Nahrungsmittel aus der Region sind nicht selbstverständlich

Erntegespräch des Kreisbauernverbandes Vogelsberg

Die Vogelsberger Roggenernte war gut und doch kommt das Getreide, aus dem die Brötchen sind, demnächst von polnischen Äckern. Gute Nahrungsmittel aus der Region sind keine Selbstverständlichkeit, wenn Wetterkapriolen die Qualität von Roggen so senken, dass er nur noch als Viehfutter taugt.

Die Gesprächsteilnehmer mit HBV-Präsident Karsten Schmal und KBV-Vorsitzendem Volker Lein (M.) und dem Er­sten Kreisbeigeordneten Dr. Jens Mischak (2.v.l.) auf dem Betrieb von Christian und Bianca Nägel.

Foto: Legatis

Beim Erntegespräch am Montag der vergange­nen Woche auf dem Betrieb Nägel in Schlitz sagte Karsten Schmal, Präsi­dent des Hessischen Bauernverbandes „Nirgendwo auf der Welt ist die Qualität des Trinkwassers so gut, nirgendwo gibt es so gut ausgebildete Landwirte wie bei uns.“ Und dennoch werde die Landwirtschaft oft an den Pranger gestellt. Er ärgere sich über den Vorwurf der „Massentierhaltung“ bei hessischen Landwirten, denn statistisch kämen 0,6 Kühe auf einen Hektar landwirtschaftliche Fläche. In manchen norddeutschen Regionen seien es vier Rinder/ha.

„Wir brauchen mehr Tiere, gerade im Vogelsberg mit seinen vielen Wiesen“, betonte der HBV-Präsident. Zuvor hatten Schmal und Volker Lein, als Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Vogelsberg, eine durchweg zufriedenstellende Bilanz zur Ernte gezogen. Die Menge war zwar gut, jedoch haben Kälte und starke Regenfälle oft die Qualität gedrückt. Unterdurchschnittlich in der Region sei der Ertrag auf Rapsfeldern, auch da gab es Einbußen durch Regen.

Die Schweinefleischpreise sind auf einem brauchbaren Niveau und der Milchpreis hat sich erholt, waren weitere Inhalte dieses Gesprächs. Beim Treffen auf dem Betrieb von Christian und Bianca Nägel bei Schlitz zeigte sich aber, wie komplex die Landwirtschaft ist. Die Natur gibt den Rahmen vor, in dem Landwirte Ackerfrüchte einfahren, das wirtschaftliche Risiko bleibt bei dem Landwirt hängen. Er müsste in guten Jahren Rücklagen erwirtschaften, um bei Missernten oder Preisverfall zu überleben. Das gelinge gerade bei Milchviehbetrieben kaum, so Schmal. Die Ernte im Vogelsberg fällt gut aus, was die Menge angeht, bei mittelmäßiger Qualität, wie Lein erläuterte. So war das Frühjahr zu trocken, dann wurde es zu kalt, und im Sommer wechselten sich Hitze und Gewitter ab. Da seien die Landwirte unter Druck geraten, an wenigen trockenen Tagen die Ernte einzufahren. Das war nicht leicht, zumal sich Bauern oft Erntemaschinen teilen. HBV-Präsident Schmal verwies auf die hessische Getreideernte von 2,067 Mio. t. Damit liege man im Durchschnitt der letzten 15 Jahre, aber die Qualität schwanke stark. Das sagte Armin Pfeil von Raiffeisen Alsfeld. Dieses Jahr habe man zwei Drittel der Weizenernte als Futtergetreide verkauft, nur ein Drittel hatte Backqualität. Üblicherweise sei das umgekehrt. Auch beim Roggen war die Qualität zu niedrig, so dass Mühlen nun Roggen aus Polen verarbeiten müssen. Im Sommer gab es zeitweise starken Regen, der die Ernte behinderte. Die Rapsernte liege sechs Prozent unter dem Vorjahresergebnis. Schmal ging auch auf die Kartoffelernte ein, die gut sei, aber die Frühkartoffelpreise zu niedrig waren, weil die Lebensmittelmärkte lange in Spanien eingekauft hatten.

Andreas Kornmann berichtete, dass er bei der Ernte von Getreide auf nasse Äcker fahren musste. Das hinterließ tiefe Spuren in den Böden, trotz der breiten Reifen am Schlepper, so der Kreislandwirt. Relativ gute Preise ließen sich dieses Jahr mit Schweinefleisch erzielen, „aber wir müssen die Löcher der Vorjahre stopfen“. Drei Jahre lang hatten Ferkelzüchter wie er „katastrophale Preise“ zu verkraften.

Joachim Legatis – LW 39/2017