Nutztiere vor Wölfen schützen
Expertenforum zum Thema Wolfsabwehr in Korbach
In Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, und auch Nordhessen sind Wölfe nachweislich wieder beheimatet. Nutztierhalter stehen der Wiederansiedlung skeptisch gegenüber, denn es kommt immer wieder zu Weidetierrissen. Als gefährdete Tierart steht der Wolf jedoch unter Artenschutz und darf nicht bejagt werden. Die Herausforderung ist daher, ein konfliktarmes Nebeneinander zu schaffen. Der Weidezaunhersteller Horizont im nordhessischen Korbach hatte kürzlich zu einem Expertenforum mit dem Thema „Herdenschutz – Wolfsabwehr“ eingeladen. Der freie Agrarjournalist Dr. Ernst-August Hildebrandt war für das LW dabei.

Foto: Breuer, Werkfoto Horizont
Sachsen: 91 Nutztiere durch Wölfe getötet im Jahr 2014
Zuchtleiterin Dr. Regina Walther vom sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverband verwies auf 65 Wolfsangriffe auf Nutztiere, die im Jahr 2014 in Sachsen angezeigt wurden. In 48 Fällen sei ein Wolf als Verursacher nachgewiesen worden. 91 Nutztiere – vor allem Schafe – wurden dabei getötet. 2015 wurden bisher 16 Fälle mit Nutztierschäden gemeldet, wobei in 13 Fällen der Wolf als Verursacher festgestellt beziehungsweise nicht ausgeschlossen werden konnte. Dabei seien 26 Nutztiere getötet und 4 Tiere verletzt worden. In nur zwei Fällen seien die Nutztiere nicht oder unzureichend geschützt worden. Sehr problematisch sieht die Referentin die Tatsache des „Surplus Killing (übermäßiges Töten von Beutetieren) vor allem durch Jungwölfe an. So geschehen im Jahr 2002 in Mühlrose (Sachsen), wo 4 Jungwölfe 33 Schafe aus einer Herde von 260 Tieren rissen.
In Sachsen werden Schutzmaßnahmen gefördert
Dies zeige, wie wichtig der Herdenschutz durch geeignete Maßnahmen sei. Zur Prävention werde im Freistaat Sachsen die Einrichtung eines definierten Schutzstandards erwartet, der zur Vermeidung von Nutztierschäden bei Schaf- und Ziegenhaltern im Rahmen der Förderrichtlinie „Natürliches Erbe“ gefördert werde. Die förderfähigen Maßnahmen zum Herdenschutz lägen in der Anschaffung von Elektrozäunen, Herdenschutzhunden, von Breitbandlitzen (Flatterbändern) als Übersprungschutz und die Installation von Unterwühlschutz bei Wildgattern. Die Förderhöhe liege bei 80 Prozent der förderfähigen Ausgaben, wobei weitere 20 Prozent durch die Sielmann Stiftung getragen würden. Voraussetzung für eine Entschädigung bei Tierverlusten sei, dass ein Tierrissbegutachter zu dem Ergebnis kommt, dass der Schaden durch einen Wolf verursacht wurde, beziehungsweise diese Ursache nicht auszuschließen ist. Auch der Einsatz von Herdenschutzhunden sei eine geeignete Möglichkeit (siehe Kasten).
Zahl der Nutztiere sank in Slowenien um 20 Prozent
Boris Grabrian ist Vorsitzender des slowenischen Schafzuchtverbandes und berichtet, dass im waldreichen Slowenien mit 63 Prozent Waldanteil neben dem Wolf auch von Braunbären und Luxen Gefahren für Nutztiere ausgehen. Die Situation der slowenischen Schaf- und Ziegenhalter sei stark angespannt. Die Population von Wölfen und Braunbären steige weiter an, während die Nutztierzahlen in den vergangenen drei Jahren um 20 Prozent zurückgegangen sei. Auch in Slowenien gewinnen Herdenschutzhunde zunehmend an Bedeutung. Diese würden selbst Braunbären in die Flucht schlagen. Grabrian setzt auf seinem Zuchtbetrieb mit gutem Erfolg auch den Istrian-Esel zum Schutz der Schafe und Ziegen ein. Da Wolf, Bär, Lux sowie auch Raben und Adler in Slowvenien nicht bejagt werden dürfen, stehen den Nutztierhaltern Entschädigungen zu, wenn allgemein notwendige Schutzmaßnahmen wie elektrische Zäune nachgewiesen werden. Durch Wolfsattacken wurden in den vergangenen fünf Jahren 2 147 Schafe und Ziegen, 32 Esel, 22 Rinder, 8 Pferde, 6 Gatterwild, 1 Schwein und 5 weitere Tiere gerissen. Slowenien habe inzwischen mit dem Nachbarland Kroation Vereinbarungen getroffen in der Wolfsabwehr gemeinsame Konzepte zu entwerfen und umzusetzen.
Benno Spilker, Produktmanager Weidezaun der Firma Horizont, ging auf die Schutzmaßnahmen der Italiener ein, die zur Wolfsabwehr Baustahlmatten als Zaunmaterial mit vorgelagertem elektrifiziertem Draht einsetzen. Die Zäune werden mit einer Höhe von 160 cm plus 30 bis 60 cm tiefem Untergrabungsschutz eingebaut. Diese recht teure Baumaßnahme wird inzwischen mit Erfolg durch 92 cm hohe Baustahlmatten mit drei stromführenden Litzen im Abstand von 20/20/30 ersetzt.
Elektrozäune zur Wolfsabwehr vorgestellt
Spilker stellte die neueste Entwicklung bei Elektrozäunen zur Wolfsabwehr vor, die in einem gemeinsamen Projekt mit dem Schafzuchtverband Sachsen entwickelt wurde. In vergleichbaren Testvariationen seien in 8 Betrieben über 1 800 Netze untersucht worden. Als Testsieger habe sich ein Schafnetz zur Wolfsabwehr herausgestellt, bei dem wechselseitig 90 und 120 cm hohe Pfähle (15 mm) mit Doppelspitzen zum Einsatz kamen. Im Einzelnen wurden auf 50 m Länge 15 Weidepfähle verbaut. 7 Pfähle mit 90 cm/15mm und 8 Pfähle mit 120 cm/15mm, weiterhin 1 Zusatz-/Eckpfahl mit 2 Zusatzisolatoren, 8 horizontale Litzen, wovon 7 stromführend und eine horizontale Litze, die als Bodenlitze nicht stromführend ist. Ober- und Bodenlitze waren verstärkt. Eine Übersprungsicherung wurde durch ein Elektrozaunband erreicht, das in die 120 cm hohen Pfähle eingehängt wurde.
Freigabe zum Abschuss nur in Ausnahmefällen
In der Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass der Wolf wieder in Deutschland zurück ist. Da die Tiere unter Schutz stehen, dürfte es nur in Ausnahmefällen zur Abschussfreigabe kommen, die zudem gefährlich sei und die Situation verschlimmere, wenn verbliebene Jährlinge und Welpen orientierungslos „Surplus Killing“ praktizieren könnten.
Bundeseinheitliches Wolfsmanagement etablieren
Die Teilnehmer des Forums erheben die Forderung an die Politik, ein bundeseinheitliches Wolfsmanagement zu etablieren und einheitliche Entschädigungsmaßnahmen und Präventionsförderungen umzusetzen. Da der Wolf dem Natur- und Artenschutz als Rückkehrer in Mitteleuropa willkommen ist, müssten auch Vorkehrungen für ein konfliktfreies Zusammenleben getroffen werden. Dies könnte durch staatlich bestellte Wolfsbeauftragte unterstützt werden.
– LW 22/2015