Politiker stellen sich den Fragen der Landwirte aus der Region
KBV diskutieren mit Kandidaten zur Bundestagswahl
Die Kreisbauernverbände Rheingau-Taunus und Limburg-Weilburg haben Anfang Juli gemeinsam zu einer Podiumsdiskussion nach Bad Camberg-Würges eingeladen. Die Bundestagskandidaten des Bundestagswahlkreises Rheingau-Taunus-Limburg, Klaus-Peter Willsch (CDU, MdB), Martin Rabanus (SPD, MdB), ferner Alexander Müller (FDP) und Benno Pörtner (Die Linke) sowie Martina Feldmayer (agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Hessischen Landtag), die Timo Müller vertrat, stellten sich den Fragen der Landwirte.
Die Themen Agrarsozialpolitik, landwirtschaftlicher FlächenÂverbrauch und zukünftige Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik bildeten Schwerpunkte in der Podiumsdiskussion, die der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Rheingau-Taunus, Thomas Kunz, moderierte. Unter den Kandidaten bestand Einigkeit darin, dass die landwirtschaftlichen Sozialversicherungen weiterhin finanziell unterstützt werden müssen. Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft nimmt die Zahl der Einzahler in das landwirtschaftliche Sozialsystem stetig ab. Zum einen sinkt die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe fortlaufend, zum anderen arbeiten die Kinder der Landwirte sehr häufig in außerlandwirtschaftlichen Berufen, sodass sie in andere gesetzliche und private Sozialkassen einzahlen. Daher handelt es sich bei der finanziellen Unterstützung der landwirtschaftlichen Sozialversicherungen vielmehr um einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Sozialsystemen. Armin Müller, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Limburg-Weilburg, verdeutlichte die Entwicklung der Altersgeld-EinÂzahler und -empfänger: Einem aktiven Landwirt, der in die landwirtschaftliche Alterskasse einzahlt, stehen 3,2 AltersgeldemÂpfänger gegenüber. Dabei sind die Renten der Landwirte im Vergleich sehr gering. Müller stellte heraus, dass die Knappschaft das 2,8-fache der landwirtschaftlichen RenÂte an ihre Empfänger zahlt.
Landwirtschaftliche Flächen schützen
Zum Thema landwirtschaftÂlicher Flächenverbrauch erklärte Thomas Kunz, dass seitens der Landwirtschaft ein Gesetz zum Schutz der landwirtschaftlichen Fläche in Anlehnung an den Forst gewünscht werde. Gehen Waldflächen verloren, müssen entsprechende Forstflächen im gleichen Maße wiederhergestellt werden, bisher geschehe dies allerdings auf Kosten der landwirtschaftlichen Flächen. Armin MülÂler erläuterte, dass täglich hessenweit 3,8 bis 4,2 ha landwirtschaftliche Nutzfläche durch Baumaßnahmen (wie für Gewerbe-, Wohngebiete und Verkehrszwecke) einschließlich KomÂpenÂsationsÂmaßnahmen verloren gehen. Klaus-Peter Willsch (CDU) kann sich vorstellen, von der Kompensation für Baumaßnahmen in Form des Flächenausgleichs Abstand zu nehmen. Eine Abgeltung durch Geld für Raum-Nützliches ist eine seiner agrarpolitischen Forderungen. Martina Feldmayer sieht darin die Gefahr eines größeren Flächenverbrauchs und führt an, dass die Innenentwicklung der Orte gefördert werden müsse. Benno Pörtner (Die Linke) will ebenfalls die Dorfentwicklung angehen, um den Flächenverbrauch zu verringern. Martin Rabanus (SPD) stellte dar, dass in dieser Frage ein Interessenkonflikt bestehe und es keine Patentlösung gebe. Über denParagraph 35 des BauÂgesetzbuches, wonach das landwirtschaftliche Bauen im Außenbereich privilegiert ist, wird häufig diskutiert. Alle Kandidaten stimmten zu, dass auch zukünftig landwirtschaftliche Baumaßnahmen im Außenbereich privilegiert werden und der entsprechende Paragraph 35 erhalten bleiben solle. Martin Rabanus (SPD) hatte sich im März im Rheingau kritisch dazu geäußert, was Klaus-Peter Willsch (CDU) während der Diskussion kritisierte.
Die Kandidaten sprachen sich für den Fortbestand der EU-Direktzahlungen aus. Martin RaÂbanus (SPD) betonte, dass die Unterstützung der heimischen Landwirtschaft fortgeführt werden muss, da man sich bei der Ernährung nicht von anderen abhängig machen dürfte. Die wichtige und bedeutsame Arbeit der Landwirte werde anerkannt. Ab 2026 werde aber verstärkt auf Förderungen aus der „Zweiten Säule“ gesetzt. Alexander Müller (FDP) betonte, dass die Landwirte frühzeitig über die Entwicklung der Agrarpolitik ab 2020 informiert werden müssten. Ebenso befürwortete er die Weiterführung der Agrardieselsteuererstattung und den Erhalt der Umsatzsteuerpauschalierung.
Mehr Zusammenarbeit der Ministerien erforderlich
Weiterhin plädierten die Diskussionsteilnehmer für den Erhalt eines eigenständigen Landwirtschaftsministeriums und forÂderten mehr Zusammenarbeit zwischen dem Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium. Alexander Müller (FDP) stellte fest, dass konventionelle Landwirtschaft in die Öko-Richtung gedrängt werde, sei eine fatale Entwicklung. Des Weiteren verlangt er den Abbau von Bürokratie, Ideologie und Detailvorschriften. Martina FeldÂmayer (Die Grünen) vertritt den Öko-Aktionsplan ihrer Partei, da Verbraucher eine ökologische Landwirtschaft forderten und ihre Partei Brücken zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern bauen wolle. Martin Rabanus (SPD) erwähnte, dass die Standards in der deutschen Landwirtschaft hoch genug und schwer genug umzusetzen seien und dass nicht noch mehr Siegel geschaffen werden sollten. Für eine hohe Lebensmittelqualität und eine klare Kennzeichnung sprachen sich auch die anderen Kandidaten aus. Benno Pörtner (Die Linke) forderte ein stärkeres Bewusstsein für Lebensmittel und eine größere Bereitschaft zu höheren Ausgaben für Lebensmittel bei den Verbrauchern und dass Landwirte von der Produktion gesunder Lebensmittel leben können müssten. Martina Feldmayer (Die Grünen) nannte eine klare Kennzeichnung der Produkte als Voraussetzung für die Kaufentscheidung der Verbraucher. Alexander Müller (FDP) betonte, dass das Konsumentenverhalten nicht beeinflusst werden solle.
Mehr regionale Erzeugung und regionale Verarbeitung
„Verbraucher fragen regionale Produkte stärker nach, gleichzeitig verschwindet das verarbeitende Gewerbe wie Schlachtereien und Mühlen zunehmend aus der Region“ hob Thomas Kunz hervor. Auf die Frage, wie regionales Handwerk bundesweit gestärkt werden könne, erhielten die Zuhörer von den Kandidaten keine konkreten Antworten. Aus dem Publikum wurde die Schwierigkeit der Vermarktung am Beispiel der Milch angesprochen. Bei offenen Märkten und Importen sei es unÂmöglich, eine Mengenverknappung zu bewirken, um dadurch höhere Erzeugerpreise zu erzielen, sagte Kunz. Klaus-Peter Willsch (CDU) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei freien Märkten die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte über den Export möglich sein muss. Dass ländliche Regionen im Blick behalten werden und die Digitalisierung vorangetrieben werden sollen, war Martin Rabanus (SPD) wichtig. Klaus-Peter Willsch (CDU) betonte, dass es Fördermittel für die Digitalisierung in der Landwirtschaft geben solle. Er unterstützt hierbei eine Initiative von Thomas Kunz als HBV-VizepräÂsident, seitens des Hessischen Bauernverbandes (HBV) den Ausbau von schnellem Internet für landwirtschaftliche Betriebe zu fordern. Die Politiker waren sich einig, dass die Landwirtschaft im Rheingau-Taunus-Kreis und im Landkreis Limburg-Weilburg eine große Bedeutung für den ländlichen Raum hat. Deshalb wollen sich auch alle Kandidaten mit ihren Parteien für die Landwirtschaft einsetzen.
kbv – LW 31/2017