Pflanzenschutzmittel – aktueller Zulassungsstand

Empfehlungen für den Rebschutz 2010

Zum Beginn der Vegetationsperiode ist es für alle Betriebsleiter wichtig, sich einen Überblick über den aktuellen Zulassungs- und Genehmigungsstand von Pflanzenschutzmitteln zu verschaffen. Dr. Friedrich Louis, Roland Ipach und Dr. Andreas Kortekamp von der Abteilung Phytomedizin des DLR Rheinpfalz in Neustadt/Weinstraße, empfehlen Pflanzenschutzmaßnahmen für 2010, dabei wird neben Neuzulassungen auch auf Aufbrauchfristen, Anwendungsverbote und auf die besonderen Erfordernisse des Pflanzenschutzes im Tafeltraubenanbau eingegangen.

Eine Infektion mit Phomopsis führt zu schiffchenartigen Nekrosen am jungen Trieb.

Foto: Abteilung Phytomedizin, DLR Rheinpfalz

Bei der Mittelauswahl muss der Betriebsleiter flexibel und kurzfristig reagieren können, insofern spielt heute der Frühbezug von Pflanzenschutzmitteln nicht mehr die Rolle wie noch vor eini­gen Jahren. Inzwischen hat sich der kurzfristige Kauf von Pflanzenschutzmitteln während der Saison – dem Befall angepasst – weitgehend durchgesetzt. Aber der Kauf im Laufe der Ve­getationsperiode kann auch problematisch werden, falls bestimmte Mittel nicht mehr lieferbar sind. Es kann sinnvoll sein, sich zu Saisonbeginn preisgünstig einen „Grundstock“ von Mitteln zu beschaffen, die aufgrund der Erfahrungen aus den Vorjahren sicher aufgebraucht werden. Beim Einkauf sind die spezifischen Anwendungsbestimmungen der Mittel zu beachten. Je nach Lage der Flächen (Gewässernähe) ist der Einsatz mancher Mittel ausgeschlossen oder mit Auflagen (Einsatz verlustmindernder Geräte) verbunden.

Generell ist bei der Schädlingsbekämpfung eine Befallskontrolle wichtig. Während Traubenwickler in fast allen Weinbaugebieten regelmäßig vorkommen, treten andere Schädlinge nur in manchen Jahren oder bestimmten Lagen auf. Der Vorjahresbefall gibt erste Hinweise, ob Weinberge gefährdet sind, beispielsweise beim Springwurm, Rhombenspanner, bei der Grünen Rebzikade oder dem Ohrwurm. Andere Schädlinge, wie Schildläuse, bauen über Jahre hinweg an einzelnen Rebstöcken oder in Teilbereichen von Weinbergen höhere Dichten auf und sind beim Rebschnitt relativ leicht zu erkennen. Dann können die Behandlungen auf die Befallsbereiche beschränkt werden.

Tierische Schädlinge im Auge behalten

Bei den Insektiziden haben sich nur wenige Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr ergeben. Neben den bisher zugelassenen Mitteln zur Bekämpfung von Traubenwickler, Springwurm, Rhombenspanner, Rebzikaden und Thripsen hat die Zulassungsbehörde (BVL), im Februar 2010, §18a-Genehmigungen für die Insektizide SpinTor und Confidor WG 70 erteilt. So kann SpinTor zur Ohrwurmbekämpfung mit maximal zwei Anwendungen nach der Blüte eingesetzt werden. Zur Regulation von Schildlauspopulationen steht Confidor WG 70 mit maximal einer Anwendung nach der Blüte zur Verfügung.

Raubmilben contra Thripse

Schädliche Milben können sehr effek­tiv von Raubmilben auf Reben kontrolliert werden. Im Rebschutz hat sich die Raubmilbenschonung als kostengüns­tigs­te und langfristig sicherste Bekämpfungsmethode von Spinn- und Kräusel­milben bewährt. Es ist die Einstufung der Pflanzenschutzmittel hinsichtlich ihrer Raubmilben schädigenden Wirkung zu beachten. Inzwischen wurde am DLR Rheinpfalz zusätzlich der Nachweis geführt, dass Raubmilben auch sehr gut Thripse in Schach halten können. Für Junganlagen wird eine schnelle Ansiedlung von Raubmilben über Holz oder Reblaub, auf dem sich die Nützlinge in genügender Anzahl befinden, empfohlen. Dieser Rat gilt besonders für Flurbereinigungsgebiete, aus denen über die großflächige Stockrodung meist auch die Raubmilben komplett entfernt werden.

Zahlreiche Mittel zur Pilzbekämpfung

Zur Bekämpfung von Peronospora, Oidium, Botrytis, Schwarzfäule, Phomopsis und Roter Brenner stehen der Praxis auch 2010 zahlreiche Fungizide zur Verfügung. Funguran, mit Kupferoxychlorid als aktivem Wirkstoff, wurde wieder zugelassen. Zusätzlich können die Winzer neben dem Mittel Forum Star (Wirkstoffe: Dimethomorph und Folpet) und Vincare (Wirkstoffe: Folpet und Benthiavalicarb) nun auch Forum Gold (Wirkstoffe: Dimethomorph und Dithianon) und Fantic F (Wirkstoffe: Folpet und Benalaxyl M) zur Peronosporabekämpfung einsetzen. Bei der Mittelauswahl ist zu beachten, dass mit Ausnahme von Funguran, welches als unspezifisch wirkendes Kupferfungizid keine Resistenzproblematik aufweist, alle neu zugelassenen Mittel bereits bestehenden Resistenzklassen zugeordnet wurden.

Pero-Erfahrungen aus 2009 nutzen

In der Pfalz, in Rheinhessen, Südbaden und an der Mosel war das Jahr 2009 von einem starken Auftreten der Reben­peronospora geprägt. Bereits in der zweiten Maihälfte wurden erste Ölflecke gemeldet. Durch die oft sehr ergiebigen Regenfälle waren vielerorts über große Zeiträume günstige Infektionsbedingungen gegeben. Ab Mitte Juni konnten in manchen Regio­nen täglich Sporulationen beziehungsweise Infektionen stattfinden. So erhöhte sich das Risiko sowohl für einen Blatt- als auch für einen Gescheinsbefall. Aufgrund des schnellen Rebwachstums mussten die Spritzabstände zu einer effekti­ven Behandlung des Neuzuwach­ses verkürzt werden. Allerdings war in manchen Anlagen aufgrund der häufigen Niederschläge keine zeitnahe Applikation der Pflanzenschutzmittel möglich. Vielerorts konnte die Krank­heit nicht ausreichend bekämpft werden. Reine Kontaktmittel waren aufgrund längerer Spritzabstände und des raschen Wachstums nicht immer wirkungsvoll genug und die Kurativleistung der tiefen­wirksamen Präparate wurde von manchen Praktikern überschätzt.

Aufgrund der zum Teil schwierigen Befallssituation im vergangenen Jahr wurden am DLR Rheinpfalz tiefenwirksame Mittel auf ihre kurative Leistung an Blättern überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass eine ausreichen­de Bekämpfung nur innerhalb des ersten Tages oder maximal innerhalb der ersten zwei Tage nach einer Infektion möglich ist. Der beste Wirkungsgrad wird bei einem vorbeugenden Einsatz der Mittel erzielt, da vielen tiefen­wirksamen Produkten eine Kontaktkomponente beinhalten, die nur bei protektiver Anwendung ihre volle Wirkung entfalten kann. Kurative Behandlungen ber­gen ein erhöhtes Risiko einer Resistenzbildung, weshalb für eine sinnvolle Bekämpfungsstrate­gie immer die Wirkung der Kontaktkomponente der Kombi­prä­parate ausgenutzt werden sollte. Trotz der Auswahl an Präpara­ten empfiehlt es sich aufgrund der Erfahrungen eine betriebsspe­zifische Bekämpfungsstrategie gegen Peronospora zu planen. Grundsätzlich sollten die zu einer Gruppe zählenden und mit gleichem Buchstaben gekennzeichne­ten Wirkstoffe nicht häufi­ger als drei Mal je Vegetationsperiode verwendet werden, um Resistenz­entwicklungen zu vermeiden oder zumindest zu verzögern.

Pilzbefall früh erkennen und behandeln

Das Jahr 2009 hat gezeigt, dass bei feuchter Witterung frühzeitig eine vorbeugende Behandlung durchgeführt werden sollte, mit Präparaten, die ein Kon­takt­mittel enthalten. Entsprechende Hinweise zum Bekämpfungsbeginn sind dem Warndienst zu entnehmen.

Bei zügigem Wachstum müssen kurze Spritzabstände gewählt werden, um ausreichenden Schutz zu gewährleisten, insbesondere für den Zeitraum um die Blüte bis zur deutlichen Beerenvergrößerung, da sowohl Blüten als auch junge Beeren besonders pilzanfällig sind. Bei einem stark unterschiedlichen Blühverlauf verschiedener Sorten oder Lagen sollte eine gestaffelte Behandlung in die abgehen­de Blüte erfolgen und für die letzten beiden Behandlungen sind Mittel mit kurzer Wartezeit einzusetzen. Generell ist strikt auf Anti-Resistenz-Management zu achten, das heißt, konsequenter Wirkstoffwechsel.

Das frühe Auftreten von Ölflecken gibt Hinweise auf einen hohen Peronospora-Befallsdruck bei feuchter Witterung.

Foto: Abteilung Phytomedizin, DLR Rheinpfalz

Kleine Nekrosen, die von einem hellen Hof umgeben sind, weisen auf einen Blattbefall mit Phomopsis (Schwarzflecken) hin.

Foto: Abteilung Phytomedizin, DLR Rheinpfalz

Typische Blattsymptome einer Esca-kranken Rebe.

Foto: Abteilung Phytomedizin, DLR Rheinpfalz

Die häufigen Niederschläge drängten 2009 mancherorts Oidium zurück. Allerdings zeigten ungenügend behandelte Reben trotzdem deutliche Oidium-Schäden, sodass von entsprechendem Befallsdruck 2010 auszugehen ist. Bei einem Vorbefall mit Oidium (Echter Mehltau) oder auch Botrytis (Grauschimmel) sind auf dem einjährigen Holz im Frühjahr die entsprechenden Schadsymptome sichtbar. Neben den dunklen und unregelmäßig geformten Fruchtkörpern von Botrytis treten möglicherweise lila-schwarz gefärbte Oidiumfiguren auf, die – falls sie häufig auftreten – besondere Bekämpfungsmaßnahmen notwendig machen. Bei Oidiumfiguren handelt es sich um Befallsstellen auf dem einjährigen Holz, an denen der Pilz bereits abgestorben ist, jedoch ist das zahlreiche Auftreten von Oidiumfiguren ein Hinweis auf ein hohes Infektionspotenzial durch überwinterndes Myzel in den Knospen.

Häufige Niederschläge, milde Tempe­raturen beim Austrieb und regenrei­che Sommer sind günstige Ausgangs­be­din­gungen für Infektionen durch pilzliche Schaderreger wie Phomopsis. Im feuchten Jahr 2009 konnten bis in den Sommer hinein Blattinfektionen mit diesem Pilz - auch in höheren Blatt­etagen - beobachtet werden. Bei starkem Vorjahresbefall, zu erkennen an ausgebleichten Ruten, an denen sich schwarze Fruchtkörper befinden, sollten betroffene Ruten beim Rebschnitt entfernt werden. Falls die verbliebenen Fruchtruten vermehrt Phomopsis-Vorbefall aufweisen, sind bei feuchter Witterung frühzeitig im Jahr, beim Erscheinen des ersten Grüns (Knospenaufbruch), erste Behandlungen durchzuführen.

Esca ist nicht zufriedenstellend zu bekämpfen

Milde Temperaturen im Winter und häufige Niederschläge begünstigen auch Infektionen der Rebe mit Esca-Erregern, die zurzeit noch nicht zufriedenstellend bekämpft werden können. Obwohl umfangreiche Untersuchungen zur Bekämpfung beziehungsweise zur Vermeidung einer Esca-Erkrankung durchgeführt werden, ist das Problem noch nicht im Griff. Auch 2009 waren in vielen Anlagen Esca-befallene Stöcke deutlich erkennbar. Es ist zu befürchten, dass sich diese Krankheit auch aufgrund der Klimaveränderung in den kommenden Jahren weiter ausbreiten kann.

Abgestorbene Stöcke mit Esca-Befall sollten frühzeitig aus den Anlagen entfernt und verbrannt werden, um den Infektionsdruck innerhalb der Weinberge zu verringern. Rebstöcke mit typischen Symptomen, wie zum Beispiel Tigerstreifen an den Blättern, sollten im Sommer gekennzeichnet werden, um durch einen Rückschnitt an den betroffenen Reben im Winter oder Frühjahr eine Stammsanierung vornehmen zu können.

Der Winterschnitt sowie Sägearbei­ten sollten möglichst bei trockener und kalter Witterung erfolgen, weil bei tiefen Tem­pe­raturen nicht mit einem Sporenflug der an der Esca-Krankheit beteiligten Pilze zu rechnen ist. Trockenes Wetter, günstigstenfalls auch ein bis zwei Tage nach dem Rebschnitt, fördert ein schnelles Abtrocknen der Wunden und reduziert ebenfalls die Infektionsgefahr.

Lockere Trauben durch Wachstumsregulatoren

Für die Auflockerung des Traubenge­rüstes und zur Vermeidung von Fäulnis bei kompakten Sorten gibt es für Rega­lis seit 2009 eine Genehmigung nach §18a Pflanzenschutzgesetz (Lückenindikation). Die Anwendung ist jedoch auf Riesling, St. Laurent und Sauvignon Blanc beschränkt. Für das Gibberellinsäure-Produkt Gibb3 wurde ab 1. April 2010 wieder eine §11.2-Genehmigung (befristet für 120 Tage) zur Auflockerung des Traubengerüstes in Burgundersorten, Schwarzriesling und Portugieser erteilt.

Shark-Einsatz nur eingeschränkt möglich

Die chemische Entfernung von Stock­trieben mit dem Mittel Shark ist weiterhin nur durch eine §18a-Genehmigung möglich. Zwischenzeitlich wurde zwar ein regulärer Antrag auf Zulassung für alle Rebsorten gestellt, doch ist für die Saison 2010 nicht mit einer Entschei­dung zu rechnen. Die Anwendung von Shark bleibt somit beschränkt auf Burgundersorten, Silvaner, Morio Muskat, Schwarzriesling, Chardonnay.

Aufbrauchfristen und Anwendungsverbote

Ohrwürmer in Trauben können Fäulnis und auch Fehltöne im Wein verursachen.

Foto: Abteilung Phytomedizin, DLR Rheinpfalz

Bei einigen Präparaten ist in den letzten zwei Jahren die Zulassung ausgelaufen, ohne dass eine Wiederzulassung erfolgte. In den meisten Fällen besteht für diese Mittel eine Aufbrauchfrist von zwei Jahren in denen der Winzer im Betrieb vorhandene Produkte noch verwenden kann. Die Winzer sollten auch im Hinblick auf Cross Complian­ce-Regelungen unbedingt auf diese Fristen achten. Nach Ablauf der Aufbrauchfrist besteht ein Anwendungsver­bot. In Ausnahmefällen, etwa bei Gefahr im Verzug, kann auch ein sofortiges Anwendungsverbot verhängt werden.

Es sind einige Herbizide zugelassen worden

Was die zurzeit zugelassenen Herbizide betrifft, haben sich gegenüber dem Vorjahr 2010 einige Änderungen ergeben. Für Devrinol FL wurde eine Ge­neh­migung zur Anwendung nach dem Pflanzen, aber vor dem Austrieb der Reben, erteilt. Für Katana gab es eine positive Ergänzung des Anwendungszeitraums: Der Einsatz dieses Mittels war schon ab April möglich, sodass Katana vor dem Austrieb von Stocktrieben an den Rebstöcken eingesetzt werden konnte. Für die Diuron-haltigen Mittel Cumatol WG und Rapir WG ist die Aufbrauchfrist bereits am 31. Dezember 2008 ausgelaufen, somit besteht ein Anwendungsverbot. Bei Gramoxone Extra ruht weiterhin die Zulassung und das Mittel darf deshalb nicht angewendet werden.

Generell ist beim Einsatz von Herbiziden darauf zu achten, dass die Mittel nur innerhalb der Rebflächen eingesetzt werden. Eine Anwendung außerhalb und auf befestigten Flächen sowie auf unbefestigten Graswegen oder an Weinbergsrändern ist nicht erlaubt.

Besondere Regeln bei Tafel-, Ess- oder Schnittttrauben

In den letzten Jahren haben einige Betriebe spezielle Sorten für die Esstrauben-Erzeugung angepflanzt. Viele Tafeltrau­ben­sorten weisen hohe Resisten­zen gegenüber Pilzen auf und müssen nicht oder nur in begrenztem Umfang mit Fungiziden geschützt werden. Behandlungen mit Insektiziden oder Akariziden gegen tierische Schädlinge können jedoch auch an Pilz resistenten Sorten erforderlich sein, wenn die Tafeltraubenanlagen beispielsweise außerhalb von Pheromongebieten liegen.

Es gibt allerdings auch Weinbaubetriebe, die aus Keltertraubenanlagen sogenannte Schnitt- oder Esstrauben (Dornfelder, Gutedel, Silvaner) für den Direkt­verzehr ausschneiden und in den Handel bringen. Dazu zählt jeglicher Vertrieb inklusive des Ab-Hof-Verkaufs. Neben der ganz strikten Einhaltung der für Tafel­traubenanbau vorgeschriebenen Wartezeiten ist dabei unbedingt zu berücksichtigen, dass die für die Erzeugung von Keltertrauben zugelassenen Mittel nicht automatisch auch für die Produktion von Tafeltrauben erlaubt sind.

Leider hat es in Deutschland auch 2009 wieder Beanstandungen wegen nicht erlaubter Rückstände bei der Vermarktung von Tafeltrauben aus unterschiedlichen Anbaugebieten gegeben. Besonders häufig aufgefallen ist der Wirkstoff Folpet, aber auch andere Wirkstoffe waren Grund für Beanstandungen. Da Folpet nur im Keltertraubenanbau zugelassen ist, muss davon ausgegangen werden, dass die 2009 beanstandeten Trauben aus Anlagen stammten, welche für die Weinbereitung vorgesehen waren. Insofern ist genau darauf zu achten, dass Tafeltrauben nur dann verkehrsfähig sind, wenn sie mit den speziell ausgewiesenen Mitteln behandelt wurden.

Die Tabellen können Sie sich hier im PDF-Format herunterladen.