaufenen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sollte der Status quo ermittelt und die Möglichkeit einer Umfinanzierung geprüft werden.
Grundsätzlich kommen hier ebenfalls längerfristige Bankdarlehen zur Betriebs- und Umlaufmittelfinanzierung sowie Betriebsmittelkredite zur Deckung des Liquiditätsbedarfs aus der laufenden Produktion in Frage, wobei auch hier die Laufzeit der Finanzierung passend zur Nutzungsdauer gewählt werden sollte.
Insbesondere bei der Ausfinanzierung von Betriebs- und Umlaufmitteln sind kürzere Laufzeiten von fünf oder sechs Jahren, in begründeten Ausnahmefällen maximal acht Jahren angemessen. Für die Festlegung der Laufzeit sollten betriebswirtschaftlich sinnvolle Grenzen beachtet werden. Insbesondere Umlaufmittel mit einer kurzen Nutzungsdauer sollten nicht über einen zu langen Zeitraum finanziert werden, um die Liquidität des Betriebes schonen zu wollen.
Bevor es zu einer Ausfinanzierung von Betriebs- und Umlaufmitteln kommt, ist sicherzustellen, dass die betriebÂliche Finanzierung über die Instrumente verfügt, um zukünftige Anhäufungen von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu vermeiden.
Finanzpolster mit zusätzlichem Kreditrahmen
Bei einer gelungenen Umsetzung der Maßnahmen kommt es zu einer Verbesserung der Liquiditätssituation. Bei dem entstehenden finanziellen Spielraum ist maßvoller Umgang von den Unternehmen gefragt. Dabei sollten insbesondere nicht zwingend betriebsnotwendige Investitionen und übermäßige Entnahmen für den Privatbereich vermieden werden.
Stattdessen gilt es gerade in guten Zeiten darauf hinzuarbeiten ein Liquiditätspolster für schwierige Zeiten zu bilden. Dieses kann beispielsweise in Form von regelmäßigen Ansparungen auf einem Kapitaldienstreservekonto erfolgen. Auf diesem Konto werden frühzeitig mindestens die turnusmäßigen KaÂÂpiÂtalÂÂdienstÂÂverpflichtungen sowie eine gewisse Reserve für außerordentÂliche Belastungen zurückgelegt. Weitere Möglichkeit besteht in der Ansparung eines generellen Liquiditätspuffers für unvorhergesehene Entwicklungen wie größere Reparaturen, Ersatzinvestitionen oder Marktschwankungen. Für den letztgenannten Punkt kann das Anlegen des Liquiditätspuffers auch mit einem zusätzlichem Kreditrahmen komÂbiniert werden, der mit der Bank zum Beispiel vor dem Hintergrund stark rückläufiger Erzeugerpreise vereinbart wurde.
Um die Auswirkungen und die Tauglichkeit der betrieblichen Finanzierung auf sowie für die künftige wirtschaftliche Entwicklung unter die Lupe zu nehmen, ist eine integrierte Unternehmensplanung unerlässlich. Dazu zählt zum einen eine Liquiditätsplanung, die möglichst auf Monatsbasis erkennen lässt, wie sich die Liquidität im Unternehmen entwickelt und zu welchem Zeitpunkt es möglichweise zu Liquiditätslücken kommen kann. Zum anderen ist eine Ergebnisvorausschau mithilfe einer Bilanz- und GuV-Planung unabdinglich. So lässt sich ableiten, wie sich Bilanzkennzahlen und GuV-Positionen entwickeln. Dies ist wichtig für die Ratingeinstufung durch die Bank.
Planungsrechnungen bei verschiedenen Szenarien
Da die künftigen Entwicklungen des Marktumfeldes, aber auch die Spezialkosten schwer einzuschätzen sind, ist es ratsam Szenarien durchzuspielen. Dabei sollte zum einem ein „Real-CaÂse-Szenario“ berechnet werden, das zum Beispiel das durchÂschnittÂliche Marktumfeld der letzÂten fünf Jahre als Ausgangsbasis für die zukünftige Entwicklung nimmt. So kann ermittelt werden, wie sich die Ergebnisse des Unternehmens entwickeln werden, wenn die Rahmenbedingungen mit Blick auf Erzeugerpreise und Kosten für Produktionsmittel in etwa gleich bleiben.
Zum anderen kann die Berechnung eines „Worst-Case-Szenarios“ Aufschluss geÂben, wie sich eine extreme Verschlechterung des Marktes auf Ergebnisse und Bilanzstruktur des Betriebes auswirkt. Auch kann durch eine solche Jahresabschlussplanung im Sinne einer Grenzbetrachtung ermittelt werden, bei welchem Preisniveau der Betrieb unter sonst gleichen Bedingungen gerade noch in der Lage ist, positive Ergebnisse zu erzielen. Die Bilanz-/GuV-Planungen sind auch zur Beantwortung der Frage wichtig, unter welchen Annahmen der Betrieb den Kapitaldienstverpflichtungen nachkommen kann oder ob weitere Finanzierungen tragbar sind.
Da das Erstellen solcher PlaÂnungsunterlagen nicht zum täglichen Ablauf gehört, sollten bei Bedarf frühzeitig Steuer- sowie Wirtschaftsberater eingebunden werden, um die Informationen zusammenzutragen und aufzubereiten. Diese bringen als sachkundige Dritte auch wichtige Impulse bei weiterführenden Gesprächen und können insbesondere bei kritischen Themen ein guter Ratgeber für Verhandlungen mit den Geschäftspartnern des Unternehmens sein.
Transparenz und Offenheit wichtig
Wenn „die Karten auf dem Tisch liegen“, ist ein offenes KomÂmunikationsverhalten gegenüber den Finanzierungspartnern wichtig. So sollten Banken schon in wirtschaftlich stabilen Zeiten über mögliche Entwicklungen des Unternehmens informiert werden. Ungünstig ist, wenn sie nicht eingebunden wurden und stattdessen durch Kontoüberziehung oder nicht bediente Darlehensleistungen auf eine VerschlechteÂrung der Situation aufmerksam werden. Gleiches gilt für die Lieferanten und Dienstleister des Betriebes. In jedem Fall können eine offene, ehrliche Ansprache sowie aufbereite und nachvollziehbare Unterlagen zum gegenseitigen Verständnis beitragen. Auf dieser Basis sollte es dann möglich sein, schon früh eine gemeinsame Strategie für eventuelle kritische Phasen in der Zukunft zu entwickeln. Wie das Marktumfeld ständigen Veränderungen unterliegt, bedarf auch die Planungsgrundlage ständig einer neuen Überprüfung und Anpassung. Besonders wenn schon Schritte zur Optimierung der Liquiditätssituation gemacht wurden, ist im Zuge eines Maßnahmen-ConÂtrollings ein Soll-Ist-Vergleich auf Basis der Planungen vorzunehmen. Hierzu ist besonders in Investitions- und Erweiterungsphasen zu raten, um die tatsächlich entstanden Kosten mit der Ursprungsplanung zu überprüfen. Bei negativen Abweichungen vom angestrebten Verlauf muss versucht werden, möglichst schnell gegenzusteuern. Sollte sich abzeichnen, dass die einstigen Ziele trotz aller eingeleiteten Maßnahmen nicht einzuhalten sind, ist dringend wieder das Gespräch mit den Finanzierungspartnern zu suchen.
– LW 44/2016