„Philosophie der Spaltung der Landwirtschaft stoppen“

Beeindruckende Erntedankfeier des KBV-Waldeck

Zu einer agrarpolitischen Standortbestimmung nutzte der KBV Waldeck die gut besuchte berufsständische Feier zum Erntedankfest in Lichtenfels-Goddelsheim. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken analysierte die spürbaren Veränderungen der Parteienlandschaft in Deutschland und die damit verbundenen Änderungen politischer Ziele, die die Landwirte direkt und indirekt betreffen. Er beschrieb in seinen Ausführungen, wie sich der Deutsche Bauernverband im Interesse seiner Mitglieder aufstellt und gemeinsam mit diesen auf Gesellschaft und Parteien einzuwirken beabsichtigt.

Ein Blick in die gut besetzten Reihen beim Erntedankfest des KBV-Waldeck in der Goddelsheimer Mehrzweckhalle.

Foto: Dietz

Auch die Grußworte von Stadtrat Karl Hendrik Oppermann und Erstem Kreisbeigeordneten Karl-Friedrich Freese waren geprägt von profunder Sachkenntnis in Bezug auf die Landwirtschaft und ihre derzeitige Situation.

Eingangs hatte Pfarrer Klaus Nobiling im Erntedankgottesdienst Bezug genommen auf die alttestamentarische Zusage Gottes nach der Sintflut an die Menschen „solange die Erde besteht, soll nicht aufhören Saat und Ernte…“. Die Bauern wüssten noch, dass Ernte und Erntedank ohne Gott nicht gehe.

Zum Erntedankfest gehört der Gottesdienst

„Deshalb gehört zu Ihrem Erntedankfest der Gottesdienst, was in der heutigen Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich ist“, so Nobiling. Noah habe nach der Sintflut nicht in die Hände gespuckt, sondern als allererstes einen Dankaltar errichtet. Dankbarkeit als Ausgangspunkt für einen Neuanfang zwischen Mensch und Gott, eine bemerkenswerte Grundeinstellung.

KBV-Vorsitzender Karsten Schmal begrüßte im Namen des KBV, des Bezirks-Landfrauenvereins, der Kreislandjugend und der Landsenioren, die gemeinsam zum Erntedankfest eingeladen hatten, eine große Zahl von Ehrengästen aus Gesellschaft, Unternehmen und Politik. Den Goddelsheimer Vereinen, die im Hintergrund die Organisation in der Mehrzweckhalle übernommen hatten, sagte er Dank. „Ihr seid eine gute Community, das klappt einfach“, so Schmal.

Die Bundessieger des Berufswettbewerbs der Landjugend, Marcel Löwer und Steffen Schmal aus Waldeck-Frankenberg, wurden für ihren herausragenden Erfolg geehrt.

Foto: Dietz

Wie im vergangenen Jahr hätten die Wetterunbilden den Bauern zugesetzt. „Wir sehen schon länger die Herausforderungen des Klimawandels und wissen, dass wir uns darauf einstellen müssen“, sagte er. Viel heftiger aber prasselten die sich immer schneller verändernden Forderungen aus Gesellschaft und Politik auf die Bauern nieder. Manchmal komme ihm das so vor, als dass in vielen Amtsstuben überlegt werde, Saat und Ernte zu erschweren, beschrieb Schmal seine Empfindung. „Dabei ist keiner so nah an der Natur wie wir Landwirte“, resümierte er nicht ohne Stolz. Seit Jahren könne man beobachten, wie sich Deutschland selbst aus dem internationalen Wettbewerb nimmt, ohne Alternative zu haben. So geschehen bei der chemischen Industrie, der Kernkraft, oder Mobilität. Von außen werde versucht, die Landwirte gegeneinander aufzubringen. „Wir müssen die Philosophie der Spaltung der Landwirtschaft stoppen“, formulierte Schmal als Auftrag.

Und dennoch gebe es trotz aller Widrigkeiten auf dem Feld der Politik Grund zu danken und nannte eine relativ entspannte Getreideernte, die Angebote für die Futterbörse, Frieden und Freiheit „und Werte, die wir hochhalten wollen.“

„Das Jahr 2019 hat in Deutschland einiges auf den Kopf gestellt. Wir sehen Parteien im Umbruch oder gar im Abstieg, eine Lager-Erosion, Landtagswahlen mit ungewöhnlich starken Verschiebungen der Kräfteverhältnisse“, begann Generalsekretär Krüsken seine Analyse der politischen Situation. Die Integrationskraft traditioneller Parteien sinke, eine neue Volkspartei sei im Entstehen. Das Abschneiden der Grünen sei speziell deutsch, in Europa so nicht zu erkennen. Akteure in social media legten die Sprachlosigkeit der CDU offen, die dafür sofort abgestraft werde. Ãœber Volksbegehren würden sehr stark vereinfachte Forderungen beispielsweise zu Insektenschutz erhoben, so dass selbst Naturschutzverbände vor Schnellschüssen warnten.

Wissenschaftliche Fakten werden beiseite gerückt

Bei „82 Millionen Fachleuten“ für die Landwirtschaft sei die Agrarpolitik derzeit nicht im Lösungsmodus, so der Generalsekretär. In der öffentlichen Diskussion würden wissenschaftliche Erkenntnisse nicht mehr zur Kenntnis genommen. Eine zersplitterte Medienwelt ohne Meinungsführer bedeute für die Landwirtschaft zum einen eine Chance, zum anderen erfordere sie Zeit und Kraft, um in den elektronischen Medien mitzuhalten und zeitnah Argumente zu setzen.

Bedrohliche Entwicklungen gibt es nach Krüsken einige. So zum Beispiel der Wechsel von einem kooperativen Naturschutz hin zum harten Ordnungsrecht. Das beinhalte den Pferdefuß des Verlustes der Förderfähigkeit. „Das ist fatal für die Gemeinsame Agrarpolitik“, so der Generalsekretär. Galt bisher in Sachen FFH stets die gute fachliche Praxis, so werde diese Zusage der Politik gebrochen. Mit den bevorstehenden Einschränkungen der Flächenbewirtschaftung durch das Insektenschutzprogramm würden den deutschen Bauern etwa zehn Prozent der Flächen entzogen. Auf der anderen Seite liefere die Politik nicht, um den Flächenverbrauch zu verringern.

Größte Nicht-Regierungs-Organisation auf dem Land

„Wer ist der Deutsche Bauernverband?“, stellte Krüsken überraschend eine Frage in den Raum und gab sogleich die Antwort: „Sie sind es hier im Saal. Und wir alle gemeinsam sind die größte Nicht-Regierungs-Organisation im ländlichen Raum. Mit diesem Pfund können wir wuchern.“ Der DBV werde bei eigenen Aktionen stets mit konstruktiven Lösungsansätzen auf die politischen Akteure zugehen. Jammern sei sinnlos. Ãœberdies gelte die Erfahrung aus dem Fussball: die Defensive schießt keine Tore.

Der DBV habe keinen Grund, verzagt in die Zukunft zu schauen. Er habe auch einiges in jüngster Zeit positiv bewegt. Als Beispiel nannte Krüsken die GAP-Reform, die Änderung der Richtlinien bezüglich des unfairen Wettbewerbs durch den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Mit dem LEH fänden Gespräche statt, die vor 20 Jahren noch als undenkbar galten, die agrarsoziale Sicherung sei stabilisiert worden, zur Ackerbau-Strategie sei ein Aufschlag gemacht worden und es gelte das Motto: Veränderung gestalten. Weiterhin werde an neuen Allianzen gearbeitet wie zum Beispiel mit den Akteuren im ländlichen Raum, mit den Verbrauchern oder dem LEH.

„Wir waren als Interessensverband stets dann erfolgreich, wenn wir intern abgestimmte Positionen nach außen vertreten haben“, so Krüsken. Mit der Aussage „Seid einig“ auf seinem Wappen sei der Hessische Bauernverband auf der richtigen Schiene. „Wenn es um die Gestaltung der Landschaft geht, können wir mit breiter Brust sagen: Es geht nicht ohne die Bauern, das können nur wir“, ließ der Generalsekretär ein gesundes Selbstbewusstsein durchscheinen.

Zum Ende der Feier ehrten Karsten Schmal und Stephanie Wetekam folgende Absolventen: Betriebswirte-Techniker: Jannik Leis, Mika Meyer, Christian Pohlmann, Steffen Schmal, Marc Stietz und Johannes Vollbracht; Landwirte: Elias Kernetzky, Johannes Heine, Chenè Ras, Johannes Hellwig und Lukas Rock; B. Sc. Agrarwissenschaften: Anke Bornemann, Andreas und Marco Rohleder. Sie erhielten eine Urkunde und die Einladung seitens KBV, LBH und Maschinenring zu einem Arbeitsessen, um dort berufsständische Themen zu erörtern.

Der VLF überreichte eine Schnuppermitgliedschaft und wies auf den 14. März als Termin für den Bauernball hin. Die Veranstaltung klang traditionell aus mit dem feierlichen Singen des Waldecker Liedes.

Dz – LW 41/2019